SoZ - Sozialistische Zeitung |
Einige Jahre war es um den ehemaligen Berliner Finanzsenator Peter Kurth still
geworden. Im Zuge eines erfolgreichen Misstrauensvotums gegen den Diepgen-Senat im Sommer 2001, das die SPD
zusammen mit den Grünen und der damaligen PDS angezettelt hatte, musste auch Peter Kurth (CDU) seinen
Hut nehmen. Er fiel nicht allzu tief und wurde Mitglied im Vorstand der ALBA AG. Dies ist ein privates
Entsorgungsunternehmen, das der landeseigenen Berliner Stadtreinigung (BSR) bei der Müllentsorgung
unter die Arme greift. Ob diese Erfahrung im Bereich der Müllentsorgung bei der Entscheidung der
Kölner CDU, Kurth als Oberbürgermeister-Kandidaten auszuwählen, eine Rolle spielte, weiß
man nicht.
Die Kölner CDU wird in der
nächsten Zeit sicher nicht müde werden, die großen Kompetenzen, Begabungen und
Qualitäten ihres Kandidaten herauszukehren. Einige Aspekte der politischen Biografie ihres Kandidaten
wird sie aber wohl versuchen, tunlichst unter dem Teppich zu halten. Deshalb wollen wir an dieser Stelle den
Teppich etwas anheben und ein paar Dinge in Erinnerung rufen.
Der Grund, warum in Berlin im Sommer 2001
ein Misstrauensvotum gestellt wurde, war der „Berliner Bankenskandal” Damit sind die
Vorgänge um die zum größten Teil landeseigene Bankenholding „Berliner Bankgesellschaft
AG” gemeint, einem typischen Produkt des Berliner Filzes.
Eine Tochterfirma der Bankgesellschaft war
in den 90er Jahren zur Marktführerin im Bereich geschlossener Immobilienfonds aufgestiegen. Diese
Position konnte sie einnehmen, weil sie den Fondszeichnern vollkommen marktunübliche Garantien gab. Das
ganze funktionierte wie ein Schneeballgeschäft: Zur Bedienung der Garantien aus aufgelegten Fonds
mussten, um schnelle und kurzfristige Einnahmen zu erzielen, immer neue und größere Fonds
aufgelegt werden. Hierzu wurden massenweise mittelmäßige und schlechte Immobilien angekauft und in
die Fonds gepackt. Den Zeichnern war das egal, sie bekamen ihre garantierte Rendite, denn wenn die
Immobilien nicht die erwarteten Mieteinnahmen brachten, kam die Bank aus eigener Tasche dafür auf.
Somit blieben alle Risiken aus diesen Geschäften bei der Bank. Auf einmal saß sie auf einem
riesigen Berg von Risiken aus ihren Immobilienfonds und stand deshalb Anfang 2001 kurz vor dem
Zusammenbruch.
Was hat das nun mit Peter Kurth zu tun?
Dieser war einer der höchstrangigsten
Aufseher der Bankenholding. In seiner Zeit als Staatssekretär (1994—1996) vertrat er seine
Dienstherrin, Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), im Aufsichtsrat der Landesbank Berlin, einer
Teilbank der Bankgesellschaft. Als Kurth Fugmann-Heesing auf den Senatorensessel folgte wurde er
vollwertiges Mitglied im Aufsichtsrat der Landesbank und gleichzeitig Mitglied im Aufsichtsrat der
Bankgesellschaft. Dies war er von Anfang 2000 bis Mitte 2001. Was Kurth in seiner Zeit als Aufsichtsrat so
genau trieb ist etwas unklar. Klar ist nur, dass sich Kurth vor dem Untersuchungsausschuss zum Bankenskandal
an die wichtigsten Sachen nicht erinnern konnte. Dass sich im Immobilienfondsgeschäft die Risiken
häuften, will er schon irgendwie mitbekommen haben und rückblickend sei mit diesen auch sicherlich
nicht angemessen umgegangen worden. Aber als Aufsichtsratsmitglied müsse man sich eben auf das
verlassen, was einem gesagt werde. Da könne man nicht allzu tief einwirken.
Solcherlei Ausreden mögen vielleicht
für ein X-beliebiges Aufsichtsratsmitglied in irgendeiner Klitsche angemessen sein. Bei der
Bankgesellschaft handelte es sich jedoch um ein größtenteils landeseigenes Unternehmen, das unter
den verschlafenen Augen von Peter Kurth gegen die Wand gefahren wurde. Und für welches alle
Berlinerinnen und Berliner mit einer vom Nachfolgesenat beschlossenen „Risikoabschirmung” in
einer damals angegebenen Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro löhnen müssen.
Immer wieder ist es so, dass die
alteingesessene Berliner Politkaste nicht auf vorhandene Kräfte zurückgreift, sondern versucht,
mit auswärtigen Kompetenzen zu punkten. Richard von Weizsäcker, Friedbert Pflüger, Annette
Fugmann-Heesing oder Ulrich Nußbaum sind nur einige mehr oder weniger gelungene Beispiele. Dass Berlin
nun seine abservierten Politiker exportiert ist ein neuer, interessanter Aspekt. Mal sehen, was Peter Kurth
in Köln anrichtet.
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
||||
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität |