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Wenn sich nächsten Monat auf Hokkaido, der nördlichsten der
Hauptinseln des japanischen Archipels, die Chef der G8-Staaten (Russland, Japan, USA, Kanada, Deutschland,
Frankreich, Großbritannien und Italien) treffen, wird Energie ganz oben auf der Agenda stehen.
Zwei Probleme treiben die großen Acht um: Zum einen bereitet der in immer neue Höhen
kletternde Ölpreis Zentralbankern und Wirtschaftsministern schlaflose Nächte. Schon für die
nächste Zeit haben Beobachter aus den großen US-Bankhäusern einen Preis von 150 US-Dollar
für das 159-Liter-Fass Öl vorhergesagt, und selbst 200 US-Dollar pro Fass scheinen langfristig
kein unrealistischer Preis mehr. Die Zeiten billiger fossiler Energierohstoffe scheinen unwiederbringlich
vorbei, zumal auch der Preis für Steinkohle, dem anderen energetischen Standbein der Weltwirtschaft, in
den letzten Monaten stark gestiegen ist.
Zum anderen hat die japanische Regierung,
die die G8-Präsidentschaft innehat, angekündigt, dass sie dem Thema Klimaschutz hohe
Priorität einräumen wird. Und der Klimaschutz ist ganz eng mit der Energiefrage verbunden, denn
die Verbrennung fossiler Energieträger trägt zu etwa 5060% der Erderwärmung bei.
Allerdings ist kaum damit zu rechnen, dass in Sachen Klimaschutz mehr heraus kommen wird als beim Treffen in
Heiligendamm vor einem Jahr.
Die US-Regierung hat in den
Vorfeldverhandlungen, zuletzt am 22.Juni im koreanischen Seoul, sehr deutlich gemacht, dass sie keinen
Millimeter von ihrer bekannten Position abrücken wird: Zugeständnisse seitens der
größten Volkswirtschaft der Welt, die zugleich unter den Industriestaaten die höchsten
Treibhausgasemissionen pro Kopf vorzuweisen hat, gibt es nur, wenn sich auch die wichtigsten
Schwellenländer wie Indien und China auf verbindliche Emissionsbegrenzungen einlassen.
Dieses Mantra wird von der Bush-Regierung
seit Jahren in immer neuen Variationen wiederholt, wohl wissend, dass sie damit eine Sollbruchstelle in den
Verhandlungsprozess einbauen. Die Position ignoriert nämlich eines der Grundprinzipien der auch von den
USA ratifizierten Klimarahmenkonvention, die seit 1995 geltendes Völkerrecht ist.
Die Konvention spricht von einer
„gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung” für das Klima. Im Klartext heißt
das: Die Industriestaaten, die über die meisten ökonomischen Ressourcen verfügen und die den
bisherigen Anstieg der Treibhausgasemissionen zu verantworten haben, müssen die ersten einschneidenden
Schritte gehen, und so Raum für die ärmeren Länder für deren nachholende Entwicklung
schaffen. Die bisherigen Maßnahmen der Industriestaaten bleiben jedoch weit hinter dem Notwendigen
zurück. Selbst Gastgeber Japan wird Schwierigkeiten haben, das sehr mäßige Reduktionsziel des
Kyoto-Protokolls zu erreichen.
Insofern stellt die Blockadehaltung der USA
für die übrigen G8-Staaten auch einen Glücksfall dar. Wahlweise können sie sich mit
ihrer eigenen Zaghaftigkeit hinter ihr verstecken oder die eigenen Maßnahmen in deutlich besserem Licht
erscheinen lassen, als diese es in Wirklichkeit verdient hätten. Insbesondere Deutschland profiliert
sich immer wieder gerne auf der internationalen Bühne als Klimaschutzvorreiter, mag aber zu Hause den
wirklichen großen Emittenten nicht so recht ein Haar krümmen.
Hierzulande zeigte sich das erst kürzlich wieder, als Mitte Juni das Bundeskabinett das sog.
Klimapaket II verabschiedete. Einige der darin enthaltenen Gesetzesentwürfe werden bis zur Sommerpause
durch den Bundestag gebracht werden, die Verordnungen können von den entsprechenden Ministerien direkt
umgesetzt werden. Unter anderem hat die Bundesregierung dem Druck der Immobilienkonzerne und
Hausbesitzerlobby nachgegeben. Für den Wohnungsaltbestand wird es keinen Zwang zur Wärmesanierung
geben. Nur wenn ohnehin saniert wird, muss auch die Wärmedämmung verbessert werden.
Außerdem wurden 30-jährige
Übergangszeiten für elektrische Heizungen beschlossen. Allein mit einem zügigen Verbot der
extrem verschwenderischen Stromfresser sowie der elektrischen Warmwasserbereitung könnten in
Deutschland 72 Milliarden Kilowattstunden elektrischer Energie eingespart werden. Damit könnte man
glatt auf die Hälfte der geplanten neuen Kohlekraftwerke verzichten, doch diese Chance wurde vorerst
vertan. Die Zeche werden die Mieter über die Stromrechnung bezahlen müssen, und den Besitzern
bleiben die überfälligen Investitionen noch für Jahrzehnte erspart.
Mit dem Notwendigen lässt sich das
alles kaum in Übereinstimmung bringen: In seinem letzten Sachstandbericht hat der UN-Klimarat noch
einmal deutlich gemacht, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts die Treibhausgasemissionen gegenüber dem
1990er Niveau halbiert sein müssen. Die globalen Emissionen wohl gemerkt. Für die Industriestaaten
heißt das, dass ihr Ausstoß an Kohlendioxid und einigen anderen Treibhausgasen bis dahin um
8090% verringert sein müssen. Da sind selbst die 35% Reduktion gegenüber 1990, die die
Große Koalition mit ihren Maßnahmen erreichen will noch im letzten Sommer hatte sie 40%
versprochen , nicht einmal die halbe Miete.
Es gibt allerdings auch Wissenschaftler wie
den prominenten US-Klimaforscher und Leiter des Goddard-Instituts für Weltraumforschung der NASA in New
York das sich unter anderem auch intensiv mit Klimaforschung beschäftigt, auch wenn der Name es
nicht vermuten lässt , James Hansen, die vorrechnen, dass 50% globale Reduktion nicht reichen
werden, um Schlimmeres zu verhindern. Deutlich stärkere Reduktionen seien notwendig und vor allem ein
Moratorium für neue Kohlekraftwerke.
Letzteres ist auf jeden Fall in einem Land
wie Deutschland eine der sinnvollsten und naheliegenden Maßnahmen. Die etwaa 28 neuen hierzulande
geplanten Kohlekraftwerke mehr Blaupausen liegen nur auf US-amerikanischen und chinesischen
Reißbrettern sind allemal geeignet, den Klimaschutz ad absurdum zu führen. Daran werden
auch keine etwaigen wohlfeilen G8-Brandreden der Bundeskanzlerin etwas ändern.
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