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"Basis-Initiative Solidarität” (BaSo) ist seit einigen Jahren in mehreren Betrieben tätig. Ist BaSo eine Art Gewerkschaftsersatz
für Oppositionelle? Habt ihr außerhalb der Chemie Mitglieder?
Nein, Baso ist kein Gewerkschaftsersatz, dafür sind wir nicht aufgestellt und mit weniger als hundert Mitgliedern viel zu klein. BaSo ist eine
Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen innerhalb und außerhalb von Betrieben die Möglichkeit zu geben, ihren Interessen
Gehör zu verschaffen. Schon im Namen „Basis Initiative Solidarität” kommt damit zum Ausdruck, dass die Mitglieder von BaSo
sich basisorientiert organisieren, Initiativen ergreifen wollen, sich als Arbeitnehmer, Arbeitslose, prekär Beschäftigte usw. sehen und solidarisches,
gemeinsames Handeln als Ausgangspunkt ihres Wirken verstehen.
BaSo ist also ein Zusammenschluss von unten, um sich gegenüber Oben
durchzusetzen, und will in demokratischer Weise gewerkschaftliche, soziale und politische Ziele autonom verfolgen. BaSo will Beschäftigte
interprofessionell organisieren, d.h. aus verschiedenen Berufsgruppen, aber auch Arbeitslose.
Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass sich die gesellschaftliche Situation in der BRD
und weltweit geändert hat. So gibt es nicht mehr den klassischen Betrieb. Überall werden Unternehmen aufgespalten, es entstehen
„Industrieparks”, es leben und arbeiten Menschen zusammen aus verschiedenen Berufsgruppen. Viele abhängig Beschäftigte, nicht
nur im Osten Deutschlands, werden in prekäre Arbeitsverhältnisse gepresst. Hier gilt es, solidarisch miteinander zu handeln. Das ist etwas, was in
den Gewerkschaften vernachlässigt wird. Die Gewerkschaften haben keine Antwort auf die Aufspaltung der Belegschaften in Stammbelegschaft,
Randbelegschaft wie Leiharbeiter, Prekäre, den Arbeitslosen. Sie organisieren vornehmlich nach dem Kosten/Nutzen-Prinzip, wobei gleichzeitig die
bestehende gesellschaftliche Verfassung nicht verlassen werden darf.
BaSo ist offen für alle die von dieser Entwicklung Betroffenen, auch in
Bündnissen mit sozialen Organisationen und Bewegungen. BaSo-Mitglieder können Rechtsschutz erhalten.
Vor welchem Hintergrund ist BaSo entstanden?
Die Mitglieder von BaSo haben unterschiedliche Erfahrungen, aber allgemein verbindet sie die Kritik am heute Bestehenden. Manchmal ist es das direkt
Erleben der Ausbeutung in den Unternehmen; oder der Stress im Büro und Betrieb; oder der Hunger und die Armut in der Welt; oder
Unterdrückung und Ungerechtigkeit; oder die staatliche Gewalt; oder die Diskriminierung; oder dass immer mehr Lohnabhängige ihren
Arbeitsplatz verlieren; dass Arbeitslose ihrer Ausgrenzung aus der Gesellschaft erleben. Einige Mitglieder wurden aber auch aus ihrer Gewerkschaft
ausgeschlossen oder sie hatten keine Handlungsfreiheit in ihrer Gewerkschaft, sodass sie woanders etwas tun wollten.
In mehreren Chemiebetrieben gibt es oppositionelle Listen mit einigen Erfolgen. Wie unterstützt BaSo diese Betriebsarbeiter?
Wir bieten dort Treffen an. Wir versuchen Basisaktivitäten mit Belegschaftszeitungen zu unterstützen, in denen die konkrete Situation
aufgezeigt oder die Gegenwehr der Beschäftigten unterstützt wird. Aber in den Publikationen wird auch generell die gesellschaftliche Situation, der
Neoliberalismus in Frage gestellt. Für uns ist eine solidarische Gesellschaft ein Ziel, und nicht der Kampf jeder gegen jeden oder um Marktanteile. Das
geht einher mit der Kritik an der Entwicklung der Gesellschaft, die wir an Hand von Beispielen aufzeigen.
Die Massenentlassungen bei fast allen Großkonzernen — bei häufig
bester Gewinnlage. Der Kurs auf Gewinnmaximierung ist gut für Reiche, schlecht für die Mehrheit im Volk, gleichzeitig bringt dieser Kurs die
Menschheit als solches an den Rand des Abgrunds.
Das gilt weltweit, die Welt mit ihren Menschen und der Natur wird ausgeplündert
— ohne Rücksicht auf die Menschen, ohne Nachhaltigkeit für die Natur.
Wir kritisieren auch, dass die Menschen nur nach ihrer Verwertbarkeit behandelt werden.
„Nutzlose” Jugendliche, die sowieso keine Arbeit finden werden, erhalten keine Bildung. Arbeitslose bzw. Langzeitarbeitslose werden mit Hartz
IV abgespeist bzw. fertig gemacht. Rentner sollen mit immer weniger auskommen, obwohl sie in der Regel viel eingezahlt haben — das ist die Logik des
kapitalistischen Systems, dem wir entgegenwirken wollen...
Übrigens sind nicht nur Chemiebeschäftigte in der BaSo organisiert, es sind
auch Ver.di-Kollegen, Lehrer oder Metaller usw. dabei.
Besonders geht es uns darum, nicht nur Betriebsräte zu unterstützen. Die
Stellvertreterpolitik hat enge Grenzen, die wir nicht hinnehmen sollten. Wir müssen neben den Betriebsräten starke Basisgruppen haben. Die
schlechte Lage der Gewerkschaften rührt zum Teil auch daher, dass sie sich zu sehr auf die Betriebsräte als gewerkschaftliches Instrument bezogen
und die Vertrauensleutearbeit vernachlässigt haben bzw. diese als Unterstützung für die Betriebsratsarbeit nutzten. Das ist falsch.
Betriebsräte haben ihre eigenen wichtigen Aufgaben, die Gewerkschaft muss aber eine organisatorische und kämpferische Klammer darüber
hinaus sein. Dazu braucht sie Aktive, die das als ihre originäre Aufgabe sehen.
Um das umzusetzen, organisieren wir Tagungen, Seminare, treten bei Attac und in anderen
Bündnissen auf. Wir machen eine Homepage, www.baso.info, deren Inhalte über 40000 mal pro Monat abgerufen wird. Innerhalb der Homepage
haben wir ein Hörprogramm. Wir machen auch Veranstaltungen zusammen mit anderen Gruppen und Bewegungen, z.B. beim Weltsozialforum, mit
Gewerkschaftsgliederungen, Aktiven aus sozialen Bewegungen usw.
Welche konkreten gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen habt ihr gerade zu bestehen?
Zwei Beispiele möchten wir geben, neben der Tagesarbeit, zu der u.a. auch Rechtsschutz gehört.
Am 29.August findet ab 16 Uhr vor der Stadthalle Wuppertal ein Tribunal mit unserer
Unterstützung statt. Es richtet sich gegen den NRW-Tag, der vom 29. bis zum 31.August in Wuppertal stattfindet. In den Tagen wird Wuppertal quasi zur
temporären Landeshauptstadt, deshalb kommen auch die NRW-Minister am 29.August zur Kabinettssitzung in der Stadthalle zusammen. Da weder in
Wuppertal noch in NRW alles so rosig ist, wie die Wuppertal Marketing GmbH das gerne möchte, wird auch Unzufriedenheit, Unmut, Empörung
und Protest vor der Stadthalle sicht- und hörbar werden. BaSo wird darzustellen, wie die Landesregierung ihre Beschäftigten behandelt.
Am 9.September machen wir in der Alten Feuerwache um 19 Uhr eine Info-Veranstaltung
mit Stephanie Basile von den New Yorker IWW Foodstuff Workers. Wir informieren uns über die Arbeitsbedingungen und Auseinandersetzungen in
den Lagerhäusern der New Yorker Lebensmittelbranche und überlegen, wie wir uns vernetzen können.
Im Januar nächsten Jahres hoffen wir, beim Weltsozialforum in Belem, Brasilien, mit
den Kampfgefährten unseres internationalen Solidaritätsnetzwerks aus verschiedenen Ländern wieder gemeinsame Aktivitäten zu
organisieren.
Bea, du bist vor allem in internationaler Solidarität aktiv. Eure Kontakte ins Ausland sind politisch wichtig, denn dort arbeiten mehrere deutsche
Konzerne, und Gewerkschaftsarbeit ist oft sehr schwierig. Welche Schwerpunkte habt ihr?
Unsere internationale Arbeit, die ein Grundstein der von BaSo-Arbeit ist, ist lange über die „einfache” Solidaritätsarbeit mit
Kolleginnen und Kollegen aus deutschen Konzernen hinausgewachsen. Seit Beginn dieses Jahrtausends verstehen wir den Austausch und die Zusammenarbeit
mit Menschen in anderen Ländern eher so, dass wir unsere jeweiligen Realitäten vermitteln, politische Diskussionen führen, Bewegungen
kennen lernen, von einander lernen und letztendlich versuchen, an einer gemeinsamen politischen Alternative zu arbeiten. Dabei ist es keine Voraussetzung, dass
die Kollegen bei deutschen Konzernen arbeiten. Da stehen eher die politischen Gemeinsamkeiten im Kampf für die mögliche andere Welt im
Vordergrund. Natürlich ist die konkrete Solidarität immer auch Bestandteil dieser Arbeit geblieben. In vielen Fällen unterstützen wir
Kämpfe und Gewerkschafter, die von den großen Gewerkschaftsorganisationen keine Solidarität erfahren.
Kontakte haben wir in Brasilien zu linken Gewerkschaftern, die z.T. einen neuen
Dachverband oder eine gewerkschaftliche Koordinierung (Conlutas oder Intersindical) gegründet oder sich als Opposition in sozialdemokratisierten
Gewerkschaften formiert haben. Aber auch der Landlosenbewegung (MST) fühlten wir uns immer sehr verbunden. Sie wird gerade vehement
kriminalisiert. Einige brasilianische Politiker bezeichnen sie als paramilitärische Vereinigung, die aufgelöst gehört. Das muss man sich einmal
vorstellen! Die Landbesetzungen, die zu Erzwingung einer Agrarreform durchgeführt worden sind, will die Regierung im Zeitalter der Agrotreibstoffe
nicht mehr hinnehmen.
Wir arbeiten auch sehr intensiv mit Aktiven der Schweizer Gewerkschaft UNIA
zusammen. Dem liegen natürlich ähnliche Erfahrungen mit den Chemie- und Pharmakonzernen zu Grunde. Aber wir Deutschen und Schweizer
sind auch gemeinsam in Brasilien, Mexiko, Venezuela oder Kolumbien aktiv.
In Kolumbien, wo ihr Solidarität organisiert, werden viele Gewerkschafter ermordet und verfolgt. Was kann hier insbesondere getan werden, um
gegen diese Verbrechen vorzugehen?
Kolumbien ist ein schwieriges Land für linke Aktivisten. Unsere Kollegen dort sind
sehr bedroht. Die Regierung behauptet zwar, die paramilitärischen Verbände, die (durchaus im Auftrag oder mit Wissen der Regierung und der
Konzerne) den schmutzigen Krieg gegen Gewerkschafter und soziale Bewegungen geführt haben, seien aufgelöst. Fakt ist aber, dass diese weiter
Drohbriefe von den Įguilas Negras (den „Schwarzen Adlern") erhalten und es auch weiter Morde und Vertreibung gibt.
In Kolumbien arbeiten wir hauptsächlich mit der Lebensmittelgewerkschaft
Sinaltrainal zusammen und haben Kollegen der Erdölgewerkschaft USO unterstützt. Wir unterstützen die Kampagne gegen Coca Cola und
Nestlé oder auch den Kampf gegen die Privatisierung des Erdölunternehmens Ecopetrol.
Im Juli haben wir eine Reise nach Kolumbien organisiert, um an dem Permanenten Tribunal
der Völker (TPP) teilzunehmen. Das ist eine Nachfolge des Russell-Tribunals, das die Kriegsverbrechen der USA in Vietnam nachgewiesen hat. Wir
nahmen an einem Thementribunal über die Behandlung der Ureinwohner in der Sierra Nevada de Santa Marta teil. Mehrere indigene Völkern
haben dort berichtet, wie transnationale Konzerne versuchen, ihnen das Einverständnis über zur die Nutzbarmachung ihrer
verfassungsmäßig geschützten Gebiete abzupressen.
Vielen ist die Mutter Erde heilig, man kann sie nicht verkaufen, weil sie niemanden oder
allen gehört. Die Konzerne aber wollen an das Gold, die Kohle, das Erdöl, die Edelsteine, das Wasser, die interessanten Pflanzen; sie wollen
Bergwerke, Bohrtürme, Megaprojekte, Ökotourismus usw. installierenerrichten. Man versucht, die indigenen Autoritäten mit einem Auto
oder Gesundheitsposten zu bestechen oder die Menschen mit Terror zu vertreiben. Es war erschreckend zu hören, wie die Ausrottung von Menschen ein
probates Mittel ist, um die kapitalistische Raffgier zu befriedigen. „Erst werden wir an den Folgen dieses Raubbaus an der Natur sterben, dann aber auch
ihr”, war einer ihrer Schlussfolgerungen.
Höhepunkt war Ende Juli das Abschlusstribunal in Bogotá mit 3250
Teilnehmenden, in dem die Arbeit von über zwei Jahren zusammengefasst wurde. Zu den Themen Bergbau, Erdöl, Biodiversität,
Indígenas, öffentliche Dienste und Lebensmittel brachten Gewerkschaften und Bewegungen Anklagen vor, die wurden von erörtert,
Beweismittel wurden bewertet und ein „Urteil” gesprochen. Das Urteil war dankenswert eindeutig, es benennt und verurteilt klar die
Verantwortung der Konzerne und der kolumbianischen Regierung — ein kleiner Trost im Gedenken an die Verfolgten und Ermordeten, denen durch die
kolumbianische Justiz in der Regel keine Gerechtigkeit widerfährt.
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