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Mehrere 100000
Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie sind dem Aufruf der IG Metall zu Arbeitsniederlegungen
gefolgt. Die Kollegen wollen lebend und gesund in die Altersruhe gehen. Momentan erreicht nur knapp die
Hälfte arbeitend das 65.Lebensjahr. Der Anteil derer, die in einem sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis das Rentenalter erreichen, variiert je nach Bundesland, zwischen 16,3 und
27,7%. In Branchen mit schwerer körperlicher Arbeit wie auf dem Bau gehen sogar lediglich 10% mit 65 in
Rente.
Bei der Altersteilzeit geht es darum, dass
man gehen kann, wenn man nicht mehr kann, ohne dass man in Altersarmut rutscht. In den vergangenen Jahren
haben sie viele genutzt. Doch eine ganz Große Koalition fast aller im Bundestag vertretenen Parteien
will die Regelung auslaufen lassen. Die Agenda 2010 verlangt, dass „Anreize zur Frühverrentung
beseitigt werden” Nicht mit 58, 60 oder 62 soll der Rentenbezug beginnen, sondern mit 67. Das sehen
über 80% der Beschäftigten in Deutschland anders. Sie wollen spätestens mit 60 raus. Die IGM
fordert deshalb ein neues Altersteilzeitgesetz, das flexible Ausstiege ermöglicht.
Die Verhandlungen stecken fest, weil die
Arbeitgeber keine Lösung unterschreiben wollen, die den jetzigen Zustand fortschreibt. Eigentlich
wollen sie, dass niemand ohne ihre Zustimmung gehen kann. Ihre Formel dafür lautet: Erlaubnis nur
für die, die in den letzten 20 Jahren bei der Firma angestellt waren, und davon in den letzten 15
Jahren in 3er-Schicht gearbeitet haben, maximal 2% der Belegschaft. Die IGM-Unterhändler wollen auf
jeden Fall sicherstellen, dass die Aufstockungen der Rente durch den Betrieb und die Bundesagentur
beibehalten werden und strebt eine Quote von 5% an.
Es sieht gerade nicht danach aus, dass es
dazu kommt. Daran ist die Politik der „Realos” im Frankfurter IG-Metall-Vorstand jedoch nicht
ganz unschuldig. Sie haben viel getan, um das gewaltige Konfliktpotenzial, das in der Rentenfrage steckt, zu
entschärfen. Die vielen Antragsteller für die Rücknahme der Rente mit 67 auf dem
Gewerkschaftstag wurden mit der Erklärung ruhiggestellt, nach dem Gewerkschaftstag werde es eine
Kampagne gegen die Rente mit 67 geben. Doch die Verantwortlichen um Bertold Huber hatten nie vor, eine
solche Kampagne zu führen. Zur Diskussion stehen nur Ausnahmeregelungen für besonders belastete
Berufsgruppen. Doch mit dieser exklusiven Strategie beraubt sich die IG Metall des großen
gesellschaftlichen Rückhalts, den die Gewerkschaften in dieser Frage haben; denn die Mehrheit der
Beschäftigten in den Klein- und Mittelbetrieben kann akzeptable Alterszeitmodelle betrieblich nicht
durchsetzen.
Wie keine andere Frage bietet sich für
die Unternehmer die Heraufsetzung des Rentenalters an, um das Arbeitskampfrecht in Deutschland zu lockern.
Arbeitsniederlegungen, die alle Betroffenen im Auge haben, hätten einen großen gesellschaftlichen
Rückhalt und die Gegenseite müsste mit äußerster Vorsicht agieren. Die neoliberalen
„Ruck"-Apologeten sehen sich deshalb in vielen Nachbarländern mit hartnäckigem
Widerstand konfrontiert. In Griechenland gab es bereits drei Generalstreiks. Auch in Frankreich will sich
die Mehrheit der Arbeiterklasse die Rente mit 60 nicht nehmen lassen. Sogar in Österreich hat es
gewaltig geknallt. Aber hierzulande traut sich die Führung der IG Metall kein Veto zu, obwohl ein
Renteneintrittsalter von 67 Jahren in Europa einmalig hoch ist. Die Zeit, in der die IG Metall in Europa
eine Vorreiterrolle spielte, scheint Lichtjahre entfernt.
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