SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2009, Seite 20

Ralf Hoffrogge: Richard Müller. - Der Mann hinter der Novemberrevolution

Berlin: Karl Dietz, 2008, 233 S., 16,90 Euro

von Peter Nowak

Geschichte ist auch in der Linken oft eine Abfolge berühmter Männer und weniger Frauen. In diesen Kreis ist Richard Müller nicht vorgedrungen. Dabei spielte er als Vorsitzender der Revolutionären Obleute in der Novemberrevolution eine zentrale Rolle. Für kurze Zeit war er nominell sogar als Vorsitzender des Rats der Volksbeauftragten Staatsoberhaupt im nachrevolutionären Deutschland. Doch selbst ausgewiesene Kenner der Geschichte der Arbeiterbewegung wie der Marburger Politologe Wolfgang Abendroth schrieb über Müller: „Dann verlieren sich seine Spuren in der Geschichte."
Der Berliner Historiker Ralf Hoffrogge hat Müller und die Revolutionären Obleute dem Vergessen entrissen. Er hat Müllers Werdegang beschrieben, angefangen von seinen ersten Aktivitäten als junger Gewerkschafter, wo er sich im Selbststudium zum Tarifexperten weiterbildete. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges entwickelte er sich zum linken Arbeiteraktivisten und geriet damit in Opposition zur Führung seiner Metallarbeitergewerkschaft, die sich noch vor der Mehrheits-SPD auf den Burgfrieden verständigt hatte. Den Prozess der Radikalisierung beschreibt Hoffrogge sehr detailliert.
Die Revolutionären Obleute, die in den wichtigsten Berliner Betrieben gut verankert waren, könnte man ideologisch am ehesten als rätesozialistisch einordnen. Obwohl sie mit der USPD, die zum Sammelbecken der kriegsgegnerischen Sozialdemokraten geworden war, im engen Kontakt standen und Müller sogar als deren Reichstagskandidat aufgestellt worden war, betonten die Obleute ihre Unabhängigkeit. Das galt auch für den Spartakusbund, der am linken Rand der USPD stand und sich spätestens nach der Oktoberrevolution auf die Bildung einer kommunistischen Organisation vorbereitete.
Wie im Buch beschrieben wird, scheinen neben taktischen Differenzen auch persönlichen Animositäten zwischen Müller und Liebknecht die Zusammenarbeit erschwert zu haben. Das war für die Entwicklung der jungen revolutionären Bewegung eine Tragödie. Denn durch die Zusammenarbeit der Mehrheits-SPD mit den gerade gestürzten Mächten und die Aufstellung der Freikorps wurden alle Kräfte, die die Revolution weiter treiben wollten, kriminalisiert. Das zeigte sich bei den in der Geschichte noch immer fälschlich als Spartakusaufstand firmierenden Abwehrkämpfen der Berliner Arbeiter im Januar 1919. Am Ende waren neben Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auch Tausende namenlose Arbeiter ermordet worden. Das Wüten der Freikorps ging weiter, wie Hoffrogge darlegt. Im März 1919 wurden sie gegen eine landesweite Streikbewegung eingesetzt und am 13.Februar 1920 richteten sie ein Blutbad an, als Tausende Arbeiter vor dem Reichstag für eine reale Arbeitermitbestimmung demonstrierten. Die Soldaten schossen in die unbewaffnete Menge, töteten 42 Demonstranten und verletzten Hunderte.
Hoffrogge beschreibt Müllers kurzzeitige Aktivitäten als Gewerkschaftsverantwortlicher der KPD und widmet sich seinen Schriften über die „reine Rätedemokratie” und die Geschichte der Novemberrevolution. Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag zur Rekonstruktion einer linken Geschichtsschreibung, was uns nicht nur aus historischen Gründen interessieren sollte.


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang