SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2009, Seite 11

Griechenland

Die Wurzeln der Rebellion

von Vaggelis Karageorgos

Die Demonstrationen haben die politische Landschaft verändert, die Rebellion ist in den Alltag vorgedrungen.
Die griechische Rebellion Ende 2008 mag wohl durch die kaltblütige Erschießung des jungen Alexis Grigoropoulos ausgelöst worden sein, ihre Wurzeln hat sie jedoch in der Zerstörung der Zukunft der heutigen Jugend und in der Verzweiflung breiter Schichten der Gesellschaft. Ihre Ursachen sind Armut, Arbeitslosigkeit, Existenzunsicherheit, die Zerstörung anständiger Arbeitsbedingungen sowie die Zerstörung der Umwelt.
Eine Art Bürgerkrieg hat sich über das Land verbreitet, unter Kollegen, in den Familien und in politischen Zusammenhängen gab es leidenschaftliche Diskussionen und Konflikte. Der soziale Konsens ging verloren, ebenso die moralische Legitimation der Regierung und der Repressionskräfte. Die Tötung des Schülers enthüllte, wie sehr die ideologische und ethische Überlegenheit des Neoliberalismus schon untergraben ist.
Die Rebellion hatte auch eine pan-hellenische Dimension, zum ersten Mal seit der deutschen Besatzung gab es eine solch breite geografische Ausdehnung des Widerstands.
International gab es viele Solidaritätskundgebungen, in Frankreich sagte Premierminister Sarkozy die Erziehungsreform aus Angst vor Protest ab.
In jeder Rebellion tun sich bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders hervortun. In diesem Fall waren es die Studenten, die große Opfer bringen müssen, um die Universität besuchen zu können, wobei sie sehr genau wissen, dass sie schlechter leben werden als ihre Eltern.
Die prekär Beschäftigten rebellierten, die mit einem minimalen Einkommen ihr Leben bestreiten müssen. Auch das metropolitane Lumpenproletariat beteiligte sich. Einige zerstörten und setzten Dinge in Brand, weil sie nichts zu verlieren haben. Unter ihnen waren Obdachlose, Drogenabhängige, Migranten, die nicht in die Gesellschaft integriert sind, sowie Roma.
Diese Zusammensetzung war ein Zeichen der Schwäche der Rebellion. Man kann verstehen, dass es in diesem Aufruhr keine zentralen Parolen oder Forderungen gab, es war ein Wutausbruch.
All diese Leute waren nicht allein auf sich gestellt. Die Linke war zwar nicht Protagonistin des Kampfs, sie spielte jedoch eine entscheidende Rolle. Insbesondere das Wahlbündnis SYRIZA organisierte Demonstrationen, gab den Rebellen politische Unterstützung und hinderte die Regierung, den Kampf zu unterdrücken.
Die Regierung versuchte Letzteres auf zwei Wegen: Einerseits bat sie alle politischen Parteien um Hilfe, um die Rebellion zu unterdrücken — SYRIZA lehnte dies ab; andererseits versuchte sie, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Brandschatzungen und Plünderungen zu lenken, um ihre Repression zu rechtfertigen. Die massive Präsenz von SYRIZA bei den Demonstrationen verhinderte, dass die Regierung ihren Plan durchführen konnte. Darum wurde SYRIZA von der extremen Rechten (weniger von PASOK) beschuldigt, es habe sich mit den Vermummten verbündet. Leider beteiligte sich an diesen Anschuldigungen auch die KKE (Kommunistische Partei Griechenlands).
Die Rebellion war keine Eintagsfliege. Sie hat die politische Landschaft verändert, weil sie in einer Zeit der ökonomischen Krise die Rebellion als Faktor im Alltag eingeführt hat. Es herrscht breiter Konsens darüber, dass diese Rebellion nur ein Anfang war — die antisystemischen Ansätze sind nun in den Köpfen der Menschen und insbesondere der Jugendlichen. Für die Linke hat sich der Resonanzraum erweitert.


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