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Die Bewegung „Pro Köln” versucht, mit ihrem „Anti-Islamisierungskongress” wie ein
Fisch im rassistischen Zeitstrom zu schwimmen. Der Kampf gegen den Islam dient den Ganz-, Alt-, Neo- und Halbnazis als Eintrittskarte in die Mitte der
Gesellschaft.
Ihr Kalkül könnte leider aufgehen. Denn „der Islam”
gerät immer stärker zum Feindbild der Mehrheitsgesellschaft.
Dabei gibt es einen offensichtlichen Zusammenhang zwischen dem „Krieg gegen
den Terror”, dem sich die Bundesrepublik seit 2001 angeschlossen hat, und dem zunehmenden Rassismus und Anti-Islamismus. Dieser Krieg bringt
eine schier unendliche Serie von Gesetzesverschärfungen und Grundrechtseinschränkungen mit sich. Egal ob es um die Einführung der
„Anti-Terror-Datei” geht, um Online-Durchsuchungen oder die Vorratsdatenspeicherung — die gebetsmühlenhaft vorgebrachte
Begründung lautet: Abwehr des „islamistischen Terrorismus”
In der Realität wird zwischen dem „Islamismus” und dem Islam aber
nicht unterschieden, die Glaubensgemeinschaft als Ganze wird gleichgesetzt mit einer fundamentalistischen Strömung, die nur eine randständige
Minderheit ausmacht.
Es gibt gute Gründe, reaktionäre Positionen — zumal gegen Frauen
— und Antisemitismus zu bekämpfen. Da hat der Islam allerdings keine Monopolstellung. Und längst nicht alle AnhängerInnen
dieses Glaubens vertreten solche Positionen. Indem aber „der” Fundamentalismus und „der” Islam” gleichgesetzt
werden, werden rassistische Stereotype (re)produziert, mit denen die „islamistische Gefahr” auch nur vorgeblich bekämpft wird.
Fundamentalisten gibt es auch bei den Christen, und nicht zu knapp: Katholiken und
Protestanten haben sich in Nordirland jahrzehntelang blutige Kämpfe geliefert. Aber das war nie ein Grund, gegen „die Christen” so zu
hetzen wie derzeit gegen die Moslems.
Die katholische Kirche diskriminiert unablässig Frauen und Schwule — den
Vorwurf, kein Teil der „westlichen Wertegemeinschaft” zu sein, muss Ratzinger sich deshalb nicht gefallen lassen.
US-Präsident Bush versteht sich als evangelikaler Kämpfer gegen das
„Böse” — ohne dass deswegen irgendjemand den „vom rechten Glauben Abgefallenen” für
gemeingefährlich erklärt.
Aber wehe, Zuwanderer islamischen Glaubens wagen es, eine Moschee zu bauen und darin
auch noch arabisch zu sprechen! Ihnen werden ständig Treueschwüre auf das Grundgesetz abverlangt.
Auch dort, wo nicht von vornherein Anti-Islamismus draufsteht, steckt häufig
Rassismus drin: „Einbürgerungstests” und Gesinnungsprüfungen hat es früher nicht gegeben — sie sind Ausdruck
eines rassistischen Grundmisstrauens, das sich vor allem gegen Moslems richtet. Auch bei „Kopftuchverboten” geht es selbstverständlich
nicht darum, Ordenstrachten, Mönchskutten, Halskettchen mit Kreuz oder Davidsterne aus dem öffentlichen Dienst zu verbannen. So etwas mag im
traditionell laizistischen Frankreich glaubhaft sein, aber in Deutschland ist diese Debatte erst mit dem Aufflammen antiislamischer rassistischer Ressentiments
aufgelebt; und die ersten Berufsverbote gegen Lehrerinnen betreffen ausnahmslos Kopftuchträgerinnen.
Die Islamophobie nimmt in Deutschland zu, sie zieht sich durch alle Schichten der
Gesellschaft. Gut ein Viertel der befragten Deutschen sind der Meinung, es sollten keine Muslime mehr zuwandern. 2006 sprachen sich laut Allensbacher
Institut für Meinungsforschung 56% für ein Verbot von Moscheeneubauten aus. Ebenso viele sehen einen „Kampf der Kulturen”
zwischen Islam und Christentum im Gange. 40% stimmen der Aussage zu: „Um zu verhindern, dass es zu viele radikale, gewaltbereite Moslems in
Deutschland gibt, sollte man die Ausübung des islamischen Glaubens in Deutschland stark einschränken."
Anti-Islamismus ist definitiv ein Thema der gesellschaftlichen Mitte. Die extreme Rechte
sucht hier Anschluss.
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