SoZ - Sozialistische Zeitung |
Auch Riesterrente, Rüruprente, Lebensversicherungen,
Betriebsrenten fallen der Finanzkrise zum Opfer — u.a. deshalb, weil die Pensionsfonds
zu den größten Spekulanten am Finanzmarkt gehören.
Für die gesetzliche
Rentenversicherung gibt es keine unmittelbare Gefährdung durch die Finanzmarktkrise, wohl
aber für die private Altersvorsorge einschließlich der staatlich geförderten
Riester- und Rürup-Produkte.
So lautet die aktuelle
Botschaft der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Wirtschaftswoche — das sind
Medien, die mit ihrer publizistischen Tätigkeit keinen geringen Anteil an der Schleifung
sozialstaatlicher Regulierungen im Allgemeinen und der gesetzlichen Altersversorgung im
Besonderen hatten. Wo sie früher für die private Altersvorsorge getrommelt haben,
mit Renditeverheißungen, die die gesetzliche Rentenversicherung alt aussehen ließen,
herrscht plötzlich Ernüchterung.
Bei Riester-
Fondssparplänen, die mit besonders hohen Zinserwartungen lockten, sind nur die
eingezahlten Beträge sicher, bei Rürup-Fonds (für Selbstständige) nicht
mal die. Bei 30 Jahren Laufzeit und einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 3% wird die
Kaufkraft dieses Grundstocks um 61% entwertet. Die Verzinsung hängt vollständig von
den Launen des Finanzmarkts ab.
Lebensversicherungen, Riester-
/Rürup-Rentenversicherungen und Betriebsrenten als Direktversicherung (Entgeltumwandlung)
sichern einen Garantiezins. Der liegt schon deutlich unterhalb der Inflationsrate und wird nur
für 70—75 % der eingezahlten Prämien (nach Abzug der „Kosten")
gewährt. Nicht nur der Garantiezins allein, auf den sich die Verzinsung bei einigen
Anbietern bereits reduzierte, ist unter Berücksichtigung der Inflation „in jedem
Fall ein Verlustgeschäft” für die Versicherten, sondern auch die derzeitige
Durchschnittsverzinsung von 5,4%. Doch auch die ist nur durch den Griff in die Rücklagen
der Versicherer möglich, weil die Nettoverzinsung ihrer Anlagen schon seit 2001 unterhalb
der ausgeschütteten Beitragsverzinsung liegt. Mit den Rücklagen sinkt die
Widerstandsfähigkeit in der nächsten Krise.
Betriebsrenten in Form der
Direktzusage (einer bestimmten Renten- oder Beitragshöhe) auf Basis betrieblicher
Rückstellungen sind ebenfalls krisenanfällig — vor allem dann, wenn sie in
Pensionsfonds ausgelagert sind. Die Verzinsung der Pensionspläne der DAX- und MDAX-
Unternehmen ist massiv eingebrochen; der Metall-Pensionsfonds (u.a. Opel, Miele, EADS)
rutschte schon 2007 ins Minus.
Die aktuelle Finanzkrise ist
bereits der zweite heftige Schlag in nur sechs Jahren für die Lebensversicherer und
Pensionskassen in Deutschland, die 1,1 Billionen Euro verwalten. Schon das Platzen der
Technologieblase 2002 brachte mit Gerling und der Mannheimer zwei Versicherungskonzerne in
Schieflage; 2004 wurden bei Gerling und der Commerzbank die Betriebsrenten gekürzt. Die
Lebensversicherer, die knapp ein Drittel der Versichertengelder in Bankschuldverschreibungen
gesteckt haben, hängen „voll im Risiko” bei möglichen Bankpleiten.
Weil die Prämieneinnahmen
bislang die Ausschüttungen für fällige Policen erheblich übersteigen,
steht die Liquidität der Versicherer — anders als die der Banken — noch nicht
in Frage. Allein der Markführer AllianzLeben kann insgesamt 100 Millionen Euro
täglich neu anlegen. Das aber wird sich ändern, wenn künftig die Leistungen
derjenigen fällig werden, die den Privatvorsorgeboom von heute speisen.
Zwar sind die
Garantieleistungen über Sicherungssysteme der Wirtschaft — Protektor bei den
Lebensversicherern und der Pensionssicherungsverein bei Betriebsrenten — abgesichert. Ob
diese aber einer Krisenspirale standhalten, die aus den Rückkopplungseffekten von
Finanzdesaster und Rezession oder aus dem gleichzeitigen Absturz mehrerer Großbanken
entstehen könnte, ist fraglich. In den USA haben öffentliche und private
Pensionsfonds in den vergangenen 15 Monaten 2 Billionen Dollar verloren. Der
Rechnungshofpräsident des US-Kongresses befürchtet, dass die Versicherten deshalb
länger arbeiten müssen. Ein Abgeordneter des Repräsentantenhauses erklärt:
„Es ist ganz klar, dass das amerikanische Rentensystem der Finanzkrise zum Opfer fallen
kann.” Und der neoliberale EU-Sozialkommissar Spidla warnt davor, die Folgen der
Finanzkrise auf die Altersvorsorge zu unterschätzen.
Nicht zuletzt sei daran
erinnert: Es sind vor allem die renditehungrigen Billionen der privaten Pensionsfonds, die
— gestern in den USA und heute in Europa — die Finanzmärkte fluteten und dort
hochspekulative Anlageformen durchsetzten. Das System der kapitalgedeckten Privatvorsorge
schaufelt sich so sein eigenes Grab.
Die umlagefinanzierte
gesetzliche Rentenversicherung funktioniert dagegen grundsätzlich ohne Finanzmarkt. Sie
stützt sich als Solidarsystem auf die reale Arbeit und Wertschöpfung der
Beschäftigten. So könnte noch heute gelten: „Die Rente ist sicher.” Wenn
man die GRV nicht demontiert hätte, um die Unternehmer zu entlasten und die
Finanzmärkte zu speisen, wenn man sie nicht zusammen mit Löhnen und
Beschäftigung von der Wirtschaftsentwicklung abgehängt hätte, um die
Akkumulation privaten Kapitals und Reichtums zu beflügeln. Die Krise unterstreicht die
zwingende Notwendigkeit einer Umkehr zur solidarischen, hälftig vom Arbeitgeber
finanzierten gesetzlichen Rentenversicherung, die den Lebensstandard im Alter sichert.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |