SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2009, Seite 21

Buchtipp

Auswege aus dem Kapitalismus

André Gorz, Auswege aus dem Kapitalismus — Beiträge zur politischen Ökologie, Zürich: Rotpunktverlag, 2009, 160 Seiten, 19,50 Euro.

Am 22.September 2007 nahm sich der französische Sozialphilosoph André Gorz, gebürtiger Österreicher, zusammen mit seiner schwerkranken Frau Dorine das Leben. Beide hatten mehr als 60 Jahre lang eine innige Beziehung gepflegt, keiner wollte den anderen überleben. Bis dahin stellte André Gorz noch die Texte für sein letztes Buch, Auswege aus dem Kapitalismus — Beiträge zur politischen Ökologie zusammen, die nun beim Züricher Rotpunktverlag auf Deutsch erschienen sind. Der Band enthält politische Essays, die einen Einblick in die verschiedenen Phasen seines publizistischen und politischen Wirkens geben — von der Gesellschaftlichen Ideologie des Autos 1975 bis zu seinem letzten Essay Das Ende des Kapitalismus hat schon begonnen vom Herbst 2007."Wirtschaftstätigkeit hat nur dann Sinn, wenn sie etwas anderem dient als sich selbst”, heißt es in seinem letzten Essay. Zeitlebens verabscheute der Schüler von Jean-Paul Sartre den Kapitalismus und seine Destruktivität um des Profits willen. In den 70er Jahren wurde Gorz zu einem der wichtigsten Stichwortgeber der ökologischen Bewegung. Die Texte für sein letztes Buch hat er unter dem Aspekt der aktuellen politischen Herausforderungen zusammengestellt: Er antizipiert darin die doppelte Krise, mit der die Menschheit heute konfrontiert ist: die Klimakrise und die Finanzkrise. Gorz hat damit eine Art Abschiedsbrief für die Nachwelt verfasst.
"Es ist unmöglich”, schreibt er, „eine Klimakatastrophe zu verhindern, ohne radikal mit den Methoden und der ökonomischen Logik zu brechen, die seit 150 Jahren zu dieser Katastrophe führen.” Einem „New Green Deal”, d.h. einer vermeintlich ökologischen Reform des Kapitalismus, wie sie derzeit vom US-amerikanischen Präsidenten Obama bis hin zu den deutschen Grünen propagiert wird, hätte Gorz ablehnend gegenüber gestanden. Seiner Ansicht nach liegt der Fehler im System des westlichen Fortschrittmodells, der mit einer effizienteren Verwertung der Ressourcen allein nicht behoben werden kann. Kapitalismus, so Gorz, basiere auf maximaler Verschwendung von Ressourcen. „Für das Kapital ist es gleichgültig, was produziert wird. Hauptsache es bringt etwas ein."
Er kritisierte auch die Vorstellung vieler orthodoxer Linker, die meinten, wenn die Arbeiterklasse die Macht über die Produktionsmittel hätte, könnte eine sozialistische oder kommunistische Gesellschaft entstehen. Eine einfache Übernahme der Produktionsmittel sei nicht ausreichend, vielmehr müsse die Art und Weise der Produktion grundlegend verändert werden — nach ökologischen und sozialen Kriterien. Mit der Vorstellung vom stetigen Wachstum der Wirtschaft müsse gebrochen werden. In seinem letzten Buch attackiert Gorz ein letztes Mal den Irrwitz des Kapitalismus und bringt dazu zahlreiche Beispiele: den Autowahn, die sakrosankten Wirtschaftsprognosen, die Gentechnik und den Patentierungseifer.
Immer weniger Menschen, so seine These, würden für die Warenproduktion gebraucht. Zudem seien die Finanzwerte, die heute im Umlauf sind, nicht mehr an reale Werte gebunden. Das resultiere zum einen aus der Eigendynamik des Kapitalismus, der mit immer neuen Produkten — und seien es die der Finanzmärkte — gezwungen sei, Profit zu machen, und aus der Unmöglichkeit, den Wert der Wissensarbeit objektiv zu bemessen. Als tagesaktuelle Forderung schlägt er zunächst eine radikale Arbeitszeitverkürzung und ein bedingungsloses Grundeinkommen vor.
Auch wenn es von da aus noch weit ist bis zu einer neuen kommunistischen Gesellschaft, die für Gorz auf einer kleinteiligen, demokratischen Planwirtschaft basieren muss, will er mit seinem letzten Essay Hoffnung machen. „Sich selbst überlassen, würde der Kapitalismus zur Auslöschung des Lebens und folglich seiner selbst führen. Wenn er einen Sinn haben soll”, fährt Gorz fort, „dann kann er nur darin bestehen, die Voraussetzungen für seine eigene Beseitigung zu schaffen."

Gerhard Klas


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