SoZ - Sozialistische Zeitung |
Pestizide der Bayer AG gefährden Honig, Obst und andere Nutzpflanzen.
Seit 1991 stellt der Leverkusener Bayer-Konzern das Insektizid Imidacloprid her. Im
vergangenen Jahr setzte der Konzern damit 556 Millionen Euro um. Es ist das bestverkaufte Pestizid von Bayer und gehört zu den meist verbreiteten
Insektiziden weltweit. Weil der Patentschutz von Imidacloprid in den meisten Ländern abgelaufen ist, brachte Bayer das ähnlich wirkende
Nachfolgeprodukt Clothianidin auf den Markt (Umsatz: 237 Millionen Euro).
Dass „Clothianidin für unsere Bienen zu einer großen Gefahr werden
wird”, sagte Manfred Hederer schon im Juli 2006 voraus. Der Präsident des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes kritisierte die
Zulassung des Pestizids — sie beruhte seiner Ansicht nach auf fragwürdigen Studien über die Bienengefährlichkeit des Wirkstoffs.
Die zuständigen Behörden jedoch blieben dabei: Clothianidin sei zwar im Prinzip Gift für Bienen, aber das Saatgut-Beizmittel bleibe ja unter
der Erde und komme mit den Tieren nicht direkt in Kontakt.
Es trat ein, was Hederer befürchtet hatte: Unmittelbar nach der Maisaussaat im April
setzte ein großes Bienensterben ein, besonders am Oberrhein und in Bayern. Tausende Bienenstöcke verwaisten, die Züchter verloren ein
Viertel ihrer Bestände. „Jeden Morgen liegen massenhaft tote Bienen vor den Fluglöchern”, klagte etwa der Imker Christoph Koch.
Nach Aussage des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen, das mit der Untersuchung des Bienensterbens betraut wurde, ist „eindeutig
davon auszugehen, dass Clothianidin hauptsächlich für den Tod der Bienen vor allem in Teilen Baden-Württembergs verantwortlich
ist”
Imidacloprid und Clothianidin werden vornehmlich zur Behandlung von Raps- und
Maissaatgut verwendet. Die Saat soll vor Insekten geschützt werden. Der Giftstoff steigt jedoch in die Pflanze auf und ist später in allen
Pflanzenteilen zu finden. Schadinsekten sterben, wenn sie von Blättern oder Blüten fressen. Der Wirkstoff wandert aber auch in die Pollen und in
den Nektar und kann dort Nutzinsekten wie Bienen schädigen. Wegen der Langlebigkeit des Wirkstoffs können selbst unbehandelte Pflanzen, auf
deren Feldern Imidacloprid oder Clothianidin in den Vorjahren eingesetzt wurden, die Giftstoffe im Boden über die Wurzeln aufnehmen und eine
für Bienen gefährliche Konzentration enthalten.
Der Beginn der Vermarktung von Pestiziden aus der Substanzklasse der Neonicotinoide
fällt mit dem Auftreten großer Bienensterben in vielen Teilen Europas und Nordamerikas zusammen. Allein in Frankreich starben in den 90er
Jahren rund 90 Milliarden Bienen. Die Honigproduktion sank dadurch um bis zu 60%. Weil Honigbienen außerdem den größten Teil der
Blütenbestäubungen erbringen, gingen auch die Erträge von Äpfeln, Birnen und Raps zurück.
Die französische Regierung hat 1999 den Einsatz von Imidacloprid zur
Saatgutbeizung von Sonnenblumen verboten. Die Zulassung im Maisanbau wurde 2004 aufgehoben. Auch das Nachfolgeprodukt Clothianidin erhielt in
Frankreich keine Zulassung.
In Deutschland ruht die Zulassung der beiden Wirkstoffe seit Mai, der Bayer-Konzern
drängt jedoch auf Wiederzulassung. Nicht etwa das Beizmittel an sich, sondern einige fehlerhaft behandelte Saatgutpartien sowie Trockenheit und starke
Winde hätten nach Ansicht des Konzerns zu den „Bienenverlusten” geführt. „Anders als das Ministerium sind wir der
Ansicht, dass es eine schnelle technische Lösung geben kann, ohne dass es einer Aussetzung der Zulassung bedurft hätte”, erklärte
Bayer-Sprecher Utz Klage.
Im letzten Geschäftsbericht hatte der Konzern noch gejubelt: „Den weltweiten
Umsatz von Clothianidin konnten wir nahezu verdoppeln.” Da fällt es leicht, die Portokasse ein wenig zu öffnen und den betroffenen
Imkern 2 Millionen Euro für ihre Verluste anzubieten. Umso mehr, als Bayer damit kein Schuldeingeständnis verbunden sehen will. „Die
unbürokratische Hilfe erfolgt auf freiwilliger Basis, während die Klärung des Sachverhalts noch andauert”, heißt es in der
Pressemitteilung.
Am 12.August reichte die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) Strafanzeige
gegen den Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning ein. Betroffene Imker beteiligen sich an der Klage. Harro Schultze, Rechtsanwalt der CBG, fordert:
„Die Staatsanwaltschaft muss dringend klären, welche Bemühungen der Bayer-Konzern unternommen hat, um ein drohendes Verbot der
von ihm produzierten Pflanzenschutzmittel auf dem deutschen Markt zu verhindern, nachdem in Frankreich der Verkauf längst gestoppt worden war. Es
ist davon auszugehen, dass die von Bayer bei den Zulassungsbehörden eingereichten Studien derart angelegt wurden, dass die Bienengefährlichkeit
der Wirkstoffe möglichst gering erschien und Pestizid-Rückstände in behandelten Pflanzen verharmlost wurden."
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |