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Jeden Tag verschwinden bis zu 70 Arten durch menschliche Eingriffe
mit unabsehbaren Folgen für die Spezies Mensch. Der rapide Verlust an Biodiversität das ist
unter Wissenschaftler kaum umstritten ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass unsere
heutige Gesellschaft die natürliche Umwelt mit ihrer Vielfalt vorrangig als ein unerschöpfliches
Reservoir an Reichtümern begreift, die zum Nutzen des Menschen ausgebeutet werden können
ohne Rücksicht auf Verluste.
Mit der Einberufung der Bonner Konferenz zur
Biodiversität (genauer: „9.Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die
biologische Vielfalt") wollte die Bundesregierung ihr Image als Vorkämpferin gegen den Klimawandel
unterstreichen und den Eindruck erwecken, unter ihrer Führung werde das Problem grundsätzlich
angegangen. Die Ergebnisse der Konferenz nehmen sich demgegenüber bescheiden aus.
Denn auf dieser Konferenz dominierte die
gleiche zerstörerische Herangehensweise an den Verlust von Biodiversität, wie wir sie auch beim
Umgang mit dem Klimawandel beobachten können: An oberster Stelle steht das so genannte ABS-System. Das
heißt übersetzt „Access- and Benefit-Sharing” und ist eine Vereinbarung „zur
gerechten Aufteilung der Vorteile der Nutzung der biologischen Vielfalt” Der ständige Verlust an
Artenreichtum führt im Rahmen des kapitalistischen Systems nicht etwa vorrangig dazu, dass
Anstrengungen unternommen werden, den Verlust aufzuhalten, sondern zu einem Wettlauf um die
„Eigentumsrechte” an den genetischen Ressourcen.
2007 bestanden etwa 1400 staatlich kontrollierte öffentliche Saatgutbibliotheken, die man heute als
„Genbank der Kulturpflanzen” bezeichnet. Derzeit legt z.B. die norwegische Regierung in
Kooperation mit einer UN-nahen Stiftung, die unter anderem auch von Microsofteigner Bill Gates gesponsert
wird, auf Spitzbergen im Permafrost eine Genbank an, in der Saatgut aus aller Welt eingelagert werden soll.
Die Idee ist nicht neu: Die deutsche Genbank für Kulturpflanzen in Gatersleben wurde 1943, mitten im
Zweiten Weltkrieg, eingerichtet und sollte dem Schutz und der Erhaltung der genetischen Vielfalt von
Nutzpflanzensorten dienen; Saat- und Pflanzgut wurde in Kühlhäusern gelagert und im Freiland und
in Gewächshäusern nachgezüchtet.
Daneben gibt es noch eine unbekannte Anzahl
privater Genbanken, in der Regel von Großkonzernen betrieben, die bereits seit Jahrzehnten
systematisch, z.B. in Mittelamerika, in bedrohten Ökosystemen auf „Gensammeltouren” gehen,
um das genetische Material für Weiterzüchtungen zu verwenden. Begünstigt wird dies durch das
derzeitige internationale Patentrecht, das es erlaubt, nur leicht künstlich verändertes
genetisches Material patentrechtlich zu schützen.
Diese Art von Saatgutsammlung bildet die
wesentliche Grundlage für die sog. Biopiraterie. Eine Gruppe aus Kanada deckte schon in den 90er Jahren
Fälle auf, in denen Kichererbsensamen aus Indien nach Australien gelangten prompt meldeten
dortige Züchter Sortenschutz an. Eines der nach Ansicht der Veranstalter „wichtigsten
Ergebnisse” der Konferenz ist deshalb nicht ein Instrument zur Bekämpfung des Verlusts an
Biodiversität, sondern ein Mechanismus, um den stattfindenden Raubbau etwas „gerechter” zu
gestalten, was die Beteiligung der Länder betrifft, die den größten Artenreichtum aufzuweisen
haben.
Auch die zweite Maßnahme, nämlich
die Ausweisung neuer Schutzgebiete, geht in diese Richtung. Stillschweigend wird akzeptiert, dass auf dem
größten Teil des Globus die Naturzerstörung ungebremst fortschreiten wird. So hat man sich
einige biologische „Hotspots” ausgesucht, in denen eine besonders große Artenvielfalt
herrscht und die sozusagen als Inseln erhalten und geschützt werden sollen. Die reichen
Industriestaaten stellen hierfür großzügigerweise Mittel zur Verfügung.
Hier kam dann auch Angela Merkel ins Spiel:
Sie zauberte einen zusätzlichen Betrag von 500 Millionen Euro aus dem Hut und ließ sich damit in
sämtlichen Gazetten als große Umweltschützerin feiern. Es handelt sich allerdings, wie so oft
bei Frau Merkel, um schlichte Rosstäuscherei: die Anlegung derartiger Reservate wird am weiteren
Verlust von Biodiversität ungefähr soviel ändern wie Hagenbecks Tierpark.
Sehr große Zustimmung fand auf der Konferenz der Zwischenbericht einer von Deutschland und der EU-
Kommission gesponserten Studie, The Economics of Ecosystems in Biodiversity, die sich mit den
„ökonomischen Kosten des Verlusts der biologischen Vielfalt” beschäftigte. Hierzu hat
der Forscher Robert Konstanza von der Universität Maryland schon einmal eine Zahl vorgelegt, als er
behauptete, die umgerechnete monetäre Leistung der irdischen Ökosysteme läge bei etwa 30
Billionen Euro pro Jahr. Andere Autoren gehen vom „Versicherungswert” der biologischen Vielfalt
aus. Ökonomen sprechen auch vom „Optionswert” und meinen damit den möglichen Gehalt an
potenziellen Arzneiwirkstoffen oder an Genen für zukünftige landwirtschaftliche Züchtungen,
biotechnologische Prozesse usw.
Hinsichtlich des Klimawandels einigte sich
die Konferenz auf unverbindliche Floskeln, wobei sich die Teilnehmer nicht entblödeten, generös zu
konzedieren, dass „Vertragsstaaten das Recht haben, auf den Einsatz gentechnisch veränderter
Bäume zu verzichten” Dies alleine zeigt, dass hier das Problem von den Füßen auf den
Kopf gestellt wurde: Die bisherige Anwendung von Gentechnologie ist eine der für die Biodiversität
langfristig gefährlichsten Maßnahmen. Der großflächige Anbau gentechnisch
veränderter Sorten bzw. geklonter Organismen wurde jedoch nicht etwa angeprangert, geschweige denn
verboten, sondern man geht im Gegenteil implizit davon aus, dass der Anbau generell frei sein sollte und nur
in Ausnahmefällen zu untersagen sei.
Unter tatkräftiger Mithilfe und
Federführung der deutschen Regierung wurde kein Schritt zur Lösung des Problems unternommen,
sondern im Gegenteil die menscheinfeindliche und zerstörerische Umweltpolitik der letzten Jahrzehnte
fortgeschrieben: Natur wird lediglich als auszubeutende Ressource betrachtet, die nur insoweit zu
schützen ist, wie daraus auch Profit generiert werden kann. Kein Wunder, dass auch die Industrie sich
tatkräftig an der Konferenz beteiligte. Sie wird mit den Ergebnissen zufrieden gewesen sein.
Worum es ihr ging und geht, wurde im Vorfeld
mehr als deutlich, nämlich auf der internationalen Konferenz zum Thema „Biodiversität und
Wirtschaft” am 2. und 3.April in Bonn, die von der Umweltstiftung Global Nature Fund (GNF) und der
Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Kooperation mit der Business and
Biodiversity Initiative des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU)
organisiert worden war.
Da ging es unter anderem um so schöne
Punkte wie „Biodiversität als Unternehmenschance” oder „Biologische Vielfalt als
Unternehmensrisiko”, und ausgerechnet der Vertreter des BUND, Brunsmeier, versuchte der Wirtschaft den
Artenschutz mit folgendem Satz schmackhaft zu machen: „Ohne Tier- und Pflanzenarten müssten wir
viele dieser Dienstleistungen mit technischen Lösungen erbringen. Kostenpunkt: weltweit 33000
Milliarden US-Dollar pro Jahr.” Das Schmeichelhafteste, was man über einen solchen
„Naturschützer” sagen kann, ist, dass er offensichtlich nichts begriffen hat.
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