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Als der bayerische Wissenschaftsminister Thomas Goppel unlängst nach dem
Erfolgsgeheimnis „seiner” Universitäten gefragt wurde, die im bundesweiten
„Exzellenzwettbewerb” überdurchschnittlich gut abgeschnitten hatten, erwiderte er:
„Wir haben unsere Zeit nicht mit Gruppen-Universitäten und Mitbestimmung verschwendet, sondern
uns ganz auf Wissenschaft und Forschung konzentriert” (Forschung & Lehre, Nr.4/06).
Die formale Entgegensetzung von
Mitbestimmung und vermeintlicher wissenschaftlicher „Effizienz” bringt die Leitgedanken des
aktuellen Hochschulumbaus, wie er in den meisten Bundesländern erfolgt, adäquat zum Ausdruck.
Muster für diesen Umbau ist die Konstruktion einer unternehmensähnlichen Entscheidungsstruktur:
Alle dirigistischen Kompetenzen konzentrieren sich in der Zentrale (Präsidium, Rektorat), die wiederum
von einem externen, aufsichtsratsähnlichen Gremium ("Hochschulrat") abhängig ist.
Im Gegenzug werden die Befugnisse der
verbliebenen Gremien einer korporativen Selbstverwaltung die im begrenzten Umfang eine Mitbestimmung
der verschiedenen Gruppen der Hochschule zulässt und für die sich in den 70er Jahren die
Bezeichnung „Gruppenuniversität” durchgesetzt hat nahezu vollständig reduziert.
Die aktuellen Konflikte müssen historisch eingeordnet werden, um sie richtig verstehen zu können.
Eine eindeutige und gesellschaftlich
konsensfähige Vorstellung davon, was normativ unter „Selbstverwaltung” der Hochschulen zu
verstehen ist, gibt es nicht. In dem Begriff „Selbstverwaltung” überschneiden sich
mindestens zwei Traditionsstränge. Erstens die Vorstellung einer Selbstverwaltung der Wissenschaft,
welche ausschließlich wissenschaftlichen Kriterien, und ausdrücklich nicht wissenschaftsexternen
politischen Bestimmungen eines, wie auch immer definierten, gesellschaftlichen Nutzens folgt. Zweitens der
genuin politische Gedanke der Mitbestimmung auf der Basis einer (durch Wahlen o.ä.) legitimierten
Repräsentation von Interessen in Selbstverwaltungsgremien.
Entsprechende Forderungen wurden im Kontext
der Hochschulreform Mitte der 60er Jahre handlungsleitend. Ihnen lag eine insbesondere von
Studierenden und dem akademischen Mittelbau forcierte Kritik an den autoritären Strukturen der
Ordinarienuniversität zugrunde.
Diese Kritik transportierte auch eine
Polemik gegen eine professorale Praxis, die mit der Berufung auf die „Freiheit der Wissenschaft”
lediglich einen Machtanspruch behauptete (welcher nicht per se „wissenschaftlicher”, sondern
durchaus politischer Natur war) bzw. eine Strategie der Immunisierung gegen Kritik verfolgte. Konsequenz
dieser Kritik war die Forderung nach Demokratisierung.
Diese Konflikte wurden in der Folgezeit durch Kompromisslösungen institutionalisiert. Das 1973-
Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die Drittelparität (in der damaligen Bedeutung:
gleichberechtigte Repräsentation von Lehrenden, Studierenden und nichtwissenschaftlichem
Verwaltungspersonal) in Hochschulgremien gestand einerseits die Vertretung nichtprofessoraler Gruppen in
diesen Gremien ausdrücklich zu; gleichzeitig schrieb es eine zwingende Professorenmehrheit in sog.
„grundlegenden” Fragen von Forschung, Lehre und Berufung fest und argumentierte, dies sei
Ausdruck der „Wissenschaftsfreiheit” bzw. des grundgesetzlichen Wissenschaftsprivilegs (GG
Art.5,3). Anders gesagt: Den Professoren wurde juristisch qua Amt eine größere Nähe zur
„Wahrheit” bescheinigt.
Dieses durch das BVG-Urteil geprägte
Verständnis von „Selbstverwaltung” lag der Erstfassung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) im
Jahr 1976 zugrunde. Die dadurch konstituierte „Gruppenhochschule” versuchte, unvereinbare
Grundsätze bürokratisch zusammenzubinden: Die Entscheidungsdominanz der Professoren mit juristisch
garantierten Abstimmungsmehrheiten, die immerhin formale Anerkennung der Interessen anderer Statusgruppen,
und das Ganze noch einmal überwölbt von staatlich-juristischer Normierung und Finanzzuteilung. Es
war dennoch eine adäquate Form des staatlichen gelenkten Ausbaus der Hochschulen, eingebettet in den
größeren Rahmen makroökonomischer Globalsteuerung, der von Ende der 60er bis Mitte der 70er
Jahre nach bundesweit einheitlichen Kriterien erfolgte und eine bürokratische Egalität des
gesamten Systems garantierte und „Wettbewerb” im heutigen neoliberalen Verständnis
des Wortes ausschlossen.
