SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2009, Seite 21

Mit Geld wird die Linke gespalten

Über das Treiben der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Polen

Wenn Vertreter der Polnischen Partei der Arbeit (PPP) nach Deutschland eingeladen werden, gibt es immer wieder Störmanöver von polnischer Seite. Am 22.April kam der Chefredakteur der polnischen Gewerkschaftszeitung Trybuna Robotnicza, Dariusz Zalega, nach Stuttgart zu einer Veranstaltung über „Krise und Gegenwehr” Eingeladen hatten ihn die Partei DIE LINKE, die Rosa Luxemburg Stiftung (RLS) und Attac Stuttgart. Im Vorfeld versuchte Attac Polen, die Veranstaltung zu verhindern. Angela Klein sprach für die SoZ mit Norbert Kollenda über die Hintergründe.

An wen hat sich Attac Polen mit diesem Ansinnen gewandt und mit welcher Begründung?

Attac Polen hat ein Schreiben an den Koordinierungsrat von Attac Deutschland gerichtet, das auch über die ostdeutschen Listen und über die internationale Attac-Liste ging. Angeblich würde Attac Polen dadurch geschadet.

Wie kommt Attac Polen dazu?

Attac Polen hat 2007 einen Schwenk vollzogen und sich voll auf die RLS in Polen eingelassen. Bis dahin waren die Vorsitzende von Attac Polen (Ewa Ziólkowska) und ihr Stellvertreter (Piotr Kawiorski) nämlich Mitglieder der Polnischen Partei der Arbeit (PPP) gewesen. Sie sind dann aber aus der PPP ausgetreten, um voll in den Genuss der Möglichkeiten der RLS zu kommen. Die RLS bekämpft die PPP.Noch im Jahr davor, also 2006, hatte die RLS eine Tagung von Attac Polen, an der die RLS beteiligt war, trotz Zusage finanziell nicht unterstützt.

Bis wann war die Attac-Spitze denn Mitglied in der PPP?

Bis Juni 2007; die beiden waren sogar sehr aktiv in der PPP gewesen. Frau Ziólkowska hat damals für die PPP am Regionalwahlkampf in Kielce teilgenommen und hoffte auf einen Sitz oder zumindest einen Job bei der Partei; die PPP verfehlte jedoch die notwendigen 5% knapp. Der Büroleiter der RLS in Warschau, Holger Politt, beklagte sich, ihr Stellvertreter, Herr Kawiorski, habe im T-Shirt von Attac Werbung für die PPP gemacht.
Die Wende kam im Juni 2007. Da gab es in Rostock ein „zufälliges” Treffen der Attac-Vorsitzenden mit einer Mitarbeiterin der RLS in Warschau in sehr herzlicher Atmosphäre. Attac Polen wurde versprochen, die RLS würde Tagungen von Attac „in einem entsprechenden Ambiente” rundum finanzieren.

Was du schilderst erweckt den Eindruck, dass das Führungsduo von Attac Polen sich aus Geldgründen von der PPP abgewandt und der RLS zugewandt hat. Kann man das so zugespitzt sagen?

Das kann man so sagen. Die finanzielle Unterstützung durch die Gewerkschaft August 80, die mit der PPP verbunden ist, war ja nicht so üppig, dass sie Tagungen in großzügiger Umgebung ermöglicht hätte — da fielen die Tagungen eher ärmlich aus.

Offenkundig hat die RLS ihre Haltung gegenüber Attac Polen geändert und versucht, sie einzukaufen. Warum dieser Gesinnungswandel?

