SoZ - Sozialistische Zeitung |
Die Kündigung der streikenden Kaisers-Kassiererin Emmely unter dem
Vorwand, sie habe 1,30 Euro Flaschenpfand unterschlagen, hat im Februar/März zu einem
unüberhörbaren Blätterrauschen und damit verbunden zu einem immensen Imageschaden für
die Lebensmittelkette Kaisers geführt. Seitdem ist die Kündigung von Emmely zum Fall und der
Fall zum Symbol und Synonym für eine aus dem Gleichgewicht geratene soziale Ordnung geworden.
Vor allem Politiker verweisen auf die
Kassiererin und ihre Kündigung, um ihrer Volksnähe unter Beweis zu stellen; sie alle betonen eine
Dimension sozialer (Un-)Gerechtigkeit: Nach 31 Betriebsjahren bekommt sie die Kündigung wegen 1,30,
während die Verursacher der Krise Millionenboni einstreichen. Damit finden sie Anklang beim Volk und
schieben den Fall gleichzeitig derart ins Allgemeine, dass die Frage nach Konsequenzen gar nicht mehr
aufkommt.
Nicht so das Komitee „Solidarität
mit Emmely": Nach Emmelys Niederlage vor dem Landesarbeitsgericht ist es gleichzeitig in drei Richtungen
aktiv.
Jeden Freitag ab 17 Uhr werden
Flugblätter vor der Filiale Warschauer Str./Ecke Revaler Str. verteilt, bzw. finden dort Aktionen
statt. Dazu kommen unregelmäßige Aktionen vor anderen Filialen in Berlin, zuletzt ein „Fest
der Solidarität” zusammen mit dem Bund der Migrantinnen in Deutschland und der FAU vor der
Filiale im Wrangelkiez. In Hamburg hat das dortige Sozialbündnis, in Lübeck die Basta-linke-jugend
Aktionen vor Supermärkten durchgeführt. Solche Aktionen sind einfach durchzuführen und
treffen überall auf breite Zustimmung.
Emmely hat Verfassungsbeschwerde vor dem
Bundesverfassungsgericht eingelegt und Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem
Bundesarbeitsgericht eingereicht. In beiden Verfahren werden „innerjuristische” Kämpfe
ausgetragen, die mit ihrem sozialen Anlass nur noch vermittelt zu tun haben und in einer kaum
nachvollziehbaren Fachsprache geführt werden. Gleichzeitig werden beide Verfahren im günstigsten
Fall jeweils Jahre dauern — nur die kommentarlose Ablehnung könnte etwas schneller gehen. Hier
bedarf es aufklärender Öffentlichkeitsarbeit.
Das Komitee hat deshalb beim Bundestag eine
Petition für eine Bagatellgrenze bei Kündigungen und für die Pflicht zum Nachweis der
Vorwürfe bei verhaltensbedingten Kündigungen eingereicht.
Emmlys Kündigung hat dazu geführt, dass breit über völlig einseitig die Unternehmen
bevorzugende Aspekte der deutschen Arbeitsrechtsprechung diskutiert wird. Das sind in diesem Fall die
Verdachtskündigung, bei der oft faktisch die gekündigte Beschäftigte ihre Unschuld beweisen
muss, und der Umstand, dass speziell bei Kündigungen, denen der Vorwurf eines Eigentumsdelikts zugrunde
liegt, keine Bagatellgrenze gilt. In beiden Fällen handelt es sich (vor allem in Kombination) um
Sonderkündigungsrechte von Unternehmen gegen Beschäftigte, die so unbequem sind, dass man sie
unbedingt loswerden will: aktive Betriebsräte, Gewerkschafterinnen oder
„Rädelsführer”
Gerade jetzt, in der Krise, bedarf der
Widerstand gegen Massenentlassungen solcher Aktivisten. Die Linke muss sich überlegen, was sie dazu
beitragen kann, sie in den Betrieben besser zu schützen. Ein Weg ist, diese arbeitsrechtlichen
Instrumente abzuschaffen oder wenigstens unbrauchbarer zu machen. Im Moment sind wegen dem Medienecho auf
Emmelys Kündigung die Stimmung dafür und breite Informiertheit da. Zwei Drittel der
Bevölkerung halten das Urteil gegen Emmely für ungerecht. Dazu kommt, dass sich zumindest die
beiden großen Parteien im Superwahljahr sozial geben müssen. Diese Situation will das Komitee
„Solidarität mit Emmely” nutzen, um mit der Petition den Druck zur Änderung der
Rechtsprechung zu erhöhen.
Wenn überhaupt, kann das Ziel nur
erreicht werden, wenn die Petition bekannter wird. Dazu hat das Komitee „Solidarität mit
Emmely” eine Kampagnen-WebSite eingerichtet: http://1euro30.de. Dort kann man sich in einen Newsletter
eintragen, um Infos zu bekommen, und die Unterschriftenliste herunterladen, um Unterschriften zu sammeln.
Aller Erfahrung nach erntet man beim Unterschriften sammeln ganz überwiegend positives Echo. In den
Betrieben kann die Aktion genutzt werden, um die Diskussion auf die Notwendigkeit zu lenken, Aktivistinnen
zu schützen. Unterschriften helfen der Petition jetzt am meisten. Das Solikomitee ist zu erreichen
unter mail@emmely.org.
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