SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2009, Seite 02

Bailout jobs,

not banks!

von Angela Klein

Die Demonstrationen gegen die Krise wurden in Deutschland (am 28.3.) — anders als in Paris und in Rom — gegen den Willen der Gewerkschaftsführungen angeschoben, von einem Bündnis, das von der Partei DIE LINKE bis einigen Gruppen der Interventionistischen Linken reichte. Das war in leicht veränderter Zusammensetzung die Fortsetzung des Bündnisses vom 1.November 2003, diesmal mit einem allerdings sehr reduzierten Gewicht der Erwerbslosenbewegung.
Durch die Gewerkschaften geht eine tiefe Spaltung. Sie ist ein großes Hindernis für die gemeinsame Abwehr der Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung. Sie ist aber auch Ausdruck dessen, dass viele Mitglieder sich mit der Untätigkeit und Konzeptionslosigkeit der Gewerkschaftsführungen nicht länger abfinden wollen — dafür ist zuviel Feuer unterm Arsch.
Dass die SPD die Gewerkschaften wieder umwirbt und dafür auch wieder ein bisschen mehr links blinkt, ist verständlich; sie muss ihre Erosion stoppen. Dass die Gewerkschaften darauf eingehen, vor allem die IG Metall, ist es nicht. Es gibt keinen Grund, Steinbrück zum Retter der Nation hochzujubeln. Er und sein Team, mit Jörg Asmussen an der Spitze, sind politisch verantwortlich für das Debakel: sie haben großenteils die Gesetze zur Deregulierung der Finanzmärkte durch den Bundestag gebracht, die ihnen die Banken diktiert haben. Jetzt treten die Diebe als Retter in der Not auf — um uns ein zweites Mal zu bestehlen, diesmal noch gründlicher.
Dabei handeln sie wie selbstherrliche Fürsten: Vor der Öffentlichkeit wird der wirkliche Zustand des deutschen Finanzwesens geheim gehalten, aber sie soll die Zeche zahlen.
Wie hoch die Rechnung sein wird, werden wir wahrscheinlich erst nach der Bundestagswahl erfahren, Hartz V liegt schon in der Schublade, und die Ankündigung einer „Schuldenbremse” durch den Finanzminister kann nichts anderes bedeuten, als dass dann wieder die Sozialkassen her halten müssen.

Die Gewerkschaftsführungen beten das Märchen von den bösen Bankern nach, die allein das ganze Debakel verursacht hätten. Sie setzen darauf, dass Steinbrück die Finanzlöcher stopft und dass es dann mit der Wirtschaft wieder aufwärts geht.
Es wird aber noch lange abwärts gehen. Denn das, was gerne „Gier” genannt wird, ist kein Persönlichkeitsdefekt einzelner Manager, es ist schlicht eine Überproduktion von Krediten. Die Banker haben da nicht anders gehandelt als die Autobauer auch: Auch die haben auf Halde produziert und versucht, per Rabattschlachten die Überschüsse in einen übersättigten Automarkt zu drücken. Und so war es in anderen Branchen auch. Die Banker haben nur dafür gesorgt, dass — auf Pump — eine Nachfrage geschaffen wurde. Die Überschuldung der privaten Haushalte war gewollt, sie war sogar notwendig, um die Produktion am Laufen zu halten. Hätte es sie nicht gegeben, hätte es 2003 keinen Aufschwung gegeben.
Die Rettungskonzepte für die Banken gehen an diese Ursachen nicht ran; sie verfolgen nur das Ziel, durch eine gigantische Überschuldung der Staatshaushalte das Kreditkarussell erneut in Gang zu bringen — und damit die nächste Überproduktion anzukurbeln, bis der nächste Krach kommt. Der ließe sich dann nicht mehr mit Rettungs- und Konjunkturprogrammen abfedern.
Die Industriegewerkschaften und viele Betriebsräte vor allem in der Automobilindustrie gehen diesen Weg mit. Sie setzen darauf, dass ein todkranker Gaul noch einmal mit Drogen vollgepumpt wird, damit er noch ein Stückchen weiter läuft. Sie suchen den Schulterschluss mit den Arbeitgebern und zerbrechen sich den Kopf darüber, wie „ihr Betrieb” den gnadenlosen Wettlauf, wer am Ende übrig bleibt, gewinnen kann — auf Kosten der Belegschaften, die in einen ruinösen Wettbewerb um Lohnverzicht und schlechtere Arbeitsbedingungen getrieben werden. Gedankt werden wird es ihnen nicht.
Es verliert dabei aber auch die Umwelt — die Klimaziele der G20 scheinen nur noch Lippenbekenntnisse zu sein; und es verlieren die Menschen in den Ländern des Südens, deren Ökonomien vom IWF so ausgerichtet wurden, dass sie unsere überschüssige Produktion abnehmen und die Exportorientierung der deutschen Wirtschaft stützen.

Dieser Weg führt uns nur noch tiefer in die Krise.

Am 16.Mai, auf dem Europäischen Aktionstag, den der Europäische Gewerkschaftsbund beschlossen hat und der in Berlin, Brüssel, Prag und Madrid stattfinden wird, muss dies mit Transparenten, Flugblättern, eigenen Blöcken und möglichst auch Rednern sehr deutlich gemacht werden. Für die Möglichkeit, einen halbwegs positiven Ausweg aus der Krise zu finden, ist es von entscheidender Bedeutung, in den Gewerkschaften eine Mehrheit für eine Kampfstrategie gegen die Krise zu finden, die sich verbindet mit einer Wende zu einer ökologischen, sozialen und solidarischen Wirtschaft.
Als Motto für eine längerfristige Aktionsperspektive könnte das Bündnis, das die Demonstrationen vom 28.März getragen hat, sich vielleicht an eine Parole aus den Demonstrationen an der Wall Street anlehnen: „Bailout jobs, not banks!” Rettet die Arbeitsplätze, nicht die Banken.
Der Kampf um die Arbeitsplätze steht jetzt im Mittelpunkt: Unbefristete Verlängerung des Kurzarbeitergelds, nicht Verlängerung von ALG I! Verlängerung von ALG I heißt, man hat sich mit der Kündigung schon abgefunden.
Damit kann die Zeit überbrückt werden, die man braucht, um den Übergang zu einer Industrieproduktion auf nichtfossiler Energiebasis einzuleiten. Darauf muss sich die Kreditpolitik konzentrieren, nicht auf Abwrackprämien!
Und es muss Druck gemacht werden, dass es darüber eine öffentliche Debatte gibt. Denn das jetzige Führungspersonal hat abgewirtschaftet; dem fällt nichts Neues ein. Dazu muss die Beteiligung der Beschäftigten und Bürger eingefordert werden.


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