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Die französischen Gewerkschaftsverbände rufen, nach
der gelungenen Mobilisierung vom 29.1., zu einem neuen Streik- und Aktionstag am 19.3. auf.
Reichlich spät, finden
viele. Doch in der Zwischenzeit halten weitere Mobilisierungen den sozialen Druck aufrecht:
der Arbeitskampf der Hochschullehrer (inzwischen mit Unterstützung der Studierenden), der
Generalstreik auf den französischen Karibikinseln Guadeloupe und La Martinique u.a. Die
Regierung darf sich in den kommenden Wochen warm anziehen.
"Wir haben es mit einer
Krise zu tun, wie die Welt sie seit einem Jahrhundert nicht gekannt hat. Ich verstehe die
Besorgnis der Franzosen. Ich muss zudem so stark wie möglich jene beschützen, die
schon bisher vom weltweiten Wachstum ausgeschlossen blieben."
Beruhigend klangen sie nicht
unbedingt, die Worte, mit denen Präsident Nicolas Sarkozy sich am 5.Februar auf im
Fernsehen an die Nation wandte. Paradoxerweise sollten sie gerade dafür sorgen, die
soziale Unruhe im Zaum zu halten, die sich vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und
Finanzkrise Bahn gebrochen hat. Indem er nicht den Eindruck erweckt, die Probleme zu
verharmlosen, sondern sie im Gegenteil noch dramatisch überzeichnet, möchte Sarkozy
vermeiden, in den Augen des Publikums als „typischer Politiker, der den Leuten nur gut
zuredet” zu erscheinen. Über 15 Millionen Zuschauer verfolgten die Sendung.
Ob die Übung Erfolg
hatte, ist eine offene Frage. Laut ersten Umfragen zeigten sich nur rund 35% der Franzosen von
seinem Auftritt überzeugt, über die Hälfte der Befragten erklärten das
Gegenteil. Zudem ergab eine wenige Tage später veröffentlichte Umfrage, dass 53%
bereit wären, „einer sozialen Bewegung zu folgen”, also bspw. in den Streik
zu treten.
Die enormen Demonstrationen
vom Streik- und Aktionstag der Gewerkschaften am 29.Januar dürften also nicht die letzten
bleiben. Anderthalb bis zwei Millionen Menschen protestierten an jenem Donnerstag in ganz
Frankreich gegen Sarkozys „unsoziale” Politik zur Bewältigung der
Krisenlasten. Die Polizei sprach von 1,08 Millionen Teilnehmenden — keine runde Zahl,
damit es so aussieht, als habe man gerechnet —, die Gewerkschaften ihrerseits von 2,5
Millionen.
Alle acht gewerkschaftlichen
Dachverbände und -zusammenschlüsse in Frankreich, die sich seit Anfang Februar zwei
Mal zusammen gesetzt haben, möchten gemeinsam am 19.März zu einem neuen Streik- und
Aktionstag aufrufen. Spät, sehr spät, finden viele Beobachter und Aktive —
immerhin lässt man damit sechs Wochen ins Land gehen.
Dem Vernehmen nach hatte sich
die größte Gewerkschaft, die „postkommunistische” CGT für einen
Aktionstag schon kurz nach dem „Sozialgipfel” ausgesprochen, zu dem Präsident
Sarkozy die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände am 18.Februar in den Elysée-
Verband einlud. Ohnehin wird von dem „Gipfel” nicht viel erwartet, was das
Schicksal der Lohnabhängigen und Ärmeren verbessern könnte. Aber die an der
Spitze rechtssozialdemokratische und pro-neoliberale CFDT, der zweitstärkste Dachverband,
wollte nicht vor „Mitte März” demonstrieren. Und, ginge es nach dem Willen
der CFDT-Führung, auch noch ohne begleitende Streiks.
Unterdessen halten einige sehr
starke soziale Mobilisierungen den Kessel unter Druck. So wird die französische
Karibikinsel Guadeloupe seit dem 20.Januar durch einen Generalstreik in Atem gehalten. Die
Bevölkerung fordert u.a. eine wirksame Armutsbekämpfung, die Anhebung des
Mindestlohns und eine Aufstockung aller Niedriglöhne um 200 Euro. Inzwischen hat der
Generalstreik auch auf die andere französische Antilleninsel, La Martinique,
übergegriffen, und ab dem 5.März wird auch in La Réunion, einem
französischen „Überseebezirk” im Indischen Ozean, zum Generalstreik
aufgerufen.
Auch die Hochschullehrer sind
seit nunmehr fast einem Monat im Ausstand. Ihnen droht eine Verlängerung der
Arbeitszeiten (bis zur Verdreifachung ihrer Unterrichtszeit auf Kosten ihrer
Forschungstätigkeit), über die die Universitätspräsidenten der Regierung
zufolge relativ willkürlich entscheiden können sollen. Seit Anfang Februar begleitet
und unterstützt sie nun ein Studierendenstreik.
Warme Zeiten also für die
Regierung der sozialen Kälte.
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