SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2009, Seite 18

"Köln Postkolonial"

Lokales Projekt der Erinnerungsarbeit

von Larissa Peiffer-Rüssmann

Im Kölnischen Stadtmuseum ist bis zum 21.Februar die Ausstellung „Köln Postkolonial” in Zusammenarbeit mit dem Verein „KopfWelten — gegen Rassismus und Intoleranz e.V.” und mit Studierenden der Afrikanistik der Uni Köln zu sehen.
Mit Köln verbindet man vieles, nur nicht eine koloniale Vergangenheit — und doch war Köln so etwas wie eine „Kolonialmetropole des Westens” Am kolonialen Projekt des Deutschen Reichs beteiligt waren bekannte Kölner Familien und Unternehmen ebenso wie die Kirchen und ihre Missionen. „Postkolonial” im Titel der Ausstellung soll ausdrücken, dass diese koloniale Vergangenheit in Bildern, Stereotypen und Vorurteilen bis in die heutige Zeit nachwirkt.
Die Ausstellung dokumentiert in Themenschwerpunkten die Ergebnisse einer umfangreichen Forschungsarbeit. Deutlich wird die Verstrickung weiter Teile der Bourgeoisie in die koloniale Ausbeutung. Die Ansprüche des Großbürgertums auf Kolonien übten einen immer stärkeren Druck auf das Deutsche Reich aus.
Schließlich stellte Bismarck 1884 mehrere „Besitzungen” deutscher Kaufleute, die diese sich entweder mit Gewalt oder durch betrügerische Verträge angeeignet hatten, unter den Schutz des Reiches. Das waren Deutsch-Südwestafrika, Togoland, Teile von Kamerun sowie ostafrikanische Gebiete, außerdem pazifische Gebiete Neuguineas, die davor gelegene Inselgruppe und weitere pazifische Inseln, Samoa und das „Pachtgebiet” in China. Alle Widerstände der dortigen Bevölkerung wurden blutig niedergeschlagen.
Das Kölner Großbürgertum unterstützte diese Kolonialpolitik im eigenen Interesse. Zu ihnen gehörten u.a. die heute noch bekannten Unternehmer wie der Zuckerfabrikant Eugen Langen, die Gebrüder Stollwerck und der Gummifabrikant Franz Clouth, die ihren Bedarf an Rohstoffen wie Kakao und Kaffee, Kokosnüsse, Sisalhanf und Kautschuk für die fortschreitende Industrialisierung benötigten.
Ihnen zur Seite stand das Kölner Traditionsunternehmen M. DuMont Schauberg, das die Kölnische Zeitung herausgab. In dem Redakteur Hugo Zöller fanden diese Industriellen einen engagierten Befürworter deutscher Kolonialpolitik, der zur Berichterstattung auch selber nach Westafrika fuhr. Auch die Bankiersfamilie Oppenheim profitierte von den wirtschaftlichen Beziehungen in die Kolonien. Sie alle verdienten daran, dass die Bewohner mit brutaler Gewalt zur Plantagenarbeit gezwungen wurden.
Der Kölner Ethnologe Wilhelm Joest und die Familie Rautenstrauch stifteten 1906 der Stadt ein Völkerkundemuseum mit einem ethnografischen und einem entwicklungsgeschichtlichen Teil. Der Aufbau und die Wertung „fremder Kulturen” spiegelte das Menschenbild wider, das der Kolonialpolitik zugrunde lag.
An Kölner Hochschulen gab es Vorlesungen zum „Deutschen Kolonialrecht” und zu „Deutschlands Kolonien in Afrika” Dieses Interesse wurde auch nicht durch den Verlust der deutschen Kolonien nach dem Ersten Weltkrieg gebremst, im Gegenteil. Einer der Professoren, die sich in den Dienst der Nazis gestellt hatten, war Martin Heydrich, Professor für Völkerkunde, der bereits 1933 der NSDAP beitrat. Er leitete das Rautenstrauch-Joest-Museum von 1940 bis 1945, und, quasi nahtlos, wieder von 1949 bis 1960.
Auch Konrad Adenauer machte sich 1927 — damals Oberbürgermeister von Köln — für die Rückgewinnung deutscher Kolonien stark. Als Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft forderte er unerbittlich „Deutschlands Recht auf eigene Kolonien”
Mit den Eroberern kamen auch die Missionare. 1888 gründete sich ein katholischer Afrikaverein. Angeblich ging es um die Bekämpfung der Sklaverei, tatsächlich jedoch um „die Civilisation der Neger durch Bekehrung zum Christentum” Es gab enge Beziehungen zur Politik; die katholische Kirche rechtfertigte die koloniale Gewalt mit der Begründung, in den Kolonien müsse die Sklaverei abgeschafft werden. Auch die evangelische Kirche verteidigte vehement das Recht Deutschlands auf Kolonien.
Deutschlands Rolle als Kolonialmacht ist in diesem Forschungsprojekt hervorragend aufgearbeitet. Diese Arbeit verdient Anerkennung und Beachtung, denn noch immer werden mit Kölner Straßennamen und Denkmälern die ehemaligen Kolonialherren geehrt.


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