SoZ - Sozialistische Zeitung |
Die Demonstrationen haben die politische Landschaft
verändert, die Rebellion ist in den Alltag vorgedrungen.
Die griechische Rebellion Ende
2008 mag wohl durch die kaltblütige Erschießung des jungen Alexis Grigoropoulos
ausgelöst worden sein, ihre Wurzeln hat sie jedoch in der Zerstörung der Zukunft der
heutigen Jugend und in der Verzweiflung breiter Schichten der Gesellschaft. Ihre Ursachen sind
Armut, Arbeitslosigkeit, Existenzunsicherheit, die Zerstörung anständiger
Arbeitsbedingungen sowie die Zerstörung der Umwelt.
Eine Art Bürgerkrieg hat
sich über das Land verbreitet, unter Kollegen, in den Familien und in politischen
Zusammenhängen gab es leidenschaftliche Diskussionen und Konflikte. Der soziale Konsens
ging verloren, ebenso die moralische Legitimation der Regierung und der
Repressionskräfte. Die Tötung des Schülers enthüllte, wie sehr die
ideologische und ethische Überlegenheit des Neoliberalismus schon untergraben ist.
Die Rebellion hatte auch eine
pan-hellenische Dimension, zum ersten Mal seit der deutschen Besatzung gab es eine solch
breite geografische Ausdehnung des Widerstands.
International gab es viele
Solidaritätskundgebungen, in Frankreich sagte Premierminister Sarkozy die
Erziehungsreform aus Angst vor Protest ab.
In jeder Rebellion tun sich
bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders hervortun. In diesem Fall waren es die Studenten,
die große Opfer bringen müssen, um die Universität besuchen zu können,
wobei sie sehr genau wissen, dass sie schlechter leben werden als ihre Eltern.
Die prekär
Beschäftigten rebellierten, die mit einem minimalen Einkommen ihr Leben bestreiten
müssen. Auch das metropolitane Lumpenproletariat beteiligte sich. Einige zerstörten
und setzten Dinge in Brand, weil sie nichts zu verlieren haben. Unter ihnen waren Obdachlose,
Drogenabhängige, Migranten, die nicht in die Gesellschaft integriert sind, sowie Roma.
Diese Zusammensetzung war ein
Zeichen der Schwäche der Rebellion. Man kann verstehen, dass es in diesem Aufruhr keine
zentralen Parolen oder Forderungen gab, es war ein Wutausbruch.
All diese Leute waren nicht
allein auf sich gestellt. Die Linke war zwar nicht Protagonistin des Kampfs, sie spielte
jedoch eine entscheidende Rolle. Insbesondere das Wahlbündnis SYRIZA organisierte
Demonstrationen, gab den Rebellen politische Unterstützung und hinderte die Regierung,
den Kampf zu unterdrücken.
Die Regierung versuchte
Letzteres auf zwei Wegen: Einerseits bat sie alle politischen Parteien um Hilfe, um die
Rebellion zu unterdrücken — SYRIZA lehnte dies ab; andererseits versuchte sie, die
Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Brandschatzungen und Plünderungen zu
lenken, um ihre Repression zu rechtfertigen. Die massive Präsenz von SYRIZA bei den
Demonstrationen verhinderte, dass die Regierung ihren Plan durchführen konnte. Darum
wurde SYRIZA von der extremen Rechten (weniger von PASOK) beschuldigt, es habe sich mit den
Vermummten verbündet. Leider beteiligte sich an diesen Anschuldigungen auch die KKE
(Kommunistische Partei Griechenlands).
Die Rebellion war keine
Eintagsfliege. Sie hat die politische Landschaft verändert, weil sie in einer Zeit der
ökonomischen Krise die Rebellion als Faktor im Alltag eingeführt hat. Es herrscht
breiter Konsens darüber, dass diese Rebellion nur ein Anfang war — die
antisystemischen Ansätze sind nun in den Köpfen der Menschen und insbesondere der
Jugendlichen. Für die Linke hat sich der Resonanzraum erweitert.
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