SoZ - Sozialistische Zeitung |
Die Daimler Benz AG wird für ihre Beteiligung an
Gräueltaten unter der argentinischen Militärdiktatur nicht zur Rechenschaft gezogen.
Der District Court in San
Francisco hat entschieden, das Verfahren gegen die Daimler AG nicht zu eröffnen. Die
Hinterbliebenen der ermordeten Betriebsräte von Mercedes-Benz Argentina hatten 2004
geklagt. Rechtsgrundlage ist das Alien Tort Claims Act (ATCA) aus dem Jahr 1789, das
Ausländern den Zugang zu US-Gerichten erlaubt, wenn internationales Recht verletzt ist.
Die Kläger werfen dem
deutschen Autobauer vor, sich während der argentinischen Militärdiktatur seiner
unbequemen Betriebsräte entledigt und Babys von verschwundenen Regimegegnern angeeignet
zu haben.
In Deutschland wurden die
Verfahren nicht eröffnet bzw. eingestellt, obwohl Verbrechen gegen die Menschheit nicht
verjähren. Das Oberlandesgericht Karlsruhe verhinderte sogar die Klagezustellung: die
nationale Sicherheit sei in Gefahr. In Argentinien kommen die Strafverfahren nicht voran,
Akten verschwinden, Beweisanträge werden verfälscht, Zeugen bedroht. Da schien der
Weg in die USA die letzte Möglichkeit, Gerechtigkeit herzustellen. Nicht zuletzt der
Amtsantritt von Präsident Obama ließ die Kläger hoffen.
Doch zwei von drei
Bezirksrichtern haben das negative Urteil der ersten Instanz bestätigt. Die Daimler AG
hatte behauptet, durch das Verfahren in Kalifornien würde die Souveränität
Deutschlands gefährdet. Die Richter waren ihnen gefolgt, in der ersten wie jetzt in der
zweiten Instanz. Es gebe ein „alternatives Forum” (also einen anderen Gerichtsort
als Argentinien oder Deutschland), und Mercedes-Benz USA sei nicht direkte Agentin des
Stuttgarter Unternehmens und daher für die Handlungen der Daimler AG nicht gerichtlich zu
belangen. Die beiden kalifornischen Richterinnen taten damit etwas, was nur dem Kongress
zusteht: Sie annullierten ein Gesetz.
Mit keinem Wort gingen sie auf
die von den Klägern vorgebrachten Argumente ein, sondern jonglierten mit Formalien: die
Daimler AG besitze über ihre US-Niederlassung keine „systematische
Kontrolle”, was damit bewiesen wurde, dass sich vor acht Jahren einmal Mercedes-Benz USA
geweigert hatte, die G-Klasse zu verkaufen.
Auf über der Hälfte
der 32-seitigen Urteilsbegründung brachte Richter Stephen Reinhardt seine abweichende
Meinung zu Papier. Es scheint, dass nur er die Akte gelesen hat. Durch ein abweisendes Urteil,
so Reinhardt, würden ausländische Konzerne vor der US-amerikanischen Justiz
geschützt, während sie gleichzeitig auf dem US-Markt astronomische Profite einfahren
würden. Die deutsche Daimler AG erziele 45% ihres gesamten Gewinnes mit Verkäufen in
den USA, allein in Kalifornien 2,4%.
Das Stuttgarter Unternehmen
ist alleiniger Inhaber des Aktienkapitals von Mercedes-Benz-USA, und die Niederlassung muss
alle Werbekampagnen sowie die Besetzung von Chefposten absegnen lassen.
Reinhardt erklärte auch,
durch die Eröffnung eines Verfahrens würde die deutsche Souveränität nicht
verletzt. „Als die Daimler AG beschlossen hat, in den Vereinigten Staaten Geschäfte
zu machen, ist sie das Risiko eingegangen, Objekt der US-Justiz zu werden.” Die
Aufklärung der Ereignisse liege auch im Interesse der USA, um „den ewigen Traum zu
realisieren, dass Menschen nie mehr brutale Gewalt erleiden müssen” Die beiden
Richterinnen sahen das anders.
Unklar ist, ob politischer
Druck aus Berlin bei der Entscheidung mitgespielt hat. Zwar teilte mir das deutsche
Außenministerium mit, dass die „Bundesregierung (keine) Einwände gegen das
Verfahren erhoben hat” Das Bundeskanzleramt allerdings verweigert bis heute eine
Antwort, ob, und wenn ja welche, Meinung Angela Merkel zu den Menschenrechtsverletzungen in
Argentinien hat.
Das Stuttgarter Unternehmen
ist mit dem Urteil aus San Francisco „dem ewigen Traum” des Kapitals näher
gekommen, überall auf der Welt Geschäfte zu machen aber nirgendwo dafür zur
Rechenschaft gezogen zu werden. Business grenzenlos und risikolos.
Dass die US-Justiz den Inhalt
des ATCA aufgehoben hat, war nur der erste Schritt. Denn die Konzerne wollen sich auch nicht
vor einem „alternativen Forum” verantworten — das zeigt gerade die Chevron
Corp. auf ihrer Homepage (www.chevron.com/ecuador).
Der Konzern hat jahrelang den
Regenwald Ecuadors zerstört und steht in Quito vor einem Zivilgericht. Es geht um eine
Entschädigung in Höhe von 27 Mrd. US-Dollar. Die Richter seien voreingenommen und
korrupt, sollen heimlich aufgezeichnete Videoaufzeichnungen belegen. Chevron will
offensichtlich verhindern, dass ein Urteilsspruch aus Quito in den USA vollstreckt wird.
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