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Herr Middelhoff ist einer von denen, die Arcandors
Konzernvermögen veruntreut haben — 4 Mrd. Euro allein aus dem Verkauf von
Immobilien — und den Konzern mit 280 Mio. Euro in die Miesen wirtschafteten. Dafür
droht mehreren tausend Beschäftigten jetzt der Verlust des Arbeitsplatzes.
Das Bankhaus Sal. Oppenheim,
einer der Hauptaktionäre von Arcandor, interessiert sich dafür wenig. Für die
größte deutsche Privatbank, die ihren Sitz nach Luxemburg verlegt hat, um Steuern zu
sparen, ist der Verlust aus dem Arcandor-Engagement (167 Mio. Euro) „absolut
verkraftbar” Kein Wunder, hat doch Sal.Oppenheim aus dem Treiben von Middelhoff gutes
Kapital geschlagen: Ihr Geschäftspartner, Josef Esch, hat die Immobilien nämlich von
Arcandor gekauft und für jede einzelne von ihnen zusammen mit Oppenheim einen
geschlossenen Immobilienfonds aufgelegt und die Karstadt-Häuser „zu
außergewöhnlich hohen Preisen” an das Warenhaus zurückvermietet.
Fondszeichner sind u.a.
Middelhoff, Gesellschafter von Sal.Oppenheim und Frau Schickedanz von Quelle, die lauthals
darüber klagt, wieviele Milliarden sie bei Arcandor verloren hat. Sie ist zu einem
Drittel an der Oppenheim-Esch-Managementgesellschaft beteiligt, die den Fonds betreibt.
Die Immobiliengeschäfte
haben Karstadt ruiniert: 20% der Warenhausumsätze wurden für die Mieten kassiert.
Aktionäre und Management verdienten doppelt und dreifach: als Aktionäre von
Karstadt, als Fondsanleger und als Vermieter.
Middelhoffs Nachfolger Eick
ist Teil der Mischpoke: Er muss sich wegen Insolvenzverschleppung vor Gericht verantworten.
Auch ihm tut das nicht weh: Sein Fünfjahresvertrag sieht vor, dass er auch bei
früherem Ausscheiden „voll ausbezahlt” wird — das sind 10 Mio. Euro,
plus „variable Einnahmen” Den Vertrag garantiert Sal.Oppenheim.
Im Krisenjahr 2008
schütteten die Dax-30-Konzerne an die Aktionäre 22,5 Mrd. Euro Dividende aus —
die dritthöchste Ausschüttung in der 20-jährigen Dax-Geschichte. 45,4% der
Nettoprofite wurden an die Aktionäre weiter gereicht. Manche Konzerne haben 2008 die
Dividende erhöht, obwohl ihre Gewinne zurückgingen. Einige zahlten die Dividende
sogar aus der Substanz — so die Allianz, die durch Spekulationen ihrer früheren
Tochter Dresdner Bank 2,44 Mrd. Euro Verlust gemacht hat; aber auch die Post und die Deutsche
Bank.
Das Diktat der Aktionäre
ist ungebrochen. Ebenso die Selbstbedienungsmentalität des oberen Managements und die
Spekulationslust. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art.14 (2) GG setzt einen Staat
voraus, der diesem Treiben Einhalt gebietet und darüber wacht, dass das Eigentum
(öffentlich oder privat) dem Wohl der Allgemeinheit dient. Das tut der deutsche Staat
aber nicht (mehr). Wie sein Handeln im Falle der IKB, der HRE und der Landesbanken zeigt,
stellt er sich blind und taub, entschärft seine Kontrollorgane gegenüber den
Finanzinstituten und prostituiert sich gegenüber privaten Interessen. „Private
Wirtschaftsprüfer machen die Kontrolle und private Kanzleien machen die Gesetze”,
schreibt Benedict Ugarte-Chacón. Dieselben Wirtschaftsprüfer, die dem Staat die
Gesetze diktieren, prüfen auch die Banken (vor und nach dem Krach) und fädeln selber
Bankenzusammenschlüsse ein.
Dieser Staat ist zur
Pfründe privater Kapitalinteressen geworden — ein Prozess der Re-Feudalisierung.
Das sollte man sorgfältig bedenken, wenn man die „Verstaatlichung” von Banken
oder Konzernen fordert. Ob eine Verstaatlichung den Kapitalisten nützt oder den
Beschäftigten, hängt vom Charakter des Staates ab.
Banken unter öffentliche
Kontrolle und Betriebe in Arbeitnehmerhand können das Dilemma umgehen, wenn Formen der
öffentlichen Kontrolle geschaffen werden, die die Öffentlichkeit und die
Beschäftigten effektiv beteiligen — u.a. indem die Geschäftsbücher offen
gelegt werden. Bei einer Verstaatlichung muss mehr herauskommen als eine neue Form der
Kungelei zwischen öffentlicher Hand, Betriebsräten und Privatunternehmern, wie sie
jetzt bei bestimmten Banken und Konzernen praktiziert wird.
Dass Betriebsräte
gefährdeter Betriebe auf höchster Ebene mit Regierungsvertretern und Managern
verhandeln, dass sie gemeinsam mit „ihren” Unternehmern demonstrieren, um den
Staat für eine Bürgschaft oder einen Kredit zu erwärmen, gibt den Belegschaften
keine eigene Handlungsperspektive an die Hand. Angesichts der Finanzlage mancher
Aktionäre und der Machenschaften hoch bezahlter Manager wäre es besser, den
Beschäftigten würde der Geduldsfaden reißen und sie arbeiteten auf die
Enteignung der verantwortungslosen Aktionäre hin.
Ende August sind
Kommunalwahlen in NRW und im September Bundestagswahlen. DIE LINKE hat jetzt die Chance, einen
Wahlkampf zu führen, der die Menschen aufrüttelt und ihnen eine Handlungsperspektive
zeigt. Kein Wahlkampf, der hilflos und passiv Forderungen stellt, sondern einer, der sich an
die Wählenden richtet, was sie machen können, damit sie zu ihrem Recht kommen.
Betriebsbesetzungen und Generalstreik sollten dabei eine Rolle spielen. Und keine Angst vor
dem Vorwurf des Populismus — so etwas kann die Wählerschaft nur aus ihrem (bislang
leider berechtigten) Desinteresse reißen...
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