SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2009, Seite 19

Was heißt und was ist BDS?

Ziele und Aktionsformen der internationalen Kampagne für den Boykott Israels

Die drei Wochen dauernde blutige Offensive Israels gegen Gaza, bei der über 1300 Palästinenser getötet und mehrere tausend verletzt wurden, hat der BDS-Kampagne international einen ungeahnten Aufschwung verliehen. Die nachstehend aufgeführten Beispiele zeigen, dass sie nichts zu tun hat mit den antisemitischen Aktionen der Nazis, die sich gegen jüdische Ladenbesitzer richteten. Die Kampagne richtet sich nicht einmal generell gegen israelische wirtschaftliche Aktivitäten. Vielmehr zielt sie speziell auf solche multinationalen Konzerne und Institutionen, die entweder in Israel die Besatzung unterstützen, oder mit israelischen Firmen und Institutionen zusammenarbeiten, die vom Krieg gegen die Palästinenser profitieren.

BDS heißt auf englisch Boycott, Disinvestment [= Investitionsstopp] and Sanctions. Zu einer Kampagne mit diesen drei Aktionsformen riefen im Jahr 2005 170 palästinensische Zivilorganisationen auf. Die Initiative ging vom Christlichen Verein Junger Männer in Ostjerusalem und vom Christlichen Verein Junger Frauen Palästinas aus.

Der Aufruf

"Ein Jahr nach der historischen Empfehlenden Stellungnahme des Internationalen Gerichtshofs, dass der israelische Mauerbau auf palästinensischem Gebiet illegal ist, baut Israel die Kolonialmauer weiter und setzt sich ungerührt über den Beschluss des Gerichtshofs hinweg. 38 Jahre nach Israels Besetzung des Westjordanlands (inkl. Jerusalems), des Gazastreifens und der syrischen Golanhöhen setzt Israel auch den Bau jüdischer Siedlungen fort. Es hat Ostjerusalem und die Golanhöhen einseitig annektiert und annektiert derzeit durch den Bau der Mauer faktisch große Teile der Westbank. 57 Jahre, nachdem der Staat Israel hauptsächlich auf Land errichtet wurde, das ethnisch von Palästinensern gesäubert wurde, besteht die Mehrzahl der Palästinenser aus Flüchtlingen, die meisten von ihnen sind staatenlos. Israels System der rassischen Diskriminierung gegen seine eigenen arabisch-palästinensischen Bürger ist ungebrochen.— In Anbetracht Israels anhaltender Völkerrechtsverletzungen;
— der Hunderte von Resolutionen, die seit 1948 Israels koloniale und diskriminierende Politik verurteilen;
— weil alle Formen der internationalen Intervention und Friedensprozesse bislang gescheitert sind;
— und weil weltweit Menschen mit Gewissen die moralische Verpflichtung auf sich genommen haben, Unrecht zu bekämpfen, wie sich am Kampf zur Beseitigung der Apartheid in Südafrika gezeigt hat;
— ermutigt durch den Kampf der Südafrikaner gegen Apartheid
rufen wir, Vertreter der palästinensischen Zivilgesellschaft, Menschen und Organisationen in der ganzen Welt dazu auf, gegen Israel ähnliche Aktionen des Boykotts und des Investitionsstopps gegen Israel zu entfalten wie die gegen Südafrika unter der Apartheid.
Wir rufen euch auf, Druck auf eure Staaten auszuüben, damit sie ein Embargo und Sanktionen gegen Israel verhängen.
Wir laden auch Israelis ein, dem Aufruf zu folgen, damit es Gerechtigkeit und Frieden gibt.
Diese gewaltfreien Strafaktionen sollen solange aufrechterhalten werden, bis Israel seine Pflicht erfüllt und das unveräußerliche Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung anerkennt und das Völkerrecht respektiert, indem es:
— die Besetzung und Kolonisierung arabischen Landes beendet und die Mauer niederreißt;
— das Recht der arabisch-palästinensischen Bürger Israels auf volle Gleichstellung anerkennt;
— das Rechte der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr in ihre Häuser und auf ihr Land anerkennt, wie es die UN-Resolution 194 fordert."
Quelle: www.jai-pal.org.

Was und wie kann man boykottieren?

