SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2009, Seite 02

Kolumne

Opel ist als Autobetrieb nicht zu retten

von Angela Klein

Staatshilfe für Opel fasst Karl Guttenberg mit spitzen Fingern an. Es ist wider das Marktgesetz, wenn aus politischen Gründen die Vernichtung von Überkapazitäten verhindert werden soll. Wo soll sonst der neue Anlauf herkommen, der anlagesuchendem Kapital verspricht, mit weniger Personal und höherer Arbeitsintensität zu geringeren Löhnen neue Überkapazitäten aufzubauen? Was sonst kann das Rad des Kapitalismus in Gang halten, als der immer erneuerte Kreislauf von Überproduktion und Vernichtung?
Guttenberg tut nicht viel für Opel, nur gerade das Nötigste, damit die Union nicht als Schlächter eines populären Autokonzerns dasteht. Sie kann es sich politisch nicht leisten, vor der Bundestagswahl Opel in der Konkursmasse von GM aufgehen zu lassen. Aber sie will auch so wenig Geld wie möglich dafür in die Hand nehmen.
Deshalb sei ihm bei einem Kurzurlaub in Abu Dhabi — sicher das geeignete Ambiente für die Lösung der deutschen Autokrise — die Idee mit der Treuhand gekommen, sagt Guttenberg. Ein Treuhänder ist eine natürliche oder juristische Person, die über Vermögen und Rechte eines anderen verfügt. Das Treuhand-Modell soll verhindern, dass Gläubiger bei einer Insolvenz von GM Zugriff auf das Vermögen von Opel haben. Die US-Regierung und auch GM müssen es genehmigen, wenn es das amerikanische Insolvenzverfahren überstehen soll.
Dazu musste die Bundesregierung ein Konzept vorlegen, wie es mit Opel weitergehen soll. Doch das Konzept ist nur für Washington; wie es danach umgesetzt wird, wer der Treuhänder sein wird und welche Lösung er letztendlich favorisiert, steht auf einem anderen Blatt. Birgit Breuel hat zur Genüge bewiesen, dass Treuhänder nicht im Interesse der Arbeitnehmer agieren müssen — 20 Jahre nach der Wende sollte man sich daran erinnern. Die Treuhand ist ein Modell, mit dem die Einflussmöglichkeiten der Opelbelegschaften ausgehebelt werden können.
Im Hintergrund aber äußert Guttenberg immer wieder, dass er „eine geordnete Insolvenz von Opel” für die beste Lösung hält.
In der Wirtschaftspresse wird das Modell gefeiert. „Das Treuhandmodell löst das Problem nicht, sondern vertagt es”, schreibt die Financial Times Deutschland am 22.Mai. „Denn wenn es gelingt, die Frage nach einer dauerhaften Lösung für Opel aus dem Wahlkampf herauszuhalten, steigen die Chancen beträchtlich, dass diese ordnungspolitisch und betriebswirtschaftlich einigermaßen erträglich ausfällt. Das politische Gewicht jedes einzelnen Arbeitsplatzes, der in einem Opel-Werk verloren geht, ist vor der Bundestagswahl um ein Vielfaches höher als danach. Man kann deshalb davon ausgehen, dass jegliche Vereinbarung mit einem Privatinvestor zur Zeit unter weit höherem Druck zustande kommt, notwendige Einschnitte zu verhindern ... Im schlimmsten Fall würde Deutschland viel Steuergeld in eine nicht abzuwendende Pleite werfen, im besten Fall einen dank hoher Subventionen starken Konzern schaffen, der (auch deutschen) Wettbewerbern zusetzt. Wenn aus der Bundestagswahl eine schwarz-gelbe Koalition hervorgeht, ist es sogar denkbar, dass der Staat aus der Opel-Nummer wider Erwarten doch noch ganz herauskommt."
Man kann es dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden nicht absprechen: Unermüdlich arbeitet Klaus Franz seit Wochen daran, einen Investor zu finden, der den Opelbetrieb als Automarke weiterführt. Aber: hat das Zukunft? Drei Einwände wären zumindest zu berücksichtigen:
— Den Opelarbeitern werden teure Zugeständnisse abverlangt: Drei Tage unbezahlte Arbeit leisten sie im Mai und Juni — gegen das vage Versprechen, sie sich im Dezember wieder holen zu können; 2500 Arbeitsplätze stehen günstigstenfalls auf dem Spiel; und die Magna-Lösung sieht zudem vor, dass die Opelaner 10% der Anteile übernehmen. Wovon werden die bezahlt? Durch weitere Lohnsenkungen? Opel gilt als Sanierungsfall: Eine Milliarde Euro müssen eingespart werden: Wer ist dafür verantwortlich und wer zahlt die Zeche?
— Haben die Kapitalisten nicht recht, wenn sie sagen: Alles muss raus? Opel ist zuviel, mit seinen 1,1 Mio. produzierten Einheiten zu klein, um auf dem Markt bestehen zu können. Überlebensfähig ist nur, wer mindestens 3—4 Millionen Einheiten produziert.
— Der russische Markt? Russland lebt seit der Wende von der Verscherbelung seines Staatsvermögens und seiner Rohstoffe. Es hat Oligarchen hervorgebracht, keine zahlungskräftige breite Mittelklasse. Die russischen Staatsfinanzen sind von der Krise gebeutelt, die Rohstoffpreise stark gesunken.

Bei aller Notwendigkeit, vorrangig die Arbeitsplätze zu retten: Zweifel sind angebracht, dass die Rettung von Opel als Autobetrieb dafür der richtige Weg ist. Klaus Franz springt zu kurz: Er sucht einen Kapitalisten, der Opel weiter führt, aber das Gesetz des Kapitalismus — Kapitalvernichtung nach Überproduktion — nicht anwendet. Das funktioniert nicht. Für Magna mag sich das Konzept ja rechnen, weil Opel dem Autozulieferer wenigstens zeitweise die Ausfälle von GM und Chrysler ausgleichen kann. Für Opel aber scheint es ein Tod auf Raten zu werden.
Eine Zukunftsperspektive ergibt sich, wenn man den Mut aufbringt, ganz anderes zu denken: Opel nicht als Autobetrieb, sondern als Schlüsselunternehmen für den Aufbau einer energiearmen Mobilität. Allein das Vorhaben, das europäische Eisenbahnschienennetz auf den Stand von 1970 zu bringen, würde 1,5 Millionen Arbeitsplätze schaffen! Das reicht für mehr als eine Autobelegschaft.


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