SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2009, Seite 04

Peter Kurth (CDU) will in Köln Oberbürgermeister werden

Kölscher Klüngel importiert Berliner Filz

von Benedict Ugarte Chacón

Einige Jahre war es um den ehemaligen Berliner Finanzsenator Peter Kurth still geworden. Im Zuge eines erfolgreichen Misstrauensvotums gegen den Diepgen-Senat im Sommer 2001, das die SPD zusammen mit den Grünen und der damaligen PDS angezettelt hatte, musste auch Peter Kurth (CDU) seinen Hut nehmen. Er fiel nicht allzu tief und wurde Mitglied im Vorstand der ALBA AG. Dies ist ein privates Entsorgungsunternehmen, das der landeseigenen Berliner Stadtreinigung (BSR) bei der Müllentsorgung unter die Arme greift. Ob diese Erfahrung im Bereich der Müllentsorgung bei der Entscheidung der Kölner CDU, Kurth als Oberbürgermeister-Kandidaten auszuwählen, eine Rolle spielte, weiß man nicht.
Die Kölner CDU wird in der nächsten Zeit sicher nicht müde werden, die großen Kompetenzen, Begabungen und Qualitäten ihres Kandidaten herauszukehren. Einige Aspekte der politischen Biografie ihres Kandidaten wird sie aber wohl versuchen, tunlichst unter dem Teppich zu halten. Deshalb wollen wir an dieser Stelle den Teppich etwas anheben und ein paar Dinge in Erinnerung rufen.
Der Grund, warum in Berlin im Sommer 2001 ein Misstrauensvotum gestellt wurde, war der „Berliner Bankenskandal” Damit sind die Vorgänge um die zum größten Teil landeseigene Bankenholding „Berliner Bankgesellschaft AG” gemeint, einem typischen Produkt des Berliner Filzes.
Eine Tochterfirma der Bankgesellschaft war in den 90er Jahren zur Marktführerin im Bereich geschlossener Immobilienfonds aufgestiegen. Diese Position konnte sie einnehmen, weil sie den Fondszeichnern vollkommen marktunübliche Garantien gab. Das ganze funktionierte wie ein Schneeballgeschäft: Zur Bedienung der Garantien aus aufgelegten Fonds mussten, um schnelle und kurzfristige Einnahmen zu erzielen, immer neue und größere Fonds aufgelegt werden. Hierzu wurden massenweise mittelmäßige und schlechte Immobilien angekauft und in die Fonds gepackt. Den Zeichnern war das egal, sie bekamen ihre garantierte Rendite, denn wenn die Immobilien nicht die erwarteten Mieteinnahmen brachten, kam die Bank aus eigener Tasche dafür auf. Somit blieben alle Risiken aus diesen Geschäften bei der Bank. Auf einmal saß sie auf einem riesigen Berg von Risiken aus ihren Immobilienfonds und stand deshalb Anfang 2001 kurz vor dem Zusammenbruch.
Was hat das nun mit Peter Kurth zu tun?
Dieser war einer der höchstrangigsten Aufseher der Bankenholding. In seiner Zeit als Staatssekretär (1994—1996) vertrat er seine Dienstherrin, Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD), im Aufsichtsrat der Landesbank Berlin, einer Teilbank der Bankgesellschaft. Als Kurth Fugmann-Heesing auf den Senatorensessel folgte wurde er vollwertiges Mitglied im Aufsichtsrat der Landesbank und gleichzeitig Mitglied im Aufsichtsrat der Bankgesellschaft. Dies war er von Anfang 2000 bis Mitte 2001. Was Kurth in seiner Zeit als Aufsichtsrat so genau trieb ist etwas unklar. Klar ist nur, dass sich Kurth vor dem Untersuchungsausschuss zum Bankenskandal an die wichtigsten Sachen nicht erinnern konnte. Dass sich im Immobilienfondsgeschäft die Risiken häuften, will er schon irgendwie mitbekommen haben und rückblickend sei mit diesen auch sicherlich nicht angemessen umgegangen worden. Aber als Aufsichtsratsmitglied müsse man sich eben auf das verlassen, was einem gesagt werde. Da könne man nicht allzu tief einwirken.
Solcherlei Ausreden mögen vielleicht für ein X-beliebiges Aufsichtsratsmitglied in irgendeiner Klitsche angemessen sein. Bei der Bankgesellschaft handelte es sich jedoch um ein größtenteils landeseigenes Unternehmen, das unter den verschlafenen Augen von Peter Kurth gegen die Wand gefahren wurde. Und für welches alle Berlinerinnen und Berliner mit einer vom Nachfolgesenat beschlossenen „Risikoabschirmung” in einer damals angegebenen Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro löhnen müssen.
Immer wieder ist es so, dass die alteingesessene Berliner Politkaste nicht auf vorhandene Kräfte zurückgreift, sondern versucht, mit auswärtigen Kompetenzen zu punkten. Richard von Weizsäcker, Friedbert Pflüger, Annette Fugmann-Heesing oder Ulrich Nußbaum sind nur einige mehr oder weniger gelungene Beispiele. Dass Berlin nun seine abservierten Politiker exportiert ist ein neuer, interessanter Aspekt. Mal sehen, was Peter Kurth in Köln anrichtet.


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