SoZ - Sozialistische Zeitung |
Am 22.September 2007 nahm sich der französische
Sozialphilosoph André Gorz, gebürtiger Österreicher, zusammen mit seiner
schwerkranken Frau Dorine das Leben. Beide hatten mehr als 60 Jahre lang eine innige Beziehung
gepflegt, keiner wollte den anderen überleben. Bis dahin stellte André Gorz noch die
Texte für sein letztes Buch, Auswege aus dem Kapitalismus — Beiträge zur
politischen Ökologie zusammen, die nun beim Züricher Rotpunktverlag auf Deutsch
erschienen sind. Der Band enthält politische Essays, die einen Einblick in die
verschiedenen Phasen seines publizistischen und politischen Wirkens geben — von der
Gesellschaftlichen Ideologie des Autos 1975 bis zu seinem letzten Essay Das Ende des
Kapitalismus hat schon begonnen vom Herbst 2007."Wirtschaftstätigkeit hat nur dann
Sinn, wenn sie etwas anderem dient als sich selbst”, heißt es in seinem letzten
Essay. Zeitlebens verabscheute der Schüler von Jean-Paul Sartre den Kapitalismus und
seine Destruktivität um des Profits willen. In den 70er Jahren wurde Gorz zu einem der
wichtigsten Stichwortgeber der ökologischen Bewegung. Die Texte für sein letztes
Buch hat er unter dem Aspekt der aktuellen politischen Herausforderungen zusammengestellt: Er
antizipiert darin die doppelte Krise, mit der die Menschheit heute konfrontiert ist: die
Klimakrise und die Finanzkrise. Gorz hat damit eine Art Abschiedsbrief für die Nachwelt
verfasst.
"Es ist
unmöglich”, schreibt er, „eine Klimakatastrophe zu verhindern, ohne radikal
mit den Methoden und der ökonomischen Logik zu brechen, die seit 150 Jahren zu dieser
Katastrophe führen.” Einem „New Green Deal”, d.h. einer vermeintlich
ökologischen Reform des Kapitalismus, wie sie derzeit vom US-amerikanischen
Präsidenten Obama bis hin zu den deutschen Grünen propagiert wird, hätte Gorz
ablehnend gegenüber gestanden. Seiner Ansicht nach liegt der Fehler im System des
westlichen Fortschrittmodells, der mit einer effizienteren Verwertung der Ressourcen allein
nicht behoben werden kann. Kapitalismus, so Gorz, basiere auf maximaler Verschwendung von
Ressourcen. „Für das Kapital ist es gleichgültig, was produziert wird.
Hauptsache es bringt etwas ein."
Er kritisierte auch die
Vorstellung vieler orthodoxer Linker, die meinten, wenn die Arbeiterklasse die Macht über
die Produktionsmittel hätte, könnte eine sozialistische oder kommunistische
Gesellschaft entstehen. Eine einfache Übernahme der Produktionsmittel sei nicht
ausreichend, vielmehr müsse die Art und Weise der Produktion grundlegend verändert
werden — nach ökologischen und sozialen Kriterien. Mit der Vorstellung vom stetigen
Wachstum der Wirtschaft müsse gebrochen werden. In seinem letzten Buch attackiert Gorz
ein letztes Mal den Irrwitz des Kapitalismus und bringt dazu zahlreiche Beispiele: den
Autowahn, die sakrosankten Wirtschaftsprognosen, die Gentechnik und den Patentierungseifer.
Immer weniger Menschen, so
seine These, würden für die Warenproduktion gebraucht. Zudem seien die Finanzwerte,
die heute im Umlauf sind, nicht mehr an reale Werte gebunden. Das resultiere zum einen aus der
Eigendynamik des Kapitalismus, der mit immer neuen Produkten — und seien es die der
Finanzmärkte — gezwungen sei, Profit zu machen, und aus der Unmöglichkeit, den
Wert der Wissensarbeit objektiv zu bemessen. Als tagesaktuelle Forderung schlägt er
zunächst eine radikale Arbeitszeitverkürzung und ein bedingungsloses Grundeinkommen
vor.
Auch wenn es von da aus noch
weit ist bis zu einer neuen kommunistischen Gesellschaft, die für Gorz auf einer
kleinteiligen, demokratischen Planwirtschaft basieren muss, will er mit seinem letzten Essay
Hoffnung machen. „Sich selbst überlassen, würde der Kapitalismus zur
Auslöschung des Lebens und folglich seiner selbst führen. Wenn er einen Sinn haben
soll”, fährt Gorz fort, „dann kann er nur darin bestehen, die Voraussetzungen
für seine eigene Beseitigung zu schaffen."
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