Genau weiß ich das nicht. Ich frage mich, ob das nicht etwas damit zu tun hat, dass die beiden Vorsitzenden bei der PPP aktiv waren; vielleicht wollten sie da einen Keil reinschlagen. Die PPP hat auch wiederholt versucht, linke Parteien und Gruppierungen — z.B. zu den Wahlen — an einen Tisch zu bekommen, allerdings ohne Erfolg.
Problematisch für Attac Polen war nicht so sehr ihr Austritt aus der PPP, sondern die Aufkündigung ihrer Mitarbeit im „Komitee zur Unterstützung und Verteidigung der unterdrückten Arbeiter” (KPiORP). Dieses Komitee ist hervorgegangen aus einem Bündnis von Vertretern aus etwa 20 Städten, bei dem soziale Bewegungen und linke Gruppen mitmachen; es hat für seine Arbeit die Räume von August 80 in Anspruch genommen. Die RLS behauptet, damit habe sich August 80 eine „Vormachtstellung” verschafft.
Gegen den Austritt haben seinerzeit Mitglieder in Attac protestiert — etwa ein Dutzend aktive Mitglieder wurden deshalb ausgeschlossen, sodass nur noch eine Handvoll Leute in Attac Polen übrig geblieben sind. Dabei hatte diese Gruppe mal aktive Mitglieder und Gruppen in Oberschlesien, Wróclaw, Poznan, Warschau...

nDas sieht danach aus, als habe die RLS in Polen zumindest zeitweise eine gezielte Politik der Schwächung der PPP unternommen?
Es gibt ein Papier der RLS über die linken Parteien in Europa, darin ist auch ein Beitrag von Holger Politt über die Linke in Polen. Er lobt die (postkommunistische) SLD und verliert keinen einzigen kritischen Ton über ihre liberale Politik während ihrer Regierungszeit; dabei hat die SLD polnische Soldaten in den Irakkrieg geschickt. Der PPP aber wirft er vor, sie sei NATO-feindlich, weil sie gegen den Krieg in Irak war.

Politt unterstellt der PPP gleichzeitig Sympathien für Radio Marya und ein Fischen im konservativen Wählerpotenzial; er wirft ihr „strikten Antikapitalismus” und „strikte Ablehnung” der EU und der NATO vor. Er behandelt sie auch nicht als eine linke Partei. Gleichzeitig sagt er, die PPP ist unbedeutend, sie habe auf parlamentarischer Ebene keine Chance. Fühlt sich denn die RLS durch die PPP herausgefordert?

Die RLS unterstützt einige linke Parteien, darunter die jungen Sozialisten, das ist eine Art Kaderschmiede, von der kritische Stimmen in Polen sagen: es ist die von Politt. Herausforderung oder nicht, ich finde es schrecklich, dass die RLS zwar einerseits Linken in Polen die Möglichkeit gibt, zu veröffentlichen, an Konferenzen teilzunehmen u.ä., gleichzeitig aber die Linken spaltet, indem sie all diejenigen ausschließt, die mit der PPP Kontakt haben oder gar zu ihr gehören. Die werden kurzfristig von Konferenzen ausgeladen, weil die Veranstalter von der RLS unter Druck gesetzt wurden. Wenn ich mit kritischen Leuten darüber spreche, bekomme ich immer wieder zu hören: Leite unsere Kritik aber ja nicht an die RLS weiter, sonst bekommen wir keine finanzielle Unterstützung mehr für Projekte...

Ist das eine Marotte von Politt, oder wird diese Linie auch von Deutschland aus unterstützt?

Das kann ich nicht beurteilen. Aber seine Stelle ist jetzt routinemäßig neu ausgeschrieben; da geht ein Aufatmen durch die betroffenen Kreise und man hofft, dass die Stelle künftig von jemandem besetzt werden wird, die oder der die Linke zusammen führt und nicht entzweit.

Norbert Kollenda war von 2004 bei Attac Deutschland für die Kontakte zu Attac Polen und zu den sozialen Bewegungen in Polen zuständig. Attac Polen ernannte ihn zu ihrem Beauftragten in Deutschland. Er trat im Sommer 2007 aus Attac Polen aus, nachdem die Vorsitzende ihn aufgefordert hatte, eine Stellungnahme im Namen von Attac Polen zu veröffentlichen, die nicht den Tatsachen entsprach.


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