SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2009, Seite 06

Tarifpolitik bei Ver.di

Fette Forderungen, magere Ergebnisse

von Helmut Born

Mit Forderungen nach 8% bzw. 8,5 % mehr Lohn ist Ver.di in die diesjährigen Tarifrunden bei den Ländern und bei der Telekom gegangen. Das Ergebnis ist mehr als mager.
Für die relativ hohen Forderungen gab es gute Gründe: Die Entwicklung der Einkommen der Beschäftigten war in den letzten Jahren mäßig bis schlecht, was das zu geführt hat, dass Deutschland bei Vergleichen innerhalb der EU auf dem letzten Platz gelandet ist. Außerdem wurde sowohl im öffentlichen Dienst wie auch bei der Telekom die Arbeitszeit unentgeltlich verlängert.
Nun ist Ver.di die Gewerkschaft, die am lautesten darüber klagt, dass stagnierende bis rückläufige Einkommen die Binnenkonjunktur schwächen, andererseits aber — mit wenigen Ausnahmen — Tarifabschlüsse getätigt hat, die zu Lohnsenkungen und Arbeitszeitverlängerung geführt haben.
Liegt dies nur daran, dass in neoliberalen Zeiten mit nachfrageorientierter Politik kein Blumentopf zu gewinnen ist? Oder liegt es einfach an der fehlenden Konfliktbereitschaft der Ver.di-Führung?
Die Beschäftigten haben oft genug gezeigt, dass sie bereit sind, für ihre Forderungen zu kämpfen. Das war bei den letzten Tarifrunden im öffentlichen Dienst, bei der Telekom und auch bei der Post zu sehen.
Auch jetzt wieder bei der Tarifrunde der Länder gab es zusammen mit der Polizeigewerkschaft, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und dem Deutschen Beamtenbund eine gute Mobilisierung und Streikbeteiligung.
Jetzt gibt es bei den Ländern wie bei der Telekom einen Abschluss, der weit hinter den Forderung zurückbleibt. Beide Abschlüsse haben eine Laufzeit von 24 Monaten. Im Bereich der Länder gab es folgendes Ergebnis:
— für Januar und Februar 2009 eine einmalige Zahlung von 40 Euro;
— ab März 2009 eine Vorweganhebung von 40 Euro und 3% mehr;
— ab März 2010 eine „Erhöhung” um 1,2%, auch für Azubis;
— Azubis bekommen ab dem 1.3.09 60 Euro mehr;
— ab dem 1.1.2010 steigen die Einkommen im Osten auf 100%.
Ver.di errechnet eine Gesamterhöhung von 5,8% über die gesamte Laufzeit. Demnach wäre das Ergebnis für dieses Jahr mit 4,6% zu veranschlagen. Allerdings schlagen die 40 Euro Vorweganhebung je nach Tarifgruppe unterschiedlich zu Buche.
Für die unteren Lohn- und Gehaltsgruppen dürfte es etwas mehr, für die oberen etwas weniger sein. Warum dann aber für nächstes Jahr nur eine Minierhöhung vereinbart wurde, dürfte wohl das Geheimnis der Verhandlungsführer bleiben.
Noch etwas weniger über die gesamte Laufzeit von 24 Monaten kam nach einer Schlichtung bei der Telekom heraus. Für dieses Jahr wurden 3%, für nächstes Jahr noch einmal 2,5% vereinbart. Demnach wurde gerade ein gutes Drittel der ursprünglichen Forderung (8,5%) durchgesetzt. Und dies obwohl die Telekom im letzten Jahr ihren Profit um 160% steigern konnte.
Beide Ergebnisse wurden erzielt, ohne dass es Urabstimmungen und ernsthafte Streiks gegeben hätte. Es drängt sich der Verdacht auf, dass im Superwahljahr 2009 die Tarifrunden schnell abgehakt werden sollten, damit Ruhe im Land herrscht. Leider sind damit wieder einmal die Interessen der abhängig Beschäftigten der Staatsräson zum Opfer gefallen.


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