SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2009, Seite 06

Eine leichte Linkswende

Betrachtungen zum Ausgang der Landtagswahlen vom 30.8.2009

von Angela Klein

Bei der vorliegenden Analyse der Landtagswahlen gehen wir bewusst nicht davon aus, wie das Wahlergebnis sich auf die institutionelle Präsenz der Parteien auswirkt, sondern davon, wie sich ihr Rückhalt in der Bevölkerung verändert hat. Rückschlüsse auf die Bundestagswahl können daraus nicht gezogen werden.

1Die Landtagswahlen vom 30.August 2009 drücken eine Linkswende aus. Schwarz-gelb kann theoretisch in zwei Bundesländern durch Rot-Rot- Grün abgelöst werden und dadurch auch die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat kippen. Es gibt in Teilen der Republik eine Mehrheit links von CDU/ FDP, die sich jedoch, den bisherigen Umfragen nach zu urteilen, in dieser Bundestagswahl noch nicht manifestieren wird.

2Die Hauptverliererin der Wahl ist die CDU, sogar in Sachsen hat sie leicht verloren. Die meisten Stimmen hat die CDU an die FDP verloren; an zweiter Stelle an die Nichtwähler; dann an die SPD (in Thüringen) bzw. die LINKE (an der Saar).

3Im Saarland und in Thüringen drückt die Wahl klar den Willen zur Abwahl des jeweiligen CDU-Ministerpräsidenten und zum Regierungswechsel aus. Davon profitierte auch die Wahlbeteiligung, die gegenüber der Landtagswahl 2004 in diesen beiden Bundesländern gestiegen ist und vor allem der LINKEN, den Grünen, der FDP und in Thüringen auch der SPD zugute gekommen ist. In Sachsen, wo die LINKE verloren hat und die SPD stagniert, ist die Zahl der Nichtwähler nochmals gestiegen.

4Die SPD stagniert. Die FDP hat ihren Zuwachs vornehmlich der CDU zu verdanken, in zweiter Linie den Nichtwählern und an dritter Stelle der NPD. Bemerkenswert ist, dass es nirgends einen Wähleraustausch zwischen FDP und Grünen gegeben hat. Die Grünen haben als einzige Partei nirgendwo Stimmen von der NPD bekommen.
5Die Grünen haben an der Saar und in Thüringen vor allem Nichtwähler mobilisiert; in Thüringen gewannen sie auch einen hohen Anteil von der CDU. In Sachsen hingegen, wo sie leicht zugelegt haben, haben sie ihre Stimmen hauptsächlich von der LINKEN und der SPD geholt.

6An der Saar und in Sachsen ist die NPD spektakulär eingebrochen — obwohl ihre Rivalen (DVU und REPs) diesmal keine Konkurrenz für sie waren. Dem steht ihr Zuwachs in Thüringen entgegen. Eine genauere Analyse der Ergebnisse der extremen Rechten steht noch aus.

7Die Ergebnisse der LINKEN waren sehr unterschiedlich, sehr abhängig von ihrer Landespolitik und dem Profil des Spitzenkandidaten. Nur im Saarland konnte die LINKE in hohem Maße Nichtwählerinnen mobilisieren (43000; die SPD nur 14000, alle anderen Parteien weit dahinter). In Thüringen waren es nur 9000 (die CDU: 16000), und in Sachsen hat die LINKE sogar 40000 Stimmen an die Nichtwähler verloren.

8Nur im Saarland ist das Ergebnis der LINKEN wirklich positiv (herausragend): Hier hat sie von allen Parteien per Saldo Stimmen bekommen und keine abgegeben: insgesamt rund 96000 von 113660. 43000 Stimmen kamen von den Nichtwählern, 26000 von der SPD, 10000 von der CDU, der Rest verteilt sich.

9In Thüringen hat die SPD die großen Einbrüche in andere Lager erzielt: sie holte 20000 Stimmen von den Nichtwählern und 27000 von der CDU, sie hat nur 6000 Stimmen abgegeben. Die Zuwachswerte der LINKEN sind halb so groß wie die für die SPD (+1,3Prozentpunkte oder 25205 Stimmen für die LINKE gegenüber +4Prozentpunkten oder 49056 Stimmen für die SPD). Die LINKE hat 16000 Stimmen von der CDU und 4000 Stimmen von der SPD bekommen, aber 17000 Stimmen abgegeben, darunter 9000 an die Nichtwähler. Die SPD hat also bedeutend besser abgeschnitten als die LINKE. Dennoch ist sie nur dritte Kraft geblieben. Ihre dominante Stellung auf der Linken verdankt die LINKE in Thüringen immer noch ihrer Vergangenheit als PDS.

10In Sachsen ist die Wahlbeteiligung stark gesunken (von 60% in 2004 auf 52% in 2009). Hier gab es keine Perspektive für einen Regierungswechsel. Sachsen war deshalb das einzige Land, in dem die Zahl der Nichtwähler gestiegen um rund 242000 auf über 1,6 Millionen gestiegen ist. Die LINKE hat 3Prozentpunkte verloren, 120289 Stimmen, während die SPD 0,6Prozentpunkte zugelegt hat. Die LINKE hat an alle Parteien Stimmen abgegeben, mit Ausnahme der NPD. Von der NPD hat sie als einzige Partei 3000 Stimmen gewonnen.

11Überproportional haben die Grünen, die FDP und die NPD die Erstwähler für sich gewinnen können. Die Linke lag hier überall unter ihrem Durchschnitt. Bei den Erstwählern ist die NPD mit 15% in Sachsen zweitstärkste Partei.

12Die LINKE hat zumeist unter Arbeitslosen und Arbeitern überproportional dazu gewonnen. Bei den Arbeitslosen ist die LINKE überall die stärkste Partei; bei den Arbeitern ist sie im Saarland die stärkste Partei; in Sachsen und Thüringen hingegen hinter der CDU auf dem 2.Platz, jeweils vor der SPD.

13Wenn man berücksichtigt, dass im Saarland Oskar Lafontaine eher für einen traditionell sozialdemokratischen Kurs steht als für eine linke Alternative zur alten SPD, muss man daraus den Schluss ziehen, dass die Landtagswahlen vom 30.8.2009 drei Haltungen zum Ausdruck bringen:
— eine Abkehr im bürgerlichen Lager von der CDU zugunsten der FDP (also eine Radikalisierung im bürgerlichen Lager);
— einen Aufschwung der Grünen als linke Bürgerpartei, die für einen ökologisch modernisierten Kapitalismus steht;
— eine Stärkung der Parteien, die mit sozialer Gerechtigkeit in Verbindung gebracht werden. Dabei konnte die LINKE der SPD nur im Saarland den Rang ablaufen — und da kandidierte in der Person von Oskar Lafontaine ein „echter” und nicht ein „liberal angepasster” Sozialdemokrat. In Thüringen und Sachsen konnte sie das nicht; ihre starke Stellung dort ist ein Nachhall der PDS.

14Das Phänomen Oskar lässt sich jedoch nicht vervielfältigen. Die Abgrenzung der „traditionellen” von der „modernen” Sozialdemokratie fällt in der Praxis schwer, wenn sie sich auf dem Papier auch definieren lässt. Lafontaine hat sie deutlich gemacht, als er als Finanzminister zurücktrat. Er gilt deshalb bei seiner Fangemeinde im Saarland als der letzte aufrechte Sozialdemokrat und nicht als linke Alternative zur SPD. Die Verkörperung der „alten SPD” ist an seine Person gekoppelt, die LINKE kann dieses Image nicht übernehmen.


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