SoZ - Sozialistische Zeitung |
In der Persönlichen Assistenz haben sich Ende November
unabhängige Arbeitnehmervertretungen gegründet.
Vom 28. bis 30.11.2008 haben
im Kreuzberger Mehringhof rund 30 Delegierte aus sechs betrieblichen Interessenvertretungen
großer Assistenzeinrichtungen ein bundesdeutsches Netzwerk ins Leben gerufen, die
„Unabhängigen ArbeitnehmerInnenvertretungen in der Persönlichen
Assistenz” (UAPA). Sie stehen zu Beginn ihrer Tätigkeit für gut ein
Fünftel der etwa 10000 mehrheitlich weiblichen Erwerbstätigen in dieser kleinen,
aber wachsenden Branche. Sie verabschiedeten eine Gründungsresolution (siehe Kasten),
werden miteinander in Kontakt bleiben und haben sich für November 2009 in Frankfurt am
Main zu einer Folgekonferenz verabredet, die vom Betriebsrat des CeBeeF e.V. koordiniert wird.
Ihre ersten
Vereinsgründungen verzeichnete die westdeutsche Behindertenbewegung (präziser: die
Selbstbestimmt-leben-Bewegung) bereits zu Beginn der 70er Jahre. Vorbild war die US-
Bürgerrechtsbewegung. Nach der Etablierung einer linksalternativen Nische in den 80er und
90er Jahren hat sich die Selbstbestimmt-leben-Bewegung jedoch spätestens seit der
Jahrhundertwende mehrheitlich der neoliberalen Haushaltskonsolidierungspolitik gebeugt und hat
der zeitgenössischen Sozialpolitik — Stichwort: Ökonomisierung der sozialen
Arbeit — nichts mehr entgegenzusetzen. Sie konzentriert sich ängstlich darauf, die
eigene Haut zu retten, verbindet sich mit der bürgerlichen Sozialpolitik und verspielt
mehr und mehr den strategischen Bündnispartner an ihrer Seite: die Assistentinnen und
Assistenten, die zum überwiegenden Teil seit Jahren die Zeche bezahlen.
Beim Ambulante Dienste e.V.
(AD) hat sich dies bspw. in einer zehnjährigen Senkung der Reallöhne
niedergeschlagen, gepaart mit der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und verstärkten
zentrifugalen Tendenzen im Betrieb, die sich aus verschiedenen Formen existenzieller Angst
speisen und das Betriebsklima entsolidarisiert haben. Seit dem Frühjahr 2005 wird im
Betrieb um verschiedene Formen nominaler Verschlechterungen gestritten. Weil seit Ende 2005
ein Betriebsrat amtiert, der seine Mitbestimmungsrechte zu wahren weiß bzw. auf das
Kündigungsschutzgesetz hinzuweisen versteht, sind die Verschlechterungen vor allem
zulasten der neu eingestellten Assistenten gegangen. Sie mussten eine Absenkung des Grundlohns
um rund 17% auf 8,60 Euro für Sozialversicherungspflichtige, bzw. auf 7,60 Euro für
Studierende hinnehmen, dazu die Absenkung von Zuschlägen und die Befristung ihrer
Arbeitsverträge auf zwei Jahre; kein Wunder, dass die jährliche Fluktuation bei rund
20% liegt. Kritik aus der Belegschaft ist nicht ausgeblieben. Seit der letzten
Kürzungswelle vom 1.1.08 agiert in und beim Betrieb eine Aktionsgruppe mit direkten
Aktionen.
Die zentrale Arbeit auf der
Gründungskonferenz erledigte die Arbeitsgruppe „Arbeitsorganisatorische und
arbeitsvertragliche Regelungen” Sie begann mit einer Bestandsaufnahme der verschiedenen
Arbeitsvertragsmodelle und ihrer spezifischen Bestandteile.
Die Arbeitsgruppe
„Innerbetriebliche Organisierungsformen und ihre Instrumente” setzte sich u.a. mit
den „ersten Schritten” der Interessenvertretung auseinander. Eine angeregte
Debatte gab es um die Gestaltung von Betriebsversammlungen als Orten sozialer Begegnung. Das
Bedürfnis danach ist groß, weil die Arbeitsverhältnisse stark vereinzelt sind.
Das Verhältnis zu den
DGB-Einzelgewerkschaften sowie die Frage nach dem Nutzen eines eigenen Berufsverbandes
erörterte eine Arbeitsgruppe zu „überbetrieblichen Organisationsformen und
ihren Instrumenten” Übereinstimmend musste die Konferenz feststellen, dass das
Desinteresse von Ver.di an unserem Tätigkeitsfeld sich nicht auf einzelne Orte
beschränkt, sondern allgemein spürbar ist (vielleicht mit Ausnahme von Hamburg).
Zwar gibt es in den alltäglichen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts
meistens eine Zusammenarbeit; alle darüber hinausgehenden Initiativen scheinen jedoch an
eine unsichtbare Grenze zu stoßen.
Seitens der
Erwerbstätigen mag da eine traditionell libertäre — durchaus begründete
— Gewerkschaftsskepsis wirken. Formal vollbringen wir eine ungelernte Tätigkeit,
die bislang im institutionalisierten System der Ausbildungsberufe nicht zuzuordnen ist —
und damit für Gewerkschaften ein Bereich „fernab der Zivilisation”
Anstrengungen, dies zu ändern, hat niemand ernsthaft und ausdauernd unternommen.
Haustarifverträge wurden unter Verweis auf den zu niedrigen Organisationsgrad nicht in
Angriff genommen, was die tariflosen Arbeitsverhältnisse nicht gerade aufgewertet hat.
All dies hat nun zu dem
Entschluss geführt, uns zusammenzutun, sichtbar zu werden und eine eigene
Interessenvertretung zu begründen. Wo es uns nutzt, werden wir gerne mit Ver.di und GEW
kooperieren. Die Berliner GEW ist hierfür (nicht nur) mit ihrer „Initiativgruppe
Betriebsräte” ein positives Beispiel.
Wir werden jedoch auch, wo es
sinnvoll ist, die solidarische Zusammenarbeit mit der anarchosyndikalistischen FAU pflegen.
UAPA behält sich vor, ab sofort lohnpolitisch, und in mittlerer Zukunft auch
tarifpolitisch aktiv zu werden, sowie nach adäquaten Arbeitskampfformen für unsere
Branche zu suchen. Inspirieren mag uns das Beispiel der finnischen Krankenschwestern, die im
Herbst 2007 durch die Androhung der kollektiven Kündigung Lohnerhöhungen von 500
Euro erstritten.
Erwerbstätige aus Klein-
und Kleinstbetrieben (z.B. dem sog. Arbeitgebermodell und Persönlichen Budget) sind
ausdrücklich eingeladen, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
<
h5>Der Autor ist Betriebsrat bei Ambulante Dienste e.V. Berlin. Weitere Infos: www.labournet.de/branchen.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |