SoZ - Sozialistische Zeitung |
Ein Hinweis in Duisburg-Hamborn auf die Kampagne „Boykott,
Desinvestition, Sanktionen” des Weltsozialforums gegen Israel verursacht einen Skandal,
der Wellen bis ins Karl-Liebknecht-Haus nach Berlin schlägt.
Die Waz meuchelt deswegen
einen OB-Kandidaten der Linkspartei und keines von deren Bundesgremien versteht sich zu einer
Solidaritätserklärung.
Die Tatwaffe: Die
Antisemitismuskeule.
Währenddessen gehen in
London 100000 Menschen gegen den Krieg in Gaza auf die Straße, ebenso in Istanbul, ebenso
in Rom. In London startet ein Lkw-Konvoi mit Gütern für Gaza im Wert von mehreren
Millionen Pfund Sterling, der auf seiner Route durch Frankreich, Spanien und Nordafrika
ausdrücklich in historisch aufgeladenen Orten wie Guernica Station macht. In Brüssel
wird ein hochkarätiges Internationales Russell-Tribunal gegen die Kriegsverbrechen
Israels und dessen fortgesetzte Hinwegsetzung über das Völkerrecht und Missachtung
der Menschenrechte einberufen. Überall auf der Welt löst Israels Verhalten
große Empörung aus — nur in Deutschland duckt sich die Linke und leistet sich
die Haltung: „In diesem Krieg ist es das Beste, wenn man keine Partei ergreift."
Diese Haltung findet sich
nicht nur in der Partei DIE LINKE; sie findet sich auch bei „linksradikalen”
Strömungen, die sich Antikapitalismus, Antimilitarismus und Antirassismus in großen
Lettern auf die Fahne schreiben.
Wer schweigt, stimmt zu. Krieg
kennt keine Neutralität; wer sich ihm nicht entgegenstellt, lässt ihn geschehen.
Macht sich mitschuldig an Mord und Kriegsverbrechen. Am Mitläufertum ihrer Eltern, am
Wegducken vor dem Judenmord und den Kriegsverbrechen Nazideutschlands hat sich 68 eine
ganze Generation politisiert: „Warum habt ihr damals geschwiegen?” Jetzt entdeckt
die Linke die Tugenden des Wegschauens. Was ist da passiert?
Der Druck auf die Linke, sich
jeder Israelkritik zu enthalten, ist groß. In verschiedenen Städten der BRD gab es
im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen den Gazakrieg Bestrebungen, sie zu verbieten,
wenn sich auch nur ein Transparent ähnlich drastisch gegenüber Israel
äußerte, wie die Vietnamdemonstrationen der 60er und 70er Jahre gegenüber den
USA. In den meisten Fällen bildeten Deutsche auf diesen Demonstrationen eine
verschwindende Minderheit.
Der Verweis auf die
verbrecherische Politik Israels gegenüber den Palästinensern kann dabei oft gar kein
Umdenken bewirken, weil sofort geantwortet wird: Eine grundsätzliche Kritik am kolonialen
Charakter des Staates Israel und daran, dass er nur existieren kann, wenn er die
Palästinenser vertreibt und vernichtet, ist Antisemitismus.
"Antizionimus =
Antisemitismus": Dieses Gift haben große Teile der deutschen Linken geschluckt.
Wer streut dieses Gift und
warum? Gestreut wurde es sei Anbeginn der BRD namentlich von Israelfreunden wie Axel
Cäsar Springer und seiner Presse. Die haben verstanden, dass reichlich
Wiedergutmachungsgelder und privilegierte Beziehungen zum Kolonialstaat Israel für
Deutschland, das den Krieg verloren hatte und international völlig isoliert war, die
Chance war, außenpolitisch wieder rehabilitiert zu werden. Seit Anfang der 50er Jahre hat
noch jede (west-)deutsche Bundesregierung versucht, sich seiner historischen Schuld
gegenüber den Juden dadurch zu entledigen, dass sie Israel materiell und militärisch
aufrüstete.
Juden wurden gleichgesetzt mit
Israel. Nicht großzügige Entschädigungszahlungen an die Opfer des Holocaust und
ihre Nachkommen standen im Mittelpunkt der „Bewältigung der deutschen
Schuld”, sondern die guten Beziehungen zum israelischen Staat, und das hieß aus
deutscher Sicht: die Gewinnung von außenpolitischem Spielraum.
Das Nachvollziehen der US-
amerikanischen Geopolitik war in den 50er Jahren das Tor zur Wiederbewaffnung, und ist seit
den 90er Jahren der Türöffner dafür, dass Deutschland wieder Krieg führen
darf. So ist das „Bekenntnis zu Israel” Teil der deutschen Staatsräson
geworden, und die ist darauf ausgerichtet, dass Deutschland wieder eine Militärmacht von
internationalem Rang wird.
Die Anerkennung dieser
Staatsräson widerspricht allen antimilitaristischen und antirassistischen Grundlagen
linker Politik.
Im außenpolitischen
Kalkül sind die Juden hinter Israel verschwunden, die Menschen hinter dem Staat. Deswegen
wird Antizionismus mit Antisemitismus gleichgesetzt. Wer diese Gleichung in Frage stellt,
greift ein Fundament der Bundesrepublik Deutschland an.
Eine Linke, die den
imperialistischen Charakter Deutschlands versteht und bekämpft, macht sich von dieser
Gleichung frei. Wenn sie freilich, wie das Forum Demokratischer Sozialisten und manch andere
noch in der LINKEN nach Regierungsbeteiligung strebt, gehört diese Art „Bekenntnis
zu Israel” zu den Stöckchen, über die sie springen muss, um
„regierungsfähig” zu sein.
Es ist kein Zufall, dass Gysis
Rede zum 60.Jahrstag der Gründung Israels nicht nur ein solches Bekenntnis eingefordert,
sondern zugleich den Antiimperialismus für obsolet erklärt hat.
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