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In einem großen Block haben Mitglieder der Ver.di-Jugend am 16.Mai in
Berlin den Kapitalismus symbolisch zu Grabe getragen und sich als „reif für die nächste
Gesellschaft” geoutet. Dies war insofern erstaunlich, als bisher die Lust zu linksradikalen
Provokationen und Bekenntnisritualen hier keine besondere Heimstatt hatte. Eine von der IG Metall in Auftrag
gegebene und im April veröffentlichte Studie zur persönlichen Lage und den Zukunftserwartungen der
jungen Generation weist nämlich in eine andere Richtung.
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass die bis
zu 35-Jährigen besonders von prekären Arbeitsverhältnissen betroffen sind und
überwiegend pessimistisch in die Zukunft schauen. Die Jugend sei motiviert, werde jedoch, so die
Autoren der Studie, durch ihre Arbeits- und Lebensbedingungen ausgebremst.
31% der jungen Generation befinde sich in
prekärer Beschäftigung. Bei der Vergleichsgruppe der über 35-Jährigen ist dies nur zu
13% der Fall. Besonders unzufrieden mit ihrer Situation sind Teilzeitbeschäftigte (43%) und
Leiharbeiter (51%), wobei die Jugendlichen im Osten aufgrund des größeren Umfangs prekärer
Beschäftigung noch deutlicher mit ihrer Lage hadern. Jeder dritte junge Arbeitnehmer findet keinen
Ausbildungsplatz, der den Neigungen entspricht, und mehr als jeder Vierte war nach Abschluss der beruflichen
Ausbildung länger als sechs Monate arbeitslos. 37% mussten in ihrem bisherigen Arbeitsleben ungewollt
den Arbeitsplatz wechseln. Sechsmal häufiger als ihre älteren Kollegen machten die Jungen
Erfahrungen mit betriebsbedingten Kündigungen.
"Ungewollter Arbeitsplatzwechsel und
wiederkehrende Phasen der Arbeitslosigkeit drohen die Norm zu werden. Die sogenannte normale
Erwerbsbiografie ist für einen erheblichen Teil bereits jetzt unerreichbar”, resümieren die
Autoren der TNS-Infratest-Studie. Die beiden Erfahrungen treffen Hauptschulabsolventen viermal so stark wie
Abiturienten.
Mehr als die Hälfte (53%) kommen zum
Ergebnis, dass sich ihre Möglichkeiten, einen guten Arbeitsplatz zu bekommen, verschlechtert haben.
Fast eben so viele begreifen ihre Situation als ungerecht. Zwar schauen noch 60% mit Zuversicht in die
persönliche Zukunft, doch vier von fünf Jugendlichen schauen gleichzeitig mit Sorge auf die
gesellschaftliche Entwicklung. Der Vergleichsgruppe der Älteren ist der Optimismus mehrheitlich schon
vergangen. Nur 42% sehen ihre persönliche Zukunft positiv. Ihr Blick auf das zu erwartende Los der
Jungen fällt noch deutlich negativer aus. Nur 6% glauben daran, dass es die Jungen einmal besser haben
werden. 54% sind der Meinung, dass hier eine Generation heranwächst, die erstmals nach dem Krieg
schlechter gestellt sein wird als die Eltern.
Die Veränderung der realen
Verhältnisse im neoliberalen Kapitalismus scheint mehr denn je in den Köpfen angekommen zu sein:
„Die Existenz einer breiten Mittelschicht wird generations- und schichtübergreifend angezweifelt,
zumal selbst die Befragten zu einer Oben-unten-Einschätzung neigen, die sich als Gewinner sehen. Das
Gefühl, in einer sozial polarisierten Gesellschaft zu leben, dominiert über die sozialen Schichten
hinweg und entspricht der Lebensrealität vieler Menschen. Jung und Alt sind vereint in ihrer
Enttäuschung über die Verhältnisse, in denen wir leben”, schlussfolgern die
Wissenschaftler.
Eine Gewerkschaftspolitik, die auf eine
Hinnahme oder bloße Milderung dieser sozialen Polarisierung orientiert, dürfte in Zukunft
zunehmende Akzeptanzprobleme bekommen.
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