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Die vergangenen Landtagswahlen haben in mehreren Bundesländern die rechnerische Möglichkeit für eine
rot-rot-grüne Regierung ergeben. Siehst du die Möglichkeit, dass sich in NRW bei den Landtagswahlen im
nächsten Jahr eine ähnliche Konstellation ergibt?
Die jüngeren Prognosen hatten immer eine relativ stabile schwarz-gelbe Mehrheit ergeben. Durch die
Bundestagswahlen wurde das relativiert, da ist der Vorsprung des schwarz-gelben Lagers (48%) gegenüber Rot-Rot-
Grün (47%) auf einen Prozentpunkt zusammengeschmolzen. Es steht also auf der Kippe.
Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die sozialen
Grausamkeiten, die die neue Bundesregierung vorbereitet, bis nach den Landtagswahlen in NRW in der Schublade bleiben.
Rüttgers ist nicht ohne Grund sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Es sieht so aus, als
würde z.B. die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht vor den Landtagswahlen im nächsten Jahr angepackt.
Wenn das bis Mai 2010 so bleibt und die CDU in NRW sich
als soziale Kraft profilieren kann, dann wird ein Regierungswechsel schwer. Rein rechnerisch gesehen ist ein Wechsel zu
Rot-Rot-Grün aber trotzdem möglich.
Politisch siehst du das noch nicht?
Politisch sehe ich es deshalb nicht, weil die SPD-Führung, hauptsächlich in Gestalt von Hannelore Kraft,
ständig betont, dass sie DIE LINKE aus dem Landtag heraushalten will, dass wir nicht regierungsfähig seien
— all solche Sätze —, dass sie die Auseinandersetzung sucht und nicht die Zusammenarbeit usw. Sie betont
noch nicht einmal, dass es punktuell Gemeinsamkeiten gibt. Wie weit die gehen, ist allerdings noch unklar. Nehmen wir die
Studiengebühren: Wir sind für ihre völlige Abschaffung. Die SPD hat 2003 in NRW mit den Grünen
zusammen die Studiengebühren für Langzeitstudierende eingeführt; CDU und FDP haben sie dann auf alle
Studierenden ausgeweitet. Was meint die SPD nun, wenn sie von der Abschaffung der Studiengebühren spricht: Versteht
sie darunter die Rücknahme der CDU/FDP-Beschlüsse, oder auch die der Regierung Steinbrück? Oder nehmen wir
„Eine Schule für alle": Versteht sie darunter eine Schule, in der alle Kinder mindestens bis zur 10.Klasse
gemeinsam lernen können, oder wie sieht ihr Konzept aus?
Oder die Frage der Mitbestimmung: Die SPD will das alte
Landespersonalvertretungsgesetz wieder in Kraft setzen. Wir sagen: Es muss eine Novellierung mit einer weitergehenden
Mitbestimmung geben. Das will in Teilen auch der DGB. Gegen die von uns vorgeschlagene Rekommunalisierung der
Energieversorgung laufen alle Parteien im Landtag Sturm — auch SPD und Grüne, das ist ihr Hauptangriffspunkt.
Entscheidend aber ist: Bei allem, was die SPD jetzt
fordert — Vergabegesetz, Mindestlohn, „Eine Schule für alle”, Abschaffung der Studiengebühren
— stellt sich die Frage: Warum hat sie das alles nicht in den zehn Jahren rot-grüner Koalition umgesetzt, oder
früher noch, als sie allein an der Regierung war? Deshalb ist große Skepsis angesagt, ob die SPD, aber auch die
Grünen, ernst meinen, was sie jetzt fordern.
Würdet ihr euch denn grundsätzlich auf eine solche Koalition einlassen?
Die Frage stellt sich hier und heute nicht. Wir wollen, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen der Mehrheit der
Bevölkerung entscheidend verbessert werden. Neben der Präsenz im Parlament können wir das vor allem durch
die Mobilisierung der Betroffenen und ihrer Organisationen — sprich Gewerkschaften, Sozial- und
Wohlfahrtsverbände, neue soziale Bewegungen — erreichen. Wir werben dafür, dass jetzt der soziale
Widerstand gegen die Politik von Schwarz-Gelb organisiert wird. Wir werben für paralleles Handeln in den Parlamenten
und auf der Straße. Wir müssen Bestandteil der kommenden Mobilisierungen sein; wir können sie nicht allein
organisieren, aber wir können mithelfen, sie zu organisieren. Das ist die Hauptaufgabe im kommenden
Landtagswahlkampf, den wir natürlich auch zu führen haben. Wahlkampf muss vor allem die Organisierung von
Widerstand sein.
Wir wollen mit allen politischen Kräften
zusammenarbeiten, die im Interesse der Mehrheit der Menschen einen wirklichen Politikwechsel herbeiführen wollen.
Das sind in erster Linie Gewerkschaften und soziale Bewegungen. Wenn Parteien diesen Willen in der Praxis ebenfalls
beweisen, dann umso besser.
Ich gehe davon aus, dass wir im kommenden Landtag mit
deutlich mehr als 5% vertreten sein werden. Dann werden wir sofort auf SPD und Grüne zugehen und sie fragen, ob sie
z.B. bereit sind, die verkauften LEG-Wohnungen wieder in Landeseigentum zu überführen. Wenn ja, können wir
gemeinsame Anträge einbringen.
Sollte es dazu kommen, dass es eine knappe Mehrheit
für Rot-Rot-Grün gibt, und die SPD uns Gespräche anbietet, sollten wir uns nicht verweigern. Klar muss
jedoch sein: Uns geht es um Inhalte, und von diesen machen wir eine Zusammenarbeit abhängig.
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