SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2008, Seite 06

Nazistische Jugendarbeit

Die Kaderschmiede HDJ

von ANJA KÖHLER

Die „Heimattreue Deutsche Jugend” ist ein neofaschistischer Verein für Kinder und Jugendliche. Er richtet sich an „alle deutschen Mädels und Jungen im Alter von 7 bis 25 Jahren” Während staatliche Behörden die Zahl der organisierten Kinder und Jugendlichen gerade einmal auf hundert schätzen, gehen Wissenschaftler davon aus, dass der HDJ mehrere hundert Mädchen und Jungen angehören.
Die HDJ untergliedert sich in sieben regionale Einheiten, denen insgesamt vier Leitstellen übergeordnet sind. Technischer Dienst und Beschaffungsstelle kümmern sich um organisatorische und logistische Probleme. Das Symbol des Vereins ist eine rote Flamme auf schwarz-weißem Grund. Die meisten Kinder treten der HDJ auf Betreiben ihrer Eltern bei, denn unter Neonazis gehört es derzeit zum guten Ton, seine Kinder in die „Heimattreue Jugend” zu geben.
Politiker der Linkspartei, der SPD sowie der Grünen machen sich derzeit für ein Verbot der HDJ stark. Die Zerschlagung der rechtsextremen Kinder- und Jugendorganisation ist eigentlich längst überfällig, jedoch wird sie durch juristische Hürden verzögert. Längere Zeit war umstritten, ob die HDJ bundesweit oder „nur” in einigen Bundesländern ihr Unwesen treibt. Im ersten Fall wäre das Bundesinnenministerium, ansonsten die Innenministerien der betroffenen Länder zuständig. Heute ist sicher, dass die HDJ in ganz Deutschland aktiv ist.

Drill

Dann fehlt es der Bundesregierung (angeblich) an hinreichend belastendem Material. Dabei verweist bereits der Name des Vereins auf die Hitlerjugend, die auch bei der politischen und pädagogischen Ausrichtung der HDJ Pate gestanden haben dürfte. Ziel ist es, Kinder und Jugendliche zu „fanatischen Kämpfern” der extremen Rechten zu erziehen. Wie ihr historisches Vorbild auch ködert die HDJ Kinder mit Abenteuern und Lagerfeuerromantik.
Um ihnen ein neofaschistisches Weltbild einzuimpfen, greift die HDJ auf militärischen Drill ebenso zurück wie auf klassische „Bildungsarbeit” Zu dieser zählen vor allem die Vermittlung geschichtlichen und geografischen „Wissens”, das gemeinsame Musizieren sowie einschlägige Literatur. So empfiehlt die Vereinszeitung der HDJ Funkenflug Bücher über diverse NS-Größen sowie HJ- Lektüre. Die Jugendlichen erwerben ein biologistisches, neofaschistisches Weltbild und machen sich die Sicht von NS-Verherrlichern und Holocaustleugnern zu eigen. Militärischen Drill bekommen sie durch Gewaltmärsche, Mutproben, Sportübungen, Appelle, Wachdienste u.ä. Er dient der körperlichen Ertüchtigung und Abhärtung und ist ein „pädagogisches Mittel” im Sinne der extremen Rechten. Die Jugendlichen sollen aufhören, selbstständig zu denken und stattdessen Befehle mechanisch ausführen.
Wer das 25.Lebensjahr erreicht, muss jedoch keinesfalls die HDJ verlassen. Vielmehr kann er oder sie nun als Erzieher, Organisator oder ganz allgemein als Unterstützer des Vereins tätig werden. Der Verein bemüht sich, bewusst Eltern, Großeltern und ältere Geschwister in Freundes- und Familienkreisen zu organisieren und auf diese Weise die Mitgliedschaft von ganzen Familien zu sichern.
Jugendliche gehen oft familiäre Bindungen im Rahmen der HDJ-Gemeinschaft ein, und auch der Freundeskreis der Kinder und Jugendlichen besteht zum größten Teil aus anderen HDJlern; so bindet die HDJ sie stärker in die Szene ein. Die aktiven Erwachsenen gehören oftmals anderen neonazistischen Gruppierungen, z.B. der NPD, der Deutschen Partei oder einer Kameradschaft an, und garantieren den personellen und ideologisch-politischen Austausch mit anderen Teilen der extremen Rechten.
Teilweise tritt die HDJ als Mitorganisatorin rechter Veranstaltungen in Erscheinung. Ihr wohl wichtigstes Projekt dieser Art ist der Märkische Kulturtag, den der Verein seit 2001 in Zusammenarbeit mit der Berliner Kulturgemeinschaft Preußen sowie der Gemeinschaft Deutscher Frauen ausrichtet. Auch zu neofaschistischen (Kinder- und Jugend-)Organisationen im Ausland existieren enge Kontakte.

Werdegang

Viele der derzeit in der HDJ aktiven Erwachsenen entstammen den Reihen der 1994 verbotenen Wiking-Jugend, mit der die HDJ neben personellen auch weitreichende ideologische und symbolische Gemeinsamkeiten aufweist. So ist z.B. das Uniformhemd beider Organisationen bis auf den Organisationsnamen identisch.
Offiziell versteht sich die HDJ als Nachfolgerin des Bundes Heimattreuer Jugend. Der BHJ wurde 1958 in Franken gegründet und gehörte zunächst eindeutig der rechtsextremen Szene zu. In den 80er Jahren verlor er aufgrund massiver interner Streitigkeiten an Einfluss. Die inneren Konflikte führten schließlich zu einer Neuorientierung. Der BHJ gab seinen politischen Anspruch auf und benannte sich 1990 in „Bund Heimattreuer Jugend — Der Freibund e.V.” um. Ein Teil der Mitgliedschaft trug diesen Wandel nicht mit und schloss sich in der Deutschen Heimattreuen Jugend zusammen. Diese durchlebte jedoch wie schon der BHJ einen Prozess der Entpolitisierung. Erst mit der Wahl eines neuen Bundesvorstands, dem kaum jemand aus den Reihen des BHJ, Freibundes oder der DHJ angehörte, radikalisierte sich der Verein. 2000 wurde er in „Heimattreue Deutsche Jugend” umbenannt.
Im Oktober 2007 verbot das Bundesinnenministerium der HDJ das Tragen ihrer Uniform. Dieses Zeichen aus der Politik verdeutlichte auch dem Unbedarftesten den himmelweiten Unterschied zwischen den primär politischen Intentionen der HDJ und dem jugendpflegerischen Anliegen der Pfadfinderschaft. Unter anderem in deren Klientel versucht die HDJ derzeit zu fischen. Gezielt werden Pfadfinder angesprochen und andere Kinder und Jugendliche aus nichtnazistischen Elternhäusern agitiert.
Man kann jedoch bezweifeln, ob diese Strategie Erfolg haben wird. Zwar brüstet sich der Funkenflug damit, zahlreiche Abonnenten außerhalb der HDJ zu haben, andererseits machen Pfadfinder und besorgte Eltern das Treiben der Neonazis immer wieder öffentlich. Und auch die im Internet zu sehenden Werbefilme der HDJ lassen nicht den Verdacht aufkommen, der Verein werde zu einer Massenorganisation werden: Die Filme zeigen eine antiquierte, langweilige und verschrobene Gemeinschaft und dürften Kinder und Jugendliche kaum hinterm Ofen hervorlocken. Dennoch gilt es, die HDJ schnellstmöglich zu verbieten, aus politischen Gründen ebenso wie zum Schutz ihrer kindlichen und jugendlichen Mitglieder.


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