SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2009, Seite 08

Sieben auf einen Streich

Das FDP-Bürgergeld ist ein Horroszenario

von Wolfgang Ratzel

Der Lagebericht an der Sozialfront lautet: Die Alimentierung der „Nicht-mehr- Gebrauchten” ist zu teuer; die (Niedrig-)Lohnarbeit ist zu teuer; das Sozialversicherungssystem ist zu teuer; die Gesundheits- und Pflegekosten müssen „rationiert” werden; jedes annähernd den Lebensstandard sichernde Rentensystem wird unfinanzierbar; die innere Sicherheit muss sicher bleiben.
Sieben auf einen Streich! Das FDP-Bürgergeld kann‘s richten! Kommt es doch nicht nur als Bürgergeld daher, sondern als Teil eines Steuersystems, eingebettet in die Zerschlagung der verhassten Sozialversicherung, vernetzt mit der Förderung des Ehrenamts. Wer das Bürgergeld begreifen will, muss das Ganze sehen, in dem es hängt.


1.Streich: Man deckele das Bürgergeld auf pauschal 662 Euro und gelte damit alles ab, was Hartz IV bislang bedarfsabhängig bot (Miete, Heizung, Warmwasser). Die Mietkostenexplosion ist damit im Griff. Die 6 Milliarden schweren Eingliederungskosten fallen weg und damit alle Beratungs- und Betreuungskosten und vor allem der komplette öffentliche Beschäftigungssektor samt Arbeitsamt. Denn wo Gemeinwohlarbeit war, soll Sozialmarkt werden. Und was der Sozialmarkt nicht vermarkten kann, das wird das Ehrenamt richten.


2.Streich: Man verbessere die Zuverdienstregelung und erweitere den Mini-Job-Sektor. Denn: Wer noch irgendwie arbeitsfähig ist, wird bei 662 Euro arbeiten müssen — und zwar dort, wo es Stellen geben kann: im Niedriglohnsektor. Bürgergeld statt Mindestlohn, als flächendeckender Kombilohn eines aufgeblasenen Niedriglohnsektors — eine gigantische Lohnsubvention.

3.Streich: Man ersetze die umlagefinanzierte Sozialversicherung durch ein privates kapitalgedecktes Versicherungssystem mit Grundversicherungspflicht.


4.- 6.Streich: Man ersetze die Vollversicherung durch eine Kombination von Grundversorgung und Wahltarifen. Wer den bestmöglichsten Leistungsumfang will, muss das aus eigener Tasche zahlen.


7.Streich: Wer ausrastet, auf den wartet die Polizei.


In Ermangelung systemüberwindungsorientierter Bewegungen verbleiben seltsame „Hoffnungsträger": der CSU-Landesgruppenchef Ramsauer oder der CDA-Vorsitzende Karl-Josef Laumann (CDU) oder Ralf Brauksiepe, Arbeitsmarktexperte der CDU, und natürlich die gesamte katholische Soziallehre. Die stellen sich nämlich gegen das FDP-Bürgergeld, und Norbert Blüm sagt es klar: „Das Bürgergeld ist die Dampfwalze, die den Sozialstaat plattmacht!"
Jene Blüm‘sche Klarsicht fehlt Werner Rätz von Attac und der Bonner Attac-AG, die das bedingungslose Grundeinkommen fordern. Blüms Dampfwalze erscheint ihnen als Vordereingang zu einem „kulturellen und sozial erfüllten Leben” Im Retro-Sound einer Zukunftswerkstatt erträumen sie ein Universum volksgemeinschaftlicher Glückseligkeit, gestützt auf ein BGE von genau 989,99 Euro, das ist nämlich die Pfändungsgrenze. Und der Sozialstaat muss natürlich massiv ausgebaut werden; denn: „Für die Finanzierung notwendiger Dienstleistungen muss die Gemeinschaft (!) Sorge tragen.” Welche Gemeinschaft?
Wer sich nicht (wenigstens) gegen die Verschlechterungen von Hartz IV zusammenschließt, hat das FDP-Bürgergeld verdient. Ohne Widