SoZ - Sozialistische Zeitung |
1. Die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise markiert das Ende
der neoliberalen Phase des Kapitalismus. „Business as usual” (Finanzialisierung
Deregulierung, Privatisierung) ist keine Option mehr: wenn der Kapitalismus überleben
soll, müssen sich Konzerne und Regierungen auf die Suche nach neuen
Akkumulationsräumen und neuen Arten politischer Regulierung machen.
2. Neben der wirtschaftlichen und politischen Krise, ebenso wie der
Energiekrise, erschüttert noch eine weitere Krise die Welt: die Biokrise, Folge einer
selbstmörderischen Diskrepanz zwischen dem ökologischen Lebenserhaltungssystem, das
das gemeinsame menschliche Überleben sichert, und dem Bedarf des Kapitals, ständig
wachsen zu müssen.
3. Diese Biokrise ist eine ungeheure Gefahr für unser gemeinsames
Überleben, aber wie alle Krisen stellt sie für uns, für soziale Bewegungen,
auch eine historische Chance dar: dem Kapitalismus wirklich an die Gurgel zu gehen,
nämlich seinen Bedarf für unaufhörliches, zerstörerisches, wahnsinniges
Wachstum.
4. Von all den Vorschlägen, welche die globalen Eliten bisher
gemacht haben, gibt es nur einen, der alle diese Krisen anzugehen verspricht: der
„Grüne New Deal” Dieser ist aber nicht der kuschelige „Grüne
Kapitalismus 1.0” mit organischem Ackerbau und Do-it-yourself-Windrädern, sondern
ein Vorschlag für eine „grüne” Phase des Kapitalismus, der Gewinne aus
der allmählichen ökologischen Modernisierung bestimmter Schlüsselproduktionen
(Autos, Energie usw.) zu erzielen sucht.
5. Der grüne Kapitalismus 2.0 kann die Biokrise (also die Klimakrise
und andere ökologische Probleme, wie die gefährliche Vernichtung von
Biodiversität) nicht lösen, sondern versucht vielmehr, davon zu profitieren. Deshalb
ändert er nicht grundsätzlich den Kollisionskurs mit der Biosphäre, auf den
jede marktgetriebene Wirtschaftsordnung die Menschheit bringt.
6. Wir leben nicht in den 30er Jahren. Damals verteilte der alte
„New Deal” unter dem Druck starker sozialer Bewegungen Macht und Wohlstand nach
unten um. Beim „New New” and „Green New Deal”, wie er von Obama,
grünen Parteien überall auf der Welt und sogar von einigen multinationalen Konzernen
diskutiert wird, geht es mehr um Wohlfahrt für Konzerne als für Menschen.
7. Der grüne Kapitalismus wird nicht die Macht derjenigen
herausfordern, die gegenwärtig die meisten Treibhausgase produzieren: die
Energiekonzerne, Fluglinien, Autoproduzenten, die industrielle Landwirtschaft. Stattdessen
wird sie diesen Geld zuschanzen, um ihnen zu helfen, durch kleine ökologische Anpassungen
ihre Profitraten aufrecht zu erhalten. Zur Lösung ökologischer Probleme werden diese
Anpassungen aber zu marginal sein, und zu spät kommen.
8. Weil Arbeiterinnen und
Arbeiter weltweit ihre Macht verloren haben, höhere Löhne und Rechte am Arbeitsplatz
durchzusetzen, werden in einem grün-kapitalistischen Projekt die Löhne
wahrscheinlich stagnieren oder sogar sinken, um die steigenden Kosten „ökologischer
Modernisierung” aufzufangen.
9. Der „grün-kapitalistische Staat” wird ein
autoritärer sein. Er wird die sozialen Unruhen „managen” müssen, die
angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten (Nahrung, Energie usw.) bei gleichzeitig
sinkenden Löhnen zu erwarten sind, und diese Politik dabei mit der Bedrohung durch die
ökologische Krise rechtfertigen.
10. Im grünen Kapitalismus müssen die Armen vom Konsum
ausgeschlossen und an die Ränder gedrückt werden, während die Wohlhabenden ihr
weiterhin umweltschädigendes Verhalten „kompensieren” können: einkaufen
und gleichzeitig den Planeten retten.
11. Ein autoritärer Staat, massive Klassenungleichheit,
öffentliche Gelder, die an Konzerne umverteilt werden: vom Standpunkt sozialer und
ökologischer Emanzipation wird der grüne Kapitalismus eine Katastrophe sein, von der
wir uns nie wieder werden erholen können. Heute haben wir eine Chance, über den
selbstmörderischen Irrsinn kontinuierlichen Wachstums hinaus zu kommen. Morgen, wenn wir
uns alle erst einmal an das neue grüne Regime gewöhnt haben, könnte diese
Chance vorbei sein.
12. Im grünen Kapitalismus besteht die Gefahr, dass Mainstream-
Umweltorganisationen die gleiche Rolle spielen werden, die die Gewerkschaften in der
fordistischen Ära gespielt haben: als Sicherheitsventile zu agieren, die sicherstellen,
dass die Forderungen nach sozialem Wandel, unser gemeinsamer Zorn innerhalb der Grenzen
bleiben, die den Bedürfnissen des Kapitals und der Regierungen entsprechen.
13. Nach Albert Einstein ist die Definition von Wahnsinn, immer wieder
das Gleiche zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten. In den letzten zehn Jahren ist,
trotz Kyoto, nicht nur die Menge der Treibhausgase in der Atmosphäre gestiegen, sondern
sogar deren Steigerungsrate. Wollen wir einfach immer wieder das Gleiche tun? Wäre das
nicht Wahnsinn?
14. Internationale Klimaabkommen fördern falsche Lösungen, die
mehr der Energiesicherheit dienen als dem Klimawandel. Weit entfernt davon, die Krise zu
lösen, schaffen Emissionshandel, Clean Development Mechanism (CDM), Joint Implementation,
C02-Kompensation usw. einen politischen Schutzschild für die fortgesetzte Produktion von
Treibhausgasen.
15. Für viele Gesellschaften des globalen Südens sind diese
falschen Lösungen (Biosprit, „grüne Wüsten”, CDM-Projekte)
inzwischen eine größere Bedrohung als der Klimawandel selbst.
16. Tatsächliche Lösungen für die Klimakrise werden nicht
von Regierungen oder Konzernen entwickelt werden. Sie können nur von unten kommen, von
weltweit vernetzten sozialen Bewegungen für Klimagerechtigkeit.
17. Solche Lösungen enthalten: Nein zum Freihandel, Nein zur
Privatisierung, Nein zu den „flexiblen Mechanismen” des Kyoto-Protokolls, Ja zur
Ernährungssouveränität, Ja zu einer Ökonomie ohne Wachstum, Ja zu
radikaler Demokratie und dazu, die Ressourcen im Boden zu lassen.
18. Als entstehende weltweite Bewegung für Klimagerechtigkeit
müssen wir gegen zwei Gegner kämpfen: auf der einen Seite gegen den Klimawandel und
den fossilistischen Kapitalismus, der ihn verursacht, und auf der anderen gegen einen neuen
grünen Kapitalismus, der den Klimawandel nicht einschränken wird, wohl aber unsere
Fähigkeit, dies zu tun.
19. Natürlich sind Klimawandel und Freihandel nicht das Gleiche,
aber: Das Kopenhagen-Protokoll wird eine zentrale Regulierungsinstanz des grünen
Kapitalismus werden, genauso wie die WTO für den neoliberalen Kapitalismus zentral war.
Wie sollen wir uns also dazu verhalten? Die dänische Gruppe KlimaX argumentiert: ein
gutes Abkommen ist besser als kein Abkommen — aber kein Abkommen ist erheblich besser
als ein schlechtes.
20. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierungen in Kopenhagen ein gutes
Abkommen beschließen werden, ist extrem gering. Unser Ziel muss daher sein,
tatsächliche Lösungen einzufordern. Wenn uns das nicht gelingt: Forget Kyoto, and
shut down Copenhagen (mit welcher Taktik auch immer)!
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