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Hat sich die Tschechische Regierung bewährt? Das fragen sich die
Tschechen seit der Übernahme der EU-Präsidentschaft Anfang des Jahres.
Viele fühlten sich zunächst
geehrt, besonders da die Medien Tag für Tag versuchten, die Öffentlichkeit davon zu
überzeugen, dass jetzt ein kleines Land — auch stellvertretend für andere kleinere EU-
Mitglieder — sein Bestes tun solle, um den Großen zu beweisen, dass es ihnen ebenbürtig ist.
Dazu gab es auch Gelegenheit: Israels Invasion in Gaza war im vollen Gange, bald danach stritten Russland
und die Ukraine über die Gaslieferungen.
In Bezug auf Israel gelang das nicht; beim
Gasstreit, den der tschechische Premier zunächst als rein wirtschaftliches Problem ansah, das der Markt
regeln sollte, gelang es ihm, zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln. Für kurze Zeit schien
die Tschechische Republik eines der wichtigsten EU-Länder zu sein. Doch dann kam die Krise.
Eigentlich waren es zwei Krisen — erst
die Wirtschafts-, dann die Regierungskrise. Mit der ersten wusste die Regierung nicht umzugehen. Ihr
Finanzminister sagte noch im September ein Wirtschaftswachstum von 4,8% für 2009 voraus, die
Ökonomen der Nationalbank nur 3,5%. Mittlerweile sieht es nach einem Abschwung von 1,3—2% aus.
Ministerpräsident Mirek Topolánek folgte nur seiner neoliberalen Überzeugung und warnte vor
der Gefahr des Protektionismus. Seine Fähigkeiten als EU-Vorsitzender waren im besten Fall die eines
Managers.
Am 26.März verlor die Regierung von
Mirek Topolánek das Vertrauensvotum in der Abgeordnetenkammer. Mit Hilfe der KP, zwei Abtrünnigen
der Partei des Ministerpräsidenten und zwei der Grünen schafften es die Sozialdemokraten beim
fünften Versuch, eine neue Regierung zu bilden.
Politisch ist es zum großen Teil der
scheidenden Regierung zu verdanken, dass die Parteienlandschaft zerklüftet erscheint. Neben der ODS
(der Bürgerlich-Demokratischen Partei) gab es zwei kleine Koalitionsparteien, die Christlichen
Demokraten und die Grünen. Die Koalitionspolitik Topoláneks hat jedoch nicht nur eine Spaltung
unter den Grünen und einen tiefen Riss innerhalb der Christdemokraten verursacht, sie machte auch alle
drei bei den Wählern unbeliebt. Steuerpolitik für die Reichen und Sozialabbau für die
ärmeren Schichten nutzte den Sozialdemokraten. Auf dem letzten Kongress der ODS gab
Staatspräsident Václav Klaus übrigens feierlich seinen Austritt aus der Partei bekannt.
Nicht viel anders war es mit der
Außenpolitik. Stark und ausgesprochen proamerikanisch, steuerte die Regierung zwar nicht so
offensichtlich gegen die EU wie der Präsident Václav Klaus, doch beim Lissabon-Vertrag zeigte sich
ihre zweideutige Linie. Nach langem Hin und Her, und nachdem die ODS, die bis zu den Wahlen im letzten
Herbst im Senat die Mehrheit hatte, den Vertrag abgelehnt und ihre Abgeordneten verpflichtet hatte, nur
unter bestimmten Bedingungen für den Vertrag zu stimmen, blieb die Vorlage im Abgeordnetenhaus stecken.
Die Abstimmung über die Ratifizierung des Vertrags ist für Mai vorgesehen. Im Moment scheint es
wahrscheinlich, dass er angenommen wird - obwohl einige Senatoren prüfen wollen, ob er
verfassungskonform ist. Nebenbei bemerkt: Dass sich die zwei großen Parteien, ODS und die
Sozialdemokraten, trotz aller Feindseligkeit so schnell auf eine Übergangsregierung nach dem Sturz von
Topolánek verständigen konnten, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass beide fürchteten, der
Euroskeptiker Klaus werde im Falle einer weiteren Verzögerung seinen Einfluss nutzen, um den Vertrag
womöglich durch Abstimmung zu Fall zu bringen.
Auch ohne die sich vertiefende
Wirtschaftskrise erscheint den meisten die tschechische EU-Präsidentschaft jetzt als erfolglos, die
Lage verschlechtert sich mit oder ohne Zutun der Regierenden, sogar die ODS-Sympathisanten sind mit der
Politik — die ja bisher meistens von ihrer Partei geführt wurde — nur zu 15% zufrieden.
Worauf wartet man? Die Optimisten auf die Parlamentswahlen im Oktober, Pessimisten sehen im Moment
kurzfristig keinen guten Ausgang.
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