Dieser Ausbau war spätestens 1977 zu
Ende, als auf Beschluss der Ministerpräsidenten die Grundfinanzierung der Hochschulen auch bei
wachsenden Studierendenzahlen eingefroren wurde. Das Modell „Gruppenhochschule” war vor diesem
Hintergrund nicht mehr entwicklungsfähig, und es begann die kontroverse und lange währende Suche
nach neuen Steuerungsformen.
In den 90er Jahren setzte sich dann die
Diagnose „Nicht innovationsfähig!” allgemein durch. Das ist vordergründig nicht einmal
falsch, kann jedoch mit völlig gegensätzlichen Ursachenanalysen verkoppelt werden. Eine durchaus
naheliegende Problembeschreibung: das Haupthindernis kreativer Entwicklung sei ein unzureichende
Finanzierung und eine auf halbem Weg steckengebliebene Demokratisierung gewesen, gewann kaum politische
Resonanz.
Dominant wurde stattdessen die Diagnose
„mangelnder Wettbewerbsfähigkeit” Vor diesem Hintergrund wurde keine Reform des tradierten
Modells mehr gefordert, sondern eine gänzliche Neustrukturierung, ein Komplettumbau des
Hochschulsystems nach Wettbewerbskriterien. Als Leitbild stand das vom US-amerikanischen Bildungsforscher
Burton Clark Mitte der 90er Jahre geprägte Modell der unternehmerischen Hochschule bereit, das
zunehmend Eingang in die Wissenschaftsverwaltungen und Hochschulgesetze fand.
Der Umbau verbindet stark vereinfacht drei verschiedene Handlungsstränge.
1. Die
Umstellung der traditionellen auslastungsorientierten Finanzmittelverteilung auf eine Finanzierung nach
quantitativ gewichteten Kennziffern der formalen Leistungsmessung. Damit verbunden ist die Inszenierung
einer Wettbewerbssituation. Kurz und knapp: In letzter Konsequenz werden keine Studienplätze im Sinne
eines gesellschaftlichen Bildungsauftrages mehr finanziert, sondern zählbare Ergebnisse
(Studienabschlüsse, Promotionen, eingeworbene Forschungsgelder) in Zeiteinheiten gemessen bzw. belohnt.
Das betriebswirtschaftlich grundlegende Motiv der „Zeitersparnis” verselbständigt sich so
gegen das qualitative Kriterium eines gesellschaftlichen Nutzens von Wissenschaft.
2. Die
zunehmende Entmachtung akademisch-korporativer bzw. interessenpolitisch zugeschnittener
Selbstverwaltungsgremien zugunsten einer zentralistischen ("Top-down"-)Entscheidungsstruktur nach
dem Muster von Management und Aufsichtsrat.
3. Schließlich die sukzessive (Teil-)Privatisierung der institutionellen Kosten.
Hier ist die Debatte um Studiengebühren einzuordnen, aber ebenso der Gedanke, dass je mehr die
staatlich finanzierten Strukturen ihre „Wettbewerbsfähigkeit” (gemäß Punkt 1 und
2) unter Beweis stellen, umso mehr private Investoren angelockt werden.
Die Grundphilosophie der
„unternehmerischen Hochschule” besteht also darin, die disparaten Entscheidungsstränge
traditioneller Hochschulen akademische Aushandlungen, Interessenvertretung, administrative (Finanz-
)Verwaltung usw. in einem einheitlichen Wissenschaftsmanagement an der Spitze der Hochschule zusammen
zu führen, in dessen Agieren sich dann ökonomische und akademische Handlungsmotive bis zur
Ununterscheidbarkeit vermischen. Die Konstituierung der Hochschulen als Quasiunternehmen wird als
Voraussetzung für eine Wissenschaftsentwicklung im Sinne des Wirtschaftsstandorts Deutschland
begriffen.
Von derartigen Erfolgskriterien abweichende
gesellschaftliche Interessen an der Entwicklung von Bildung und Wissenschaft oder auch nur schlichte
Erkenntnisinteressen jenseits ökonomischer Rentabilität sind in letzter Konsequenz in
diesem neuen Hochschulmodell nicht mehr repräsentiert.
Entsprechend ernüchternd ist die
bisherige „Erfolgsbilanz": Bereits ein flüchtiger Blick auf die Veränderungen der
deutschen Hochschullandschaft während der letzen 510 Jahre straft die klassische neoliberale
Behauptung, Wettbewerb erzeuge Vielfalt und bewirke Qualitätssteigerung, Lügen. Das exakte
Gegenteil ist der Fall: Die Haupttendenz ist eine Konzentration wissenschaftlicher Ressourcen in Richtung
„Markt” und Mainstream. Unter dem Verdikt „Nicht wettbewerbsfähig!” werden
ganze Studienfächer, Forschungs- und Berufungsgebiete eingestellt keineswegs allein auf dem
Gebiet der kritischen Wissenschaft (wenn auch hier besonders stark).
Damit wird aber auch zugleich die
thematische Breite wissenschaftlicher Fragestellungen, die etwa im Studium relevant sind,
eingeschränkt. Ebenso eingeschränkt wird folglich der potenzielle gesellschaftliche Gebrauchswert,
der mögliche Nutzen wissenschaftlicher Qualifikationen gemessen an der gesamten Spannbreite
gesellschaftlicher Interessen. An einem solchen Hochschulsystem kann wiederum kein öffentliches
Interesse bestehen. Was sich allerdings noch herumsprechen muss.
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