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Für die Staats- und Regierungschefs ist das Wichtigste am G20-Gipfel,
dass er stattgefunden hat. Eine gemeinsame Linie zur Bewältigung der Krise ist nicht in Sicht.
Das Hauptziel des G20-Gipfels war, eine
Spaltung zwischen den Ländern mit einem Exportüberschuss, wie China, Japan und der BRD, und
Ländern mit einem Handelsbilanzdefizit, wie die USA und Großbritannien, zu vermeiden. Vor dem
Treffen hatten Merkel und Sarkozy eine Krisenanalyse vorgetragen, die die Verantwortung für die Krise
auf den schuldenbasierten, spekulativen „angelsächsischen” Kapitalismus abschob; sie hatten
sich skeptisch gegenüber britischen und US-amerikanischen Plänen geäußert, die
Wirtschaft durch Steigerung der Nachfrage anzukurbeln. Sarkozy hatte in seinen Äußerungen sogar
erkennen lassen, er wolle die einheimische Industrie privilegieren und evtl. protektionistische
Maßnahmen unterstützen.
Ein zentrales Anliegen des Gipfels war
deshalb, die Zunahme solcher Differenzen zu stoppen und Frankreich und Deutschland zu einer gemeinsamen
Haltung zu bewegen. Das wurde weitgehend erreicht und ist, zusammen mit einigen ermutigenden
Wirtschaftsdaten in den Tagen nach dem Gipfel, der Grund dafür, warum die Aktienkurse wieder angezogen
haben.
Das wichtigste Ereignis in der
Vorbereitungsphase des Gipfels war die Unterstützung des japanischen Premierministers für ein
weiteres Konjunkturprogramm. Damit war die Einheitsfront der Überschussländer am Ende; im
Anschluss daran folgte während des Gipfels die Übereinkunft zwischen den USA und China. Diese
beiden Schritte ließe das deutsch-französische Paar isoliert zurück und zwang sie, der
allgemeinen Erklärung zuzustimmen.
Die Kosten dieses Agreements sind jedoch
hoch für alle, die mehr Geld in den globalen Wirtschaftskreislauf pumpen wollen. Es soll kein weiteres
Konjunkturprogramm geben. Die Gesamthöhe der auf dem Gipfel in Aussicht gestellten neuen Ausgaben liegt
näher bei 300 Mrd. Dollar als bei den 1,1 Billionen, von denen Gordon Brown spricht. Zwei Drittel davon
bestehen in sog. Sonderziehungsrechten des IWF. Sie teilen sich auf nach den Stimmanteilen, die ein Mitglied
im IWF hat; das bedeutet, dass 44% dieser Summe sich auf die G7 verteilen.
Viele Beschlüsse über die
Finanzierung von Exporten stellen nichts anderes als eine Umverteilung von Mitteln aus anderen
Haushaltsposten dar; und ein großer Teil der Extraausgaben für den IWF wurde entweder bereits im
Vorfeld angekündigt oder ist vorübergehend und von Abmachungen abhängig, die in den
nachfolgenden Monaten noch zu treffen sein werden.
Der Gipfel hat großen Nachdruck auf den
Freihandel mit all seinen Ungleichheiten gelegt. Dabei ist selbst auf praktischer Ebene längst nicht
klar, dass der Zusammenbruch des internationalen Handels dem Mangel an seiner Finanzierung geschuldet ist
— das Problem ist eher die Verknappung der Nachfrage durch die Rezession. Es ist auch wahrscheinlich,
dass der IWF seine gestiegene Bedeutung dazu nutzen wird, den Schuldnern dieselben Bedingungen
aufzubürden wie in den letzten zwei Jahrzehnten. Ein Beispiel dafür ist Lettland. Der IWF hat
weitere Kreditzahlungen an das Land unterbrochen, bis es nicht drastische Ausgabenkürzungen vornimmt;
dabei wird die lettische Wirtschaft in diesem Jahr voraussichtlich um 12% sinken. Die neue Regierung hat die
Minister gebeten, Vorschläge zu unterbreiten, wie 20, 30 oder auch 40% der geplanten Ausgaben bis Mitte
April eingespart werden können — um den Forderungen des IWF nachzukommen.
Der Gipfel scheiterte völlig an der
Aufgabe, substanzielle Schritte zur Bekämpfung des Klimawandels zu beschließen; ökologische
Fragen wurden ans Ende verschoben und nur höchst vage behandelt. Es ist schnell klar geworden, wie
gering der Prozentsatz der Ausgaben ist, die in Großbritannien und in den USA für grüne
Initiativen ausgegeben werden.
Das größte Problem, das sich
für das globale Kapital aus dem Gipfel ergibt, ist dass es keine Selbstverpflichtung der
Überschussländer gegeben hat, ihre Binnennachfrage zu steigern, damit die Weltwirtschaft wieder
ins Gleichgewicht kommt. Die bisher von Japan, China und Deutschland in Aussicht gestellten
Ausgabenprogramme scheinen alles zu sein, was angeboten wird. Zusammen mit den Ausgaben der USA und
Großbritanniens mag das ausreichen für einen schwachen Aufschwung Ende des Jahres; diese
Perspektive ist es, die die Märkte wieder beflügelt hat. Aber sie reicht keinesfalls aus, die
Krise dauerhaft zu lösen. Der Überhang von akkumuliertem, keinen Profit bringenden Kapital bleibt
ebenso bestehen wie die Ungleichgewichte in den Ausgaben innerhalb und zwischen den Ländern. Angesichts
dessen verschaffen die auf dem Gipfel beschlossenen Maßnahmen nur eine kurze Atempause vor dem
nächsten Abschwung.
(Übersetzung: Angela Klein)
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