SoZ - Sozialistische Zeitung |
Der
Sozialforumsprozess gerät in die Kritik, weltweit, aber auch europaweit. Das „Netzwerk der
Netzwerke” weitet sich zwar nach wie vor aus, es gehen von ihm aber nicht die Impulse an Gegenwehr
aus, die erforderlich wären.
Selbst aus Gewerkschaftskreisen kommt
inzwischen eine solche Kritik. Ein Diskussionsbeitrag des Internationalen Gewerkschaftsbunds über die
Zukunft des Weltsozialforums stellt dazu einige Überlegungen an und endet mit dem bemerkenswerten
Vorschlag: „Wir denken, dass die Zukunft des Forums von seiner Fähigkeit abhängt, sich in
zwei Richtungen weiter zu entwickeln: einerseits den offenen Raum beizubehalten, wie er in der Charta von
Porto Alegre beschrieben wird; andererseits eine politische Positionierung zu wagen. Die Herausforderung
besteht darin, ob wir es vermögen, aus unseren Unterschieden nicht eine Quelle der Zersplitterung,
sondern eine Kraft zu machen, die uns erlaubt, im politischen Geschehen eine größere Rolle zu
spielen."
Das kommende Europäische Sozialforum
in Malmö könnte einen Schritt in diese Richtung gehen. Erstmals steht ein Europäisches
Sozialforum im Zentrum der Mobilisierung der Gewerkschaftsjugend und das nicht nur in Deutschland.
Zweitens ist die Versammlung sozialer Bewegung inzwischen Teil des Sozialforums und nicht mehr nur
angehängt. Was dort beschlossen werden kann, wird durch einen organisierten Diskussionsprozess auf den
europäischen Vorbereitungstreffen aber auch auf der Webseite http://openesf.net vorbereitet.
Drittens aber birgt das irische Nein zum
Lissabon-Vertrag die Chance, dass nun ein Ruck durch die sozialen Bewegungen in Europa geht, die Iren mit
ihrem Nein nicht allein zu lassen. Es ist ganz offenkundig, dass die Eurokraten sich über die
vorwiegend ablehnende Meinung der Bevölkerung hinweg setzen wollen und ihre undemokratischen Regeln
dazu nutzen, die Iren zu isolieren und ihr Nein als „unfreundlichen, uneuropäischen und
inkompetenten Akt” hinzustellen versuchen, an dem Europa sich nicht aufhalten dürfe. Es kommt
also darauf an zu zeigen, dass die Mehrzahl der Bevölkerung in Europa so denkt wie die Iren und der EU-
Vertrag deshalb ad acta zu legen ist.
Auf dem Vorbereitungstreffen in Kiew Anfang
Juni war diese Klammer so noch nicht sichtbar. Es wurden dort verschiedene Vorschläge für
gemeinsame europaweite Mobilisierungen vorgetragen, einer so wichtig wie der andere:
Da ist der EU-Gipfel im März 2009,
wenn Tschechien den Ratsvorsitz übernimmt. Die tschechische Regierung steht dem Lissabon-Vertrag
skeptisch bis ablehnend gegenüber, eine Verfassungsklage ist beim Obersten Gericht anhängig. Der
EU-Gipfel kann eine Gelegenheit sein, soziale Mindeststandards wie z.B. einen europäischen Mindestlohn
in Europa einzufordern.
Da ist der NATO-Gipfel anlässlich des
60.Jahrestags des atlantischen Bündnisses im April. Die Feierlichkeiten werden in Straßburg und
Kehl stattfinden. In Deutschland und Frankreich laufen deshalb die Vorbereitungen für
Gegenmobilisierungen auf Hochtouren; aber auch in anderen Ländern haben die Linke und die
Friedensbewegung allen Grund, gegen die NATO zu mobilisieren wie in der Ukraine, wo der Beitritt zur
NATO vorbereitet wird, oder in Irland, dessen Neutralität durch den EU-Vertrag ausgehebelt würde.
Da ist der G8-Gipfel im Juli in Italien
diesmal auf der Insel Maddalena vor Sardinien, ein zugleich luxuriöses und hoch militarisiertes
Gelände. Und der Regierungschef heißt diesmal wie schon 2001 Berlusconi.
Und im Dezember findet der UN-Gipfel
für Umwelt und Entwicklung in Kopenhagen statt, was alle auf den Plan ruft, die den unverantwortlichen
Umgang mit der Natur endlich stoppen wollen
Für das darauf folgende Jahr 2010 gibt
es zwei Vorschläge für Märsche durch Europa gegen Armut und Gewalt: einer kommt von der
Europäischen Armutskonferenz (EAPN), der zweite von Weltfrauenmarsch.
In Kiew wurde der Vorschlag gemacht, in
Malmö eine gemeinsame Kampagne zu beschließen unter dem Titel „Change Europe!”, unter
dem die verschiedenen Mobilisierungen zusammengefasst werden könnten. Es wird in Malmö zu
diskutieren sein, ob es darüber hinaus möglich ist, sie auch unter der Überschrift
„Nein zum Vertrag von Lissabon!” zusammenzufassen. Ein solches Nein wäre die wirkliche, den
realen Verhältnissen gerecht werdende politische Klammer, der gemeinsame Nenner all der verschiedenen
sozialen und politischen Kämpfe, die heute gegen die neoliberale Ordnung in Europa geführt werden.
Zugleich konfrontiert es die Bewegungen, aber auch Parteien mit der Notwendigkeit, eine Antwort zu geben,
die sich auf der Höhe der Herausforderung bewegt: nämlich im europäischen Rahmen.
Auch darüber wird in Malmö die
Diskussion fortgesetzt. In deren Zentrum stehen die Perspektiven für ein anderes Europa. Dafür
gibt es nun mit den 10 Punkten von Attac und der Charta der Grundsätze für ein anderes Europa zwei
Entwürfe, die sich politisch im Wesentlichen darin unterscheiden, für wie
„reformfähig” die EU gehalten wird. Die Charta liegt inzwischen in mehreren Sprachen vor
(www.europe4all.org). Dis bisherige Debatte darum drehte sich vorwiegend um Forderungen nach europaweiten
Standards bei den sozialen, politischen und Bürgerrechten. Ausgeblendet wurde bislang die Frage nach
wirtschaftlichen und institutionellen Alternativen. Je lauter das Nein zum EU-Vertrag aber wird, desto
weniger wird man es sich jedoch leisten können, diese Frage weiter auszublenden.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |