SoZ - Sozialistische Zeitung |
Beinahe jedes Mal, wenn ich meinen Beruf nenne, werde ich
gebeten, diesen zu erläutern, da kaum jemand ihn sich vorstellen kann. Persönliche
Assistenz wird im Eins-zu-Eins-Verhältnis von Assistenznehmern und Assistenten erbracht;
letztere werden von ersteren persönlich ausgewählt, was die Interessenvertretung
für die Erwerbstätigen stark erschwert. Wir arbeiten in der Intimität, zu einem
erheblichen Teil in Privathaushalten, und ermöglichen Menschen, die stark
hilfebedürftig sind, selbstbestimmtes Leben; das Recht auf diese Hilfe haben sie sich in
einer emanzipatorischen Bewegung am Ausgang des letzten Jahrhunderts erstritten. Die Arbeit
einer persönlichen Assistentin ist nicht nur tarifvertraglich nicht abgesichert, sie
hängt auch stark von den persönlichen Launen der Assistenznehmer ab.Eine heute bei
Ambulante Dienste (AD) in Berlin neu eingestellte Assistentin erhält einen auf ein Jahr
befristeten Arbeitsvertrag. Die ihr vertraglich zugesicherte monatliche Arbeitszeit
beträgt null Stunden. Von einem betriebsinternen Vermittlungssystem wird sie in
Einsätze vermittelt, d.h. zu bestimmten Assistenznehmern.
Dabei handelt es sich
häufig um sog. schwierige Einsätze, die schwer zu besetzen sind (z.B. Alkoholismus,
Depression, unangenehme Persönlichkeiten bzw. Umfeld, schlechter Arbeitsschutz, Tendenz
zu Grenzüberschreitungen, mögliche Willkür, langsam oder schnell zum Tod
führende Erkrankungen).
Der Assistenznehmer kann die
Assistentin unter Wahrung von Kündigungsfristen jederzeit „entlassen” In der
Folge gibt es eine „betriebsbedingte Änderungskündigung”, übrigens
auch im Todesfall. Kennen weder die Assistentin noch ihr Vorgesetzter das Arbeitsrecht, muss
die Assistentin wohl für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist um ihr monatliches
Arbeitsvolumen bangen. Jedenfalls fängt die Stundenakquise wieder von vorne an. Wer im
ersten oder zweiten Jahr nicht ausdrücklich von einem Assistenznehmer angenommen wurde,
läuft Gefahr, nicht entfristet zu werden.
Loyalitätskonflikte sind
damit vorprogrammiert, sie disziplinieren die Assistenten trotz bisweilen schwer zu
ertragender Arbeitsbeziehungen. Es liegt auf der Hand, dass in einer derart verstrickten
Gemengelage Störungen in den Arbeitsbeziehungen tendenziell zulasten der Assistenten
verlaufen drohen und auch schwer zu entziffern sind, weil die Angst vor dem Stundenverlust
überwiegt.
Gearbeitet wird im
Pflegebereich auch am Sonntag, am Feiertag und in der Nacht. Ob es dafür wohl immer
Zuschläge gibt? Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz? Wo lassen sich diese Probleme
abladen? Aufstiegs- oder Weiterbildungsperspektiven fehlen. Langjährige Beschäftigte
verlassen den Betrieb ausgebrannt und oft stillschweigend gen Hartz IV.
Das interne Vermittlungssystem
führt u.a. auch dazu, dass es viele Anrufe bei KollegInnen mit der Bitte um kurzfristigen
Einsatz gibt. Diese Konstruktion erspart dem Betrieb ein Springerteam! Dafür bestehe kein
Bedarf. So wird mit der Hilfsbereitschaft der KollegInnen gearbeitet... „Wir sind die
Heloten im Betrieb”, sagt ein Kollege. Das muss sich ändern.
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