SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2009, Seite 13

Der Regenwald als Treibstofflager

Im Amazonasgebiet werden Ölpalmen angebaut und nach Erdöl gebohrt

Norbert Kollenda sprach mit Arnold Willibald von der AG Ökologischer Landbau

Im April/Mai wart ihr bei euren Partnern in Peru. Kurz nach eurer Rückkehr kam es 1500 km von Puerto Maldonado entfernt in der Provinz Amazonien zu einem Massaker.

Aus ähnlichen Gründen wie vor einem Jahr in Madre de Dios kam es im diesem Frühjahr in Amazonien zu Protesten gegen die Auswirkungen des Handelsvertrags Peru—USA. Viele verschiedene Firmen haben ihre Tätigkeit im Regenwald ausgeweitet. Dabei werden die Rechte der eingeborenen Bevölkerung in ihren Schutzgebieten und die Eigentumsrechte der Bauern missachtet. Alle Bemühungen der Vertreter der indigenen Bevölkerung und der Bauern, die Provinz- und die Zentralregierung auf ihre Rechte aufmerksam zu machen, waren ohne Erfolg geblieben. Sie sahen sich genötigt, ein deutliches Zeichen ihres Protestes zu setzen und blockierten mit Lanzen, Pfeil und Bogen eine wichtige Verbindungsstraße und die Ölpipeline. Vier Wochen bemühten sich die Bewohner ihre Rechte einzufordern. Die Regierung aus Lima schickte daraufhin Spezialeinheiten, die wahllos in die Menschenmenge schossen. Sie wunderten sich, dass die Einheimischen nicht wie Tiere auseinander liefen, sondern mit ihren primitiven Waffen ihre Rechte und ihre Zukunft und die ihrer Kinder zu verteidigen suchten. Es gab mindestens 50 Tote. Eine genaue Zahl der Opfer gibt es nicht.

Welche Konsequenzen gab es?

Durch die massiven nationalen und internationalen Proteste sah sich die Zentralregierung gezwungen, einige Gesetze erst einmal auszusetzen. Auch wir hatten zu Protesten aufgerufen und haben neben den peruanischen Verantwortlichen auch die entsprechenden Stellen in der EU und Deutschland angesprochen. Jetzt sollen die Stimmen der Betroffenen an einem „multiethnischen Tisch” zur Sprache kommen. Auch scheint sich in den Regionalregierungen bei einigen Verantwortlichen ein Umdenkungsprozess anzubahnen.

Ihr in Puerto Maldonado bei euren Partnern und konntet selbst erfahren, welche Auswirkungen die Handelsgesetze der USA mit der peruanischen Regierung auf die Bevölkerung haben?

Die Provinzstadt Puerto Maldonado ist seit Beginn unseres Projekts um das Sechsfache auf 120000 Einwohner angewachsen. Durch den Straßenbau der „Inter-Ozeanica” sind die Grundstückpreise im Einzugsgebiet stark gestiegen, aber auch die Lebensmittelpreise.Bei unserer Ankunft wurden wir von der Nachricht überrascht, dass in unmittelbarer Nähe der Stadt Puerto Maldonado nach Öl gebohrt werden soll. Wir erfuhren, dass zwei Tage später eine Informationsveranstaltung der chinesischen Firma SAPET stattfinden sollte, die für 30 Jahre die Konzession für Erdölbohrungen erworben hat. Erkundungssprengungen hatten bereits stattgefunden. Und das ausgerechnet in Puerto Maldonado und Umgebung, das in der Tourismusbranche für seine Artenvielfalt gerühmt und beworben wird!
In dem Gebiet wurden etwa zehn Stellen ausgemacht, die ausreichend Ertrag versprechen. Inzwischen haben wir erfahren, dass jetzt nahe der Stadt eine erste Tiefbohrung stattfinden wird. Es ist wohl nichts mehr rückgängig zu machen.

War die Info-Veranstaltung gut besucht?

Die Veranstaltung war nicht offiziell bekannt gegeben worden. Wir haben es zufällig erfahren und sie mit unseren Freunden und Partnern der AAE besucht. Anwesende erhielten T- Shirts, andere kleine Geschenke und ein Essen und erlebten ein inszeniertes Theater: „Arbeitsplätze entstehen”, „alle Gefahren im Griff” Massive Einwände vor allem seitens der Eingeborenen wurden klein geredet. Die Gesetzesvorgabe, die Bevölkerung zu informieren, ist damit erfüllt. Nach peruanischem Recht gehört, was ein Meter unter dem Erdboden ist, dem Staat. Die Bauern haben keine Einspruchsmöglichkeit.
Durch die Tiefbohrungen nach Öl und oft undichte Leitungen kommt es erfahrungsgemäß zu einer Verseuchung des Wassers und Bodens. Auch der chinesischen Erdölfirma SAPET sind diese Folgen bekannt. Aber das hindert sie nicht daran, Natur und Umwelt zu verseuchen.
Auch die Schutzgebiete der Indigenen werden missachtet. Bei der „Informations-Veranstaltung” rechtfertigte sich der Vertreter der Firma SAPET mit einem unklaren Grenzverlauf der indigenen Gebiete. Und das heute, wo mit Satellitenortung jeder Zentimeter auf der Erde zu erkunden ist!?

Wie stellt sich die Situation jetzt für die Bevölkerung dar?

Neben der Gefährdung für Mensch und Umwelt durch die Ölbohrungen birgt auch die Monokultur mit Ölpalmen Gefahren für die nahe und fernere Zukunft. Viele Bauern, auch Ökobauern, wurden mit dem Versprechen hoher Erlöse gelockt, Ölpalmen anzubauen. Es gibt aber keine Garantien für die Preise. Wenn sie verfallen, werden die Bauern die Konsequenzen tragen müssen. Der Boden kann dann nicht mehr anderweitig genutzt werden. Das Wurzelwerk lässt sich mit menschlicher Kraft nicht beseitigen, und der Boden ist ausgelaugt. Darüber hinaus wird mit einem Anstieg der Lebensmittelpreise zu rechnen sein, weil viel Anbaufläche für Grundnahrungsmittel durch den forcierten Anbau der Ölpalmen verloren geht.

Arnold Willibald berichtete in SoZ 11/08 über die „Segnungen der Agro- Energie” unter der peruanischen Regierung”


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