SoZ - Sozialistische Zeitung |
Rund 250000 Schülerinnen, Schüler und Studierende
haben in der vergangenen Woche an den Bildungsprotesten teilgenommen. Das ist eine ganze
Menge. Sicherlich gibt es in der Zusammensetzung der Aktiven und Demonstrierenden
beträchtliche örtliche Unterschiede. In vielen Städten ist es aber gerade an
den Universitäten weniger gut gelungen, breit zu mobilisieren. Studiendruck, wenig Zeit
und ein gewisser Mangel an einer realistischen politischen Perspektive mögen dazu
beigetragen haben. Einerseits.
Andererseits heißt das
auch: 250000 sind gegen die neuen Zumutungen auf die Straße gegangen. Der Proteststoff
ist ein gefühlter Zustand — ein Zustand, der viele Studierende unglücklich
macht, stresst und verunsichert. Es waren deshalb auch nicht ganz konkrete Ziele, sondern das
Bildungssystem und die Studienstrukturen insgesamt, die den Unmut der Studierenden weckten. Es
ging um die „Gesamtscheiße” wie es auf einer Vollversammlung hieß. Oder
eben darum, dass es zu viel Arbeit und zuwenig Schlaf gibt an deutschen Hochschulen.
Dieser Druck führt aber
nicht automatisch zu Kritik und breitem Protest. In einem Workshop während der
Bildungsstreikwoche outete sich eine Teilnehmerin: „Ich konnte nicht demonstrieren, ich
krieg zu wenig Schlaf wegen der Abgabetermine.” Das ist paradox. Und so sind die
Reaktionen auf den Studienalltag insgesamt sehr widersprüchlich. Da gibt es jene, die
sich eine Zulassungsbeschränkung wünschen, um nicht soviel Konkurrenz aushalten zu
müssen; andere arbeiten umso fleißiger. Nicht zu unterschätzen ist der Teil,
der versucht, sich irgendwie durchzuschlagen, nicht wenige bleiben dabei auf der Strecke.
Andere bilden den Kern der jüngsten Protestaktionen, die kritische Masse. Die ist gar
nicht so klein. Zu erreichen gilt es allerdings die anderen. Diejenigen, die versuchen, durch
Fleiß und Ellbogen zu bestehen.
Der Bildungsstreik war ein
guter Anfang, und 250000 machen Mut. Streikevents und linke Kampagnen allein werden den durch
Druck, Wettbewerb und Auslese geprägten Unialltag jedoch nicht aufbrechen. Dazu braucht
es mehr.
Mit welcher Politik das
erreicht werden kann, bleibt nun einer breiteren Debatte übrig zu klären. Zu
Pessimismus gibt es keinen Anlass. Ein möglicher Weg für den SDS: Weniger Kampagnen-
und Kongressarbeit, dafür eine intensivere Arbeit in Fachschaften und im Aufbau
studentischer Gruppen, die sich mit den Alltagsproblemen auseinandersetzen. Architektinnen,
die nur drei Stunden die Nacht schlafen können — und das über Wochen —
werden durch einen generellen Bildungsstreik vielleicht weniger mobilisiert, als durch
Kommilitoninnen, die sich gegen das dichte Zeitregime, die vielen Arbeitsproben usw.
einsetzen. Als sozialistischer Studierendenverband soll man das eine tun und das andere nicht
lassen. Der Frust an den Hochschulen ist groß, er muss „nur” politisch
artikulierbar werden.
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