SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2009, Seite 04

Wolfgang Zimmermann zu den Aussichten für die Landtagswahlen in NRW 2010

Politisch sehe ich eine andere Mehrheit noch nicht

Wolfgang Zimmermann ist Landessprecher von DIE LINKE in NRW. Mit ihm sprach Angela Klein.

Die vergangenen Landtagswahlen haben in mehreren Bundesländern die rechnerische Möglichkeit für eine rot-rot-grüne Regierung ergeben. Siehst du die Möglichkeit, dass sich in NRW bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr eine ähnliche Konstellation ergibt?
Die jüngeren Prognosen hatten immer eine relativ stabile schwarz-gelbe Mehrheit ergeben. Durch die Bundestagswahlen wurde das relativiert, da ist der Vorsprung des schwarz-gelben Lagers (48%) gegenüber Rot-Rot- Grün (47%) auf einen Prozentpunkt zusammengeschmolzen. Es steht also auf der Kippe.
Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die sozialen Grausamkeiten, die die neue Bundesregierung vorbereitet, bis nach den Landtagswahlen in NRW in der Schublade bleiben. Rüttgers ist nicht ohne Grund sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Es sieht so aus, als würde z.B. die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht vor den Landtagswahlen im nächsten Jahr angepackt.
Wenn das bis Mai 2010 so bleibt und die CDU in NRW sich als soziale Kraft profilieren kann, dann wird ein Regierungswechsel schwer. Rein rechnerisch gesehen ist ein Wechsel zu Rot-Rot-Grün aber trotzdem möglich.

Politisch siehst du das noch nicht?
Politisch sehe ich es deshalb nicht, weil die SPD-Führung, hauptsächlich in Gestalt von Hannelore Kraft, ständig betont, dass sie DIE LINKE aus dem Landtag heraushalten will, dass wir nicht regierungsfähig seien — all solche Sätze —, dass sie die Auseinandersetzung sucht und nicht die Zusammenarbeit usw. Sie betont noch nicht einmal, dass es punktuell Gemeinsamkeiten gibt. Wie weit die gehen, ist allerdings noch unklar. Nehmen wir die Studiengebühren: Wir sind für ihre völlige Abschaffung. Die SPD hat 2003 in NRW mit den Grünen zusammen die Studiengebühren für Langzeitstudierende eingeführt; CDU und FDP haben sie dann auf alle Studierenden ausgeweitet. Was meint die SPD nun, wenn sie von der Abschaffung der Studiengebühren spricht: Versteht sie darunter die Rücknahme der CDU/FDP-Beschlüsse, oder auch die der Regierung Steinbrück? Oder nehmen wir „Eine Schule für alle": Versteht sie darunter eine Schule, in der alle Kinder mindestens bis zur 10.Klasse gemeinsam lernen können, oder wie sieht ihr Konzept aus?
Oder die Frage der Mitbestimmung: Die SPD will das alte Landespersonalvertretungsgesetz wieder in Kraft setzen. Wir sagen: Es muss eine Novellierung mit einer weitergehenden Mitbestimmung geben. Das will in Teilen auch der DGB. Gegen die von uns vorgeschlagene Rekommunalisierung der Energieversorgung laufen alle Parteien im Landtag Sturm — auch SPD und Grüne, das ist ihr Hauptangriffspunkt.
Entscheidend aber ist: Bei allem, was die SPD jetzt fordert — Vergabegesetz, Mindestlohn, „Eine Schule für alle”, Abschaffung der Studiengebühren — stellt sich die Frage: Warum hat sie das alles nicht in den zehn Jahren rot-grüner Koalition umgesetzt, oder früher noch, als sie allein an der Regierung war? Deshalb ist große Skepsis angesagt, ob die SPD, aber auch die Grünen, ernst meinen, was sie jetzt fordern.

Würdet ihr euch denn grundsätzlich auf eine solche Koalition einlassen?
Die Frage stellt sich hier und heute nicht. Wir wollen, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung entscheidend verbessert werden. Neben der Präsenz im Parlament können wir das vor allem durch die Mobilisierung der Betroffenen und ihrer Organisationen — sprich Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbände, neue soziale Bewegungen — erreichen. Wir werben dafür, dass jetzt der soziale Widerstand gegen die Politik von Schwarz-Gelb organisiert wird. Wir werben für paralleles Handeln in den Parlamenten und auf der Straße. Wir müssen Bestandteil der kommenden Mobilisierungen sein; wir können sie nicht allein organisieren, aber wir können mithelfen, sie zu organisieren. Das ist die Hauptaufgabe im kommenden Landtagswahlkampf, den wir natürlich auch zu führen haben. Wahlkampf muss vor allem die Organisierung von Widerstand sein.
Wir wollen mit allen politischen Kräften zusammenarbeiten, die im Interesse der Mehrheit der Menschen einen wirklichen Politikwechsel herbeiführen wollen. Das sind in erster Linie Gewerkschaften und soziale Bewegungen. Wenn Parteien diesen Willen in der Praxis ebenfalls beweisen, dann umso besser.
Ich gehe davon aus, dass wir im kommenden Landtag mit deutlich mehr als 5% vertreten sein werden. Dann werden wir sofort auf SPD und Grüne zugehen und sie fragen, ob sie z.B. bereit sind, die verkauften LEG-Wohnungen wieder in Landeseigentum zu überführen. Wenn ja, können wir gemeinsame Anträge einbringen.
Sollte es dazu kommen, dass es eine knappe Mehrheit für Rot-Rot-Grün gibt, und die SPD uns Gespräche anbietet, sollten wir uns nicht verweigern. Klar muss jedoch sein: Uns geht es um Inhalte, und von diesen machen wir eine Zusammenarbeit abhängig.


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