SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2008, Seite 08

Das Klima auf dem G8-Gipfel in Japan

Folgenlose Brandreden

Die Praxis der Regierungen spricht ihren Reden Hohn

von Wolfgang Pomrehn

Wenn sich nächsten Monat auf Hokkaido, der nördlichsten der Hauptinseln des japanischen Archipels, die Chef der G8-Staaten (Russland, Japan, USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien) treffen, wird Energie ganz oben auf der Agenda stehen.

Zwei Probleme treiben die großen Acht um: Zum einen bereitet der in immer neue Höhen kletternde Ölpreis Zentralbankern und Wirtschaftsministern schlaflose Nächte. Schon für die nächste Zeit haben Beobachter aus den großen US-Bankhäusern einen Preis von 150 US-Dollar für das 159-Liter-Fass Öl vorhergesagt, und selbst 200 US-Dollar pro Fass scheinen langfristig kein unrealistischer Preis mehr. Die Zeiten billiger fossiler Energierohstoffe scheinen unwiederbringlich vorbei, zumal auch der Preis für Steinkohle, dem anderen energetischen Standbein der Weltwirtschaft, in den letzten Monaten stark gestiegen ist.
Zum anderen hat die japanische Regierung, die die G8-Präsidentschaft innehat, angekündigt, dass sie dem Thema Klimaschutz hohe Priorität einräumen wird. Und der Klimaschutz ist ganz eng mit der Energiefrage verbunden, denn die Verbrennung fossiler Energieträger trägt zu etwa 50—60% der Erderwärmung bei. Allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass in Sachen Klimaschutz mehr heraus kommen wird als beim Treffen in Heiligendamm vor einem Jahr.
Die US-Regierung hat in den Vorfeldverhandlungen, zuletzt am 22.Juni im koreanischen Seoul, sehr deutlich gemacht, dass sie keinen Millimeter von ihrer bekannten Position abrücken wird: Zugeständnisse seitens der größten Volkswirtschaft der Welt, die zugleich unter den Industriestaaten die höchsten Treibhausgasemissionen pro Kopf vorzuweisen hat, gibt es nur, wenn sich auch die wichtigsten Schwellenländer wie Indien und China auf verbindliche Emissionsbegrenzungen einlassen.
Dieses Mantra wird von der Bush-Regierung seit Jahren in immer neuen Variationen wiederholt, wohl wissend, dass sie damit eine Sollbruchstelle in den Verhandlungsprozess einbauen. Die Position ignoriert nämlich eines der Grundprinzipien der auch von den USA ratifizierten Klimarahmenkonvention, die seit 1995 geltendes Völkerrecht ist.
Die Konvention spricht von einer „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung” für das Klima. Im Klartext heißt das: Die Industriestaaten, die über die meisten ökonomischen Ressourcen verfügen und die den bisherigen Anstieg der Treibhausgasemissionen zu verantworten haben, müssen die ersten einschneidenden Schritte gehen, und so Raum für die ärmeren Länder für deren nachholende Entwicklung schaffen. Die bisherigen Maßnahmen der Industriestaaten bleiben jedoch weit hinter dem Notwendigen zurück. Selbst Gastgeber Japan wird Schwierigkeiten haben, das sehr mäßige Reduktionsziel des Kyoto-Protokolls zu erreichen.
Insofern stellt die Blockadehaltung der USA für die übrigen G8-Staaten auch einen Glücksfall dar. Wahlweise können sie sich mit ihrer eigenen Zaghaftigkeit hinter ihr verstecken oder die eigenen Maßnahmen in deutlich besserem Licht erscheinen lassen, als diese es in Wirklichkeit verdient hätten. Insbesondere Deutschland profiliert sich immer wieder gerne auf der internationalen Bühne als Klimaschutzvorreiter, mag aber zu Hause den wirklichen großen Emittenten nicht so recht ein Haar krümmen.

Klimapaket II

Hierzulande zeigte sich das erst kürzlich wieder, als Mitte Juni das Bundeskabinett das sog. Klimapaket II verabschiedete. Einige der darin enthaltenen Gesetzesentwürfe werden bis zur Sommerpause durch den Bundestag gebracht werden, die Verordnungen können von den entsprechenden Ministerien direkt umgesetzt werden. Unter anderem hat die Bundesregierung dem Druck der Immobilienkonzerne und Hausbesitzerlobby nachgegeben. Für den Wohnungsaltbestand wird es keinen Zwang zur Wärmesanierung geben. Nur wenn ohnehin saniert wird, muss auch die Wärmedämmung verbessert werden.
Außerdem wurden 30-jährige Übergangszeiten für elektrische Heizungen beschlossen. Allein mit einem zügigen Verbot der extrem verschwenderischen Stromfresser sowie der elektrischen Warmwasserbereitung könnten in Deutschland 72 Milliarden Kilowattstunden elektrischer Energie eingespart werden. Damit könnte man glatt auf die Hälfte der geplanten neuen Kohlekraftwerke verzichten, doch diese Chance wurde vorerst vertan. Die Zeche werden die Mieter über die Stromrechnung bezahlen müssen, und den Besitzern bleiben die überfälligen Investitionen noch für Jahrzehnte erspart.
Mit dem Notwendigen lässt sich das alles kaum in Übereinstimmung bringen: In seinem letzten Sachstandbericht hat der UN-Klimarat noch einmal deutlich gemacht, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts die Treibhausgasemissionen gegenüber dem 1990er Niveau halbiert sein müssen. Die globalen Emissionen wohl gemerkt. Für die Industriestaaten heißt das, dass ihr Ausstoß an Kohlendioxid und einigen anderen Treibhausgasen bis dahin um 80—90% verringert sein müssen. Da sind selbst die 35% Reduktion gegenüber 1990, die die Große Koalition mit ihren Maßnahmen erreichen will — noch im letzten Sommer hatte sie 40% versprochen —, nicht einmal die halbe Miete.
Es gibt allerdings auch Wissenschaftler wie den prominenten US-Klimaforscher und Leiter des Goddard-Instituts für Weltraumforschung der NASA in New York — das sich unter anderem auch intensiv mit Klimaforschung beschäftigt, auch wenn der Name es nicht vermuten lässt —, James Hansen, die vorrechnen, dass 50% globale Reduktion nicht reichen werden, um Schlimmeres zu verhindern. Deutlich stärkere Reduktionen seien notwendig und vor allem ein Moratorium für neue Kohlekraftwerke.
Letzteres ist auf jeden Fall in einem Land wie Deutschland eine der sinnvollsten und naheliegenden Maßnahmen. Die etwaa 28 neuen hierzulande geplanten Kohlekraftwerke — mehr Blaupausen liegen nur auf US-amerikanischen und chinesischen Reißbrettern — sind allemal geeignet, den Klimaschutz ad absurdum zu führen. Daran werden auch keine etwaigen wohlfeilen G8-Brandreden der Bundeskanzlerin etwas ändern.

Vom Autor ist im September 2007 bei Papyrossa das Buch „Heiße Zeiten — Wie der Klimawandel gestoppt werden kann” erschienen.


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