SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2008, Seite 08

Arbeitszeitverkürzung im Betrieb, ganz praktisch

Flexibilisierung ist Mist

von Tobias Miche (www.schichtplanfibel.de)

"Zur Information der Mitglieder auf dem Kontinent, deren Erfahrungen auf dem Gebiete der Fabrikgesetzgebung relativ gering sind, fügen wir hinzu, dass alle gesetzlichen Beschränkungen misslingen und vom Kapital durchbrochen werden, wenn nicht die Tageszeit bestimmt wird, in die die 8 Arbeitsstunden zu fallen haben. Die Länge dieser Zeit sollte bestimmt sein durch die 8 Arbeitsstunden und die zusätzlichen Pausen für Mahlzeiten. Wenn z.B. die verschiedenen Unterbrechungen für Mahlzeiten eine Stunde betragen, so muss die gesetzlich festgelegte Tageszeit auf 9 Stunden festgesetzt werden, sage von 7 Uhr morgens bis 4 Uhr abends oder von 8 Uhr morgens bis 5 Uhr abends etc. Nachtarbeit ist nur ausnahmsweise zu gestatten in Gewerben oder Gewerbszweigen, die vom Gesetz genau bezeichnet sind. Die Tendenz muss dahin gehen, jede Nachtarbeit abzuschaffen.” (Karl Marx, „Instruktionen für die Delegierten des Provisorischen Zentralrats zu den einzelnen Fragen”, August 1866.)

Die Erfahrungen sprechen eine klare Sprache: Am Betriebsalltag sind zehn Jahre Arbeitszeitgesetz und acht Jahre EU-Richtlinie zur „Arbeitszeitgestaltung” weitgehend spurlos vorbei gegangen. Die Schutzversprechen wurden ja nicht erstritten, sondern von oben gewährt.
Allzuviele Linke sind es heute nicht, die „Erfahrungen auf dem Gebiete der Fabrikgesetzgebung” (Marx) sammeln. Sie sehen nur selten Beschäftigte, die zum Beispiel für ihr Recht eintreten, immer dann eine unbezahlte Pause machen zu dürfen, wenn ihnen für weitere fremdbestimmte Arbeit die Puste ausgeht. Trotz aller Übergriffe auf Sonntage, Feiertage und Samstage kümmern sich nur wenige Betriebsräte um die Schutzzonen Ruhetag und Ersatzruhetag (www.sonntag.schichtplanfibel.de).
Frustriert haben Linke das Thema Arbeitszeit von ihrer Tagesordnung gestrichen — ob nun verzagt die 35- Stunden-Woche gefordert wird, oder kämpferisch gleich die 30-Stunden-Woche auf das Transparent geschrieben wird.
Schier unlösbar scheint das Dilemma, die Dauer der Arbeitszeit kollektiv begrenzen zu wollen, wenn die Beschäftigten dies längst selbst massenweise, jedoch individuell und ohne Entgeltausgleich, praktizieren. Selbst innerhalb der Tarife wie dem TVöD variiert die festgelegte „regelmäßige” Arbeitszeit nach Bundesländern, Sparten und Berufen.
Doch jenseits von „Arbeitszeitverkürzung” und „8-Stunden-Tag” werden derzeit die Fragen nach der Arbeitszeit frisch und anders aufgeworfen.
— Die Umbrüche in der Altenpflege und im Einzelhandel wirbeln die Schichtpläne der Beschäftigten wild durcheinander. Sie fordern — von Gesetzes wegen — „Verlässliche Pläne — 4 Wochen im voraus!”
— Sie wollen nicht mehr inmitten ihres Schichtwirrwarrs rund um die Uhr über 6 Tage die Woche rotieren, mit kurzen Wechseln oder geteilten Diensten. Darum steckt für sie im Ruf nach der „5-Tage-Woche” solch eine Verheißung.
— Sie arbeiten oft allein und dürfen ihren Arbeitsplatz nicht einmal zur Pause aus den Augen lassen. Darum wollen sie „Pausen auf die Arbeitszeit anrechnen!"
In jeder dieser Alltagsforderungen steckt zugleich der Stachel gegen das uneingeschränkte Direktionsrecht der Chefs.


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