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Schon der Titel ist Programm. Wie kaum ein anderer Autor geht der Schweizer Wissenschaftsjournalist mit Alltagsgewohnheiten ins Gericht: „Es gibt kein Menschenrecht, winters im T-Shirt in der Wohnung zu sitzen und im Sommer nicht zu schwitzen. Es gibt ein menschenwürdiges Leben ohne Flugreisen und elektrische Wäschetrockner. Und niemand braucht Hundert-und-mehr-PS- Fahrzeuge zum Glücklichsein.” Hänggi will dennoch nicht den moralischen Zeigefinger heben. Denn so lange Politik und Wirtschaft darauf aus seien, Wachstum und damit Konsum anzukurbeln, wird diese Spirale sich immer weiter drehen. „Eine wirksame Klimapolitik würde zuallererst bedeuten, dem Wachsen der Standards nicht noch Vorschub zu leisten: keine neuen Straßen, keine größeren Flughäfen, keine neuen Bauzonen” Der Autor studiert eingehend die wissenschaftlichen Grundlagen der Klimapolitik, vom IPCC-Report bis zu Kosten-Nutzen-Analysen à la Stern-Bericht. „Was verspricht, weniger CO2 auszustoßen, ohne dass man sein Verhalten ändern muss, ist gut.” Bisweilen bissig ironisch — auch gegenüber sich selbst — endet das Buch mit einem „Lob des Müßiggangs” Lesenswert und anregend.
Nur Ahnungslose glauben an den großen Unterschied zwischen der jüdisch-christlich und der islamisch geprägten
Welt, wie ihn die Medien uns einhämmern. Doch leider sind die Ahnungslosen immer noch Legion. Das Christentum, heißt
es, hatte seine Reformation und die westliche Welt hatte ihre Aufklärung, während der Islam — die jüngste der
drei großen monotheistischen Religionen — verstrickt bleibt in theokratischer Herrschaft, Mord und Brandschatzung um des
Glaubens Willen und mittelalterlicher Unterdrückung der Frauen. Dabei sind die USA und die BRD „christlichere”
Staaten als die Türkei „muslimisch” Unsere Aufklärung aber, auf die wir stolz sein sollen, ohne auch nur eine
Zeile von den Aufklärern gelesen zu haben, hat eine Vorgeschichte, die im 12.Jahrhundert mit den Ideen der Frühscholastik
begann. Sie beruhten auf dem Wissen, das uns von islamischen Denkern wie Ibn Ruschd (Averroes) kam, der die Philosophie zur
Quelle der Erschließung von Wahrheit erklärte, während der offenbarte Glaube seiner Meinung nach eine vereinfachte
Wahrheit ausdrückt, die den Massen zugänglich ist. Reza Aslan klärt auf über die Geschichte des Islam,
über die ursprünglichen sozialreformerischen Motive Mohammeds, über eine interessiert einseitige Interpretation der
islamischen Überlieferung und über die verschiedenen Strömungen im Islam.
Enzo Traversos neuestes Buch beinhaltet den Versuch, die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts als „europäischen
Bürgerkrieg” zu begreifen. Es wendet sich gegen die vorherrschenden liberalen Geschichtsdeutungen, die meinen, mit
dem vorgeblichen Sieg von Marktwirtschaft und Demokratie nach 1945 sei die Geschichte zu ihrer Vollendung gelangt. Laut Traverso
war der Bürgerkrieg ein „totaler Krieg” zahlreicher miteinander verbundener Konflikte: „Kapitalismus gegen
Kollektivismus, Freiheit gegen Gleichheit, Demokratie gegen Diktatur und Universalismus gegen Rassismus” Häufiger
bemüht er Vergleiche mit dem Dreißigjährigen Krieg, denn beide waren Kriege zwischen Staaten und
Bürgerkriege, bei denen es sowohl „um die Verschiebung von Grenzen als auch um die Änderung der politischen
Struktur der Staaten” ging. Beide wurden mit einem wahrhaften Kreuzzugsgeist geführt und waren nicht zuletzt deswegen
voller Gräueltaten und Massaker, die manchmal das Ausmaß von Völkermorden annahmen. Und beiden hatten
„ihr Epizentrum in Deutschland und endeten sowohl 1648 als auch 1945 mit dessen Teilung” Eine ausführliche
Besprechung folgt.
"Der letzte Bürgermeister mit Namen Lynch wurde nie wieder in der Stadt gesehen. Es heißt, er sei wahnsinnig
geworden, sein Haar weiß, sein Gesicht verwüstet. Aber sein Name wurde benutzt. Wann immer später von Selbstjustiz
zu reden war, nutzte man den Namen und sprach vom Lynchen. Wobei freilich der entscheidende Unterschied in
Vergessenheit geriet; im ältesten, im Galwayer Fall wollte keine aufgebrachte Menge jemanden exekutieren, gegen das Gesetz,
sondern da wollten aufgebrachte Menschen verhindern, dass jemand exekutiert wurde, nach dem Gesetz.” Lodemann hat sich in
seinem neuen Buch wieder einer Lieblingsbeschäftigung hingegeben: Sprüche, Überlieferungen, Volksweisheiten
nach ihrem Wahrheitsgehalt zu befragen und vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das neuzeitliche Irland ist Schauplatz einer
Auseinandersetzung zwischen heidnischen Traditionen, christlichem Vormachtanspruch und gelebter Aufklärung. Ausgerechnet
deren Protagonist scheitert an seinen eigenen Ansprüchen. Bei allem historischen und ideengeschichtlichen Tiefgang ein Krimi.
Dotschy Reinhardt, eine junge Sinteza aus der bekannten Musikerfamilie, selbst Sängerin und Gitarristin, widerlegt das Klischee vom „lustigen Zigeunerleben” Sie erzählt aus ihrer Kindheit und Jugend in Süddeutschland, vom Schicksal ihrer Familie im Faschismus und den Anfeindungen in der Nachkriegszeit, selbst im schulischen Alltag. Sie hebt die historische Bedeutung der Musik, des Handwerks und Handels als Teil der Kultur ihres Volkes hervor. Sie schildert den Alltag von Sinti und Roma auf realistische und ungeschminkte Weise, humorvoll und manchmal entlarvend.
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