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Mit Integrationsgipfeln und Islamkonferenzen spiegelt die Bundesregierung der Öffentlichkeit ein Bild
„gelungener Integration” vor. Vor Ort ist das Bild ein anderes: da werden in ganz Deutschland Konflikte geschürt um den Bau von
Moscheen. Egal ob in Köln, München, Duisburg, Essen oder Frankfurt — wo immer eine islamische Gemeinschaft eine Moschee bauen
will, machen rechtsextreme Organisationen mobil, hetzen skeptische Anwohner auf, reagieren Kommunalparlamente nur vage. So auch in Köln.
Die Moscheediskussion fällt nicht vom Himmel. Seit dem 11.September wird medial
wie politisch ein Feindbild konstruiert, das rechtspopulistische Ressentiments und Islamophobie verfestigt.
Der Islam ist eine in sich sehr heterogene Religionsgemeinschaft. Allein in der Türkei
gibt es zahlreiche Religionsgruppen, Ordensgemeinschaften und Sekten, die sehr unterschiedliche Positionen vertreten. Natürlich gibt es auch im Islam
eine hochgradig politisierte Religionsrichtung — so wie bei den Katholiken das Opus Dei und bei den Protestanten die fundamentalistisch-evangelikalen
Sekten in den USA.
In Westeuropa ist der Islam mit den Türken eingewandert. Seit den 60er Jahren sind
auch hierzulande islamische Dachverbände entstanden wie VIKZ (Verband der Islamischen Kulturzentren), Nurcus (Gemeinde des Lichts), die
Gülen-Gruppe (sie agiert als islamische Bildungseinrichtungen), die islamistische Milli Görüs/Nationale Sicht und die neofaschistische
Grauen Wölfe (Idealistenheime). Bemerkenswerterweise haben alle Verbände ihre Zentrale in Köln angesiedelt — womit Köln
zur „islamischen Hauptstadt” Deutschlands wurde.
Die DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) ist im
Unterschied zu den anderen islamischen Organisationen keine Religionsgemeinschaft, sondern eine staatliche Religionsinstitution, die sich seit Mitte der 80er
Jahre in Deutschland etabliert hat. Sie ist faktisch dem Religionsministerium in Ankara und der türkischen Botschaft in Berlin untergeordnet und vertritt
konservative Positionen, bekennt sich aber auch zu den sog. säkularen Prinzipien.
Den Islam gibt es mithin nicht. Es gibt eine Vielfalt von Organisationen, die beanspruchen,
für den Islam zu sprechen; Stimmen und Meinungen, die miteinander darüber streiten, was der Islam ist und was darunter zu verstehen ist.
Die türkische und kurdische Linke wie auch die Kultur- und Religionsgemeinschaft
der Aleviten haben ein sehr gespaltenes Verhältnis zum sunnitischen Islam (das ist die Mehrheitsreligion in der Türkei) und somit auch zur
Institution DITIB. Die Vorbehalte wurzeln in der Kritik jeder Religion als „Opium des Volkes” (Karl Marx). Die Linke tritt für eine strikte
Trennung von Religion und Staat ein, ist aber darüber hinaus der Meinung, dass religiöse Bedürfnisse letztlich auf unmenschliche
Verhältnisse verweisen, die es zu überwinden gilt. Ihre ablehnende Haltung ist auch unmittelbar politisch begründet, weil der Islam nach dem
Militärputsch in der Türkei von 1980 lange Zeit gegen die Linke instrumentalisiert wurde.
Die Aleviten haben in der jüngsten Geschichte der Türkei vielfältige
Diskriminierungen durch den Staat wie auch durch islamistische und neofaschistische Organisationen erlitten. Islamistisch-faschistische Kreise haben in
Großstädten wie Maras, Corum und Sivas Pogrome gegen Aleviten inszeniert, bei denen mehrere Menschen ermordet wurden.
Obwohl die Frage nach der Trennung von Staat und Religion seit der Gründung der
Türkischen Republik (1923) in der Verfassung verankert ist, ist das Thema in der Türkei heute noch sehr umstritten. In den letzten Jahren haben
sich die Auseinandersetzungen zwischen sog. „Laizisten” und „Anti-Laizisten” unter der Regierung Tayyip Erdogan weiter
zugespitzt. Hinzu kommt, dass das Religionsministerium der Türkei nur die Interessen der Sunna-Gemeinschaft verteidigt und die anderen
Religionsgruppen (Aleviten, Yeziden, Christen, Juden) ausblendet. Deshalb steht auch die DITIB in der Verantwortung, ohne Vorbehalte auf andere
Religionsgemeinschaften zuzugehen und in den eigenen Reihen keine Diskriminierungen zuzulassen. Die Verhaltensweisen religiöser Gemeinschaften
dürfen dabei nicht in Widerspruch zu den demokratischen Grund- und Menschenrechten stehen.
Von den Rechtspopulisten wird die Moscheedebatte jedoch als Ethnisierungsdebatte
geführt. Je größer die sozialen Probleme, desto stärker werden sie verdrängt durch kulturelle und religiöse Ersatzdebatten,
und es werden angebliche Unverträglichkeiten zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft konstruiert. Ethnische Minderheiten werden zu
Feindbildern gemacht, auf die sich Frustration und Hassgefühle projizieren lassen.
Vorurteile der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Migrantinnen und Migranten rufen
als Gegenreaktion aber immer deren Rückzug in „ethnische Nischen” hervor. Auf diese Weise vertieft so eine Debatte die Spaltung in der
Gesellschaft entlang falscher Frontlinien: ethnischer und religiöser.
Alle fortschrittlichen Kräfte müssen für das Recht auf Religions- und
Glaubensfreiheit eintreten. Es gilt, die sozialen Probleme bewusst zu machen, die sich vielfach hinter religiöser Anhängerschaft verbergen. Von
diesen bleiben Muslime und islamische Einrichtungen nicht verschont, sie sind Teil der sozialen Auseinandersetzungen in diesem Lande.
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