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Im Berliner Stadtteil Kreuzberg-Friedrichshain hat der
„Initiativkreis Mediaspree versenken!” den von ihm angestrengten Bürgerentscheid gegen das städtebauliche Großprojekt
„Mediaspree” gewonnen. Das Quorum wurde mit 34934 Wählenden weit übertroffen. Eine überwältigende Mehrheit
stimmte für den Vorschlag der Initiative und gegen den der Bezirksverwaltung.
Nach dem Willen der Bezirks- und Senatsverwaltung soll das städtebauliche
Großprojekt „Mediaspree” entlang der Spree im ehemaligen Grenzraum zwischen Ost- und Westberlin, in dem für seine alternative
Kultur und linke Geschichte bekannten Friedrichshain-Kreuzberg realisiert werden.
Entlang dem ehemaligen Mauerstreifen in Friedrichshain gibt es hier derzeit alternative
Zwischennutzungen wie Clubs und Strandbars, sowie unbebaute Areale, die neuen Nutzungen zugeführt werden sollen, wie der ehemalige
Ostgüterbahnhof oder der Osthafen. Auf der Kreuzberger Seite befinden sich ehemalige Lagerhallen und Industriestandorte von historischem Wert.
Mediaspree heißt aber nicht nur dieses Gebiet, sondern auch die
Marketinggesellschaft „Media Spree e.V”, die Hand in Hand mit Investoren, Grundstückseigentümern, Projektentwicklern und
Politikern auf Senats- und Bezirksebene Konzepte für eben dieses Gebiet betreut. Diese sehen Entertainmentcenter, Edelwohnanlagen
("Spreelofts"), mehrere Luxushotels und riesige Bürokomplexe vor, was weitreichende Folgen für die Anwohner im gesamten Bezirk
hätte. Der Senat verspricht sich von dem Projekt eine Stärkung der lokalen Dienstleistungsökonomie mit steigenden Steuereinnahmen. Die
Vertreibung einkommensschwacher AnwohnerInnen ist dabei Teil des politischen Konzepts.
Dagegen hat sich 2006 der „Initiativkreis Mediaspree versenken!”
gegründet. Er entstand aus einem Nachbereitungstreffen des jährlich in Kreuzberg stattfinden „Transgenialen CSD”, der sich
thematisch mit neuen Formen der Stadtentwicklung und -erneuerung auseinander gesetzt hat. Die Initiative setzt sich aus betroffenen Anwohnern,
Politikaktivisten, alternativen Stadtplanern und Architekten und aus Teilen der ehemaligen Instandbesetzerbewegung zusammen. Den Initiatoren geht es nicht
nur um öffentliche Räume an den Spreeufern, sondern um die im Kiez fest verankerten sozialen Strukturen, die durch die Stadtplanung akut
gefährdet werden.
Über die Strategie des Kampfes gab es kontroverse Debatten. Mit der letztlich
gefällten und nicht unumstrittenen Entscheidung, ein Bürgerbegehren auf Bezirksebene in Friedrichshain-Kreuzberg zu starten, wurde versucht,
eine Neuorientierung vorzunehmen: weg von ausschließlich auf die linksradikale Szene orientierten Politikformen, hin zu einer konformistischeren,
basisdemokratischen Politik.
Der Initiativkreis versuchte auch, Einfluss auf die Planungen zu nehmen, und forderte
alternativ einen fünfzig Meter breiten Uferstreifen, eine Begrenzung der maximalen Höhe der geplanten Gebäude auf 22 Meter und den
Verzicht auf eine Brücke für den Autoverkehr. Mit Unterschriftenlisten an den Straßenecken, in Parks und auf Plätzen trat die
Initiative als klassische „Bürgerinitiative” auf den Plan. Die politischen Rahmenbedingungen im Bezirk wurden als günstig
eingeschätzt. Denn in Friedrichshain-Kreuzberg stellen die Grünen die stärkste, die Linkspartei nach der SPD die drittstärkste
Fraktion. Dieser Logik folgend, gab es einige eher an die offizielle Art der Bürgerbeteiligung erinnernde „Ideenwerkstätten” und
Diskussionsveranstaltungen.
Thematische Schwerpunkte wie Mieterhöhungen, Vertreibung und
Veränderungen in Struktur und Bild des Kiezes haben zu einer regen Partizipation an den bisher organisierten Veranstaltungen und Plattformen
geführt. Und auch der offiziellen Bezirkspolitik wurde Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Gleichzeitig setzte die Initiative auf Aktionsformen der bewegungsorientierten Linken: Es
gab Demonstrationen, eine spektakuläre Blockadeaktion auf der Spree, in der Gummiboote und ähnliche Vehikel einen mit Investoren
bestückten Spreedampfer an der Bezirksgrenze zur Umkehr zwangen, und eine Vielzahl von Spaßguerilla-Aktionen, die sicherlich zur
Popularität der Initiative in den subkulturell-kreativen Milieus des Bezirks und der Stadt beigetragen haben. Dabei kooperierte die Initiative mit anderen
linksradikalen Gruppen im Berliner Mayday-Bündnis, mit der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) und mit der autonom orientierten
Freiraumkampagne „Wir bleiben alle” Diese Bündnispolitik wurde nicht nur akzeptiert, sondern von allen
„Strömungen” innerhalb der Kampagne begrüßt und als Bereicherung betrachtet.
Das Ergebnis war eine Kampagne, die sich nicht nur zweigleisig entwickelte, sondern die
immer erkennbarer auf eine Gleichzeitigkeit von Bürgerbeteiligung und linksradikaler, bewegungsorientierter Politik hinausläuft. Dazu zählt
auch die Präsenz von vier Bürgerdeputierten in einer neu geschaffenen Verhandlungsrunde. Entscheidend wird sein, eine Politikform zu (er)finden,
die die lokalen Verhältnisse in Bewegung bringt und Unruhe und Konflikte innerhalb der lokalen Staatsapparate produziert. Das wird nur gelingen, wenn
das erreichte Mobilisierungsniveau nicht wieder verpufft und das Thema Stadtentwicklung nachhaltig ins Problembewusstsein der Bevölkerung
rückt.
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