Wissenschaftlich-kultureller Boykott

— An US-amerikanischen Universitäten fordert die Organisation Students for a Democratic Society (SDS), dass ihre Universität keine Firmen beschäftigt, die „vom Krieg profitieren"; sie organisiert Spendensammlungen und „akademische Hilfe” für Gaza und Stipendien für palästinensische Studenten; an der New York University sammelt sie für den Wiederaufbau der Islamischen Universität in Gaza, die von Israel zerbombt wurde.
— Eine Gruppe „Lehrer gegen die Besatzung” an der Universität Minnesota entwickelt pädagogisches Material für Mittel- und Oberstufen.
— 30 Aktive haben vor einer Aufführung der israelischen Tanzgruppe Batsheva Dance Company an der Musikakademie von Brooklyn das Publikum aufgeklärt, welche Beziehungen die Company zum Apartheidstaat unterhält, und dazu aufgerufen, die Veranstaltung zu boykottieren. Sie wollen, dass solche kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen boykottiert werden, die die Verbrechen Israels an den Palästinensern nicht offen anprangern.
— Am 4.März konnte die BDS-Kampagne einen großen Erfolg erzielen, als die britische Regierung bestätigte, sie werde von der Gesellschaft Africa-Israel Investments keinen Büroraum für ihre Vertretung in Tel Aviv mieten; das Unternehmen baut illegale jüdische Siedlungen in der Westbank. Es gehört dem israelischen Milliardär Lev Leviev, der seit 2007 Zielscheibe von Boykottkampagnen ist.
— Gewerkschaftlich organisierte Hochschullehrer in Ontario, Kanada, haben dazu aufgerufen, alle Forschung zu boykottieren, die dem israelischen Militär zugute kommt, und die Beziehungen zwischen kanadischen Universitäten und Israel genau unter die Lupe zu nehmen; einzelne israelische Wissenschaftler sollen nicht boykottiert werden.
— Mehrere Dutzend französische Wissenschaftler haben sich verpflichtet, jegliche Zusammenarbeit mit israelischen Institutionen einzustellen, die an der Besatzung beteiligt sind. Zu den Unterzeichnern gehören u.a. Etienne Balibar, Daniel Bensaïd, Mireille Fanon-Mendès- France, Alan Joxe, Hubert Krivine, Catherine Samary.
In einigen Fällen ist es proisraelischen Personen und Organisationen gelungen, antizionistische Aktionen an US- Universitäten verbieten zu lassen bzw. antizionistischen Dozenten den Mund zu verbieten. Ein prominenter Fall ist Joel Kovel, ein US-amerikanischer Psychoanalytiker, Professor der Anthropologie und Ökosozialist, Mitglied der Green Party. Er war ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil er ein Buch geschrieben hat mit dem Titel „Den Zionismus überwinden” Er lehrte bis Ende letzten Jahres am Bard College, Massachusetts, bis sein Lehrauftrag auf Betreiben von Prof. Bruce Chilton, einem Zionisten und Unterstützer des Gazakriegs, nicht mehr verlängert wurde. Ähnliches geschah im Juni 2007 dem bekannten Israel-Kritiker Norman G. Finkelstein, dessen Berufung auf einen Lehrstuhl der DePaul University aufgrund von Verleumdungen und Zitatfälschungen seitens des Harvard- Professors und Israel-Propagandisten Alan Dershowitz verhindert wurde (siehe www.steinbergrecherche.com/08dershowitz.htm).

Boykott von Waren und Konzernen

— Schülerinnen und Schüler des Lajee-Zentrums in Bethlehem haben gefordert, dass keine israelischen Waren mehr angeboten werden. Die Handelskammer der Stadt Tulkarem am Rande der Westbank hat im Februar den Totalboykott israelischer Waren erklärt. Die palästinensische Produktion soll dadurch gefördert werden. Palästina ist der zweitgrößte Abnehmer israelischer Waren; es importiert jährlich für 2,6 Mrd. US-Dollar Produkte aus Israel.
— Im australischen Sydney ruft die BDS-Kampagne zum Boykott der Schokoladenfirma Max Brenner Chocolates auf, die zu 100% der israelischen Strauss-Gruppe gehört — das ist der zweitgrößte israelische Nahrungsmittelkonzern.
— Eine Nahrungsmittelkooperative in Brooklyn, New York, die 15000 Mitglieder zählt, will keine Nahrungsmittel aus Israel mehr beziehen. 55 Menschenrechtsanwälte aus New York haben dazu aufgerufen, den israelischen Diamantenmogul und Siedlungsbauer Lev Leviev zu boykottieren. Seit 2007 finden vor seinem Juwelierladen auf der Madison Avenue Demonstrationen statt.
— Studenten der Universität Qatar (eines der Arabischen Emirate) haben eine internationale Kampagne initiiert, die Produkte von US-amerikanischen und westlichen Konzernen zu boykottieren, die Israel unterstützen. Dazu gehört an vorderster Stelle Starbucks Coffee, aber auch Caterpillar, United Technologies, General Electric, ITT Corporation, Motorola und Terex; sie alle profitieren von Israels Krieg.
— In England richtet sich der Boykott gegen Carmel-Agrexco, einem israelischen Großexporteur von Obst und Gemüse; es sind aber auch alle großen Supermarktketten und Warenhäuser wie Marks & Spencer betroffen, die mit Israel Geschäfte machen, ebenso die Barlays Bank.
Ähnliche Initiativen gibt es in der Türkei und auf Mauritius.

Boykott von Sportveranstaltungen

Am 7.März 2009 demonstrierten 7000 Menschen (darunter führende Politiker der schwedischen Linkspartei) in Malmö gegen die Tennis-Daviscup-Begegnung zwischen Schweden und Israel; bei der Sportveranstaltung wurden keine Zuschauer zugelassen. Für einen Boykott Israels hatte sich auch Malmös sozialdemokratischer Bürgermeister Ilmar Reepalu ausgesprochen.

Disinvestment

Die Church of England hat ihre Anteile an Caterpillar in Höhe von 2,5 Mio. Pfund Sterling abgegeben. Caterpillar ist beteiligt am Bau von israelischen Massenvernichtungswaffen.

Zu den hier aufgeführten Fakten findet man noch sehr viel mehr Beispiele auf www.bdsmovement.net. Datenmaterial zur Frage „Wer profitiert von Israels Besatzung?” findet sich auf www.whoprofits.org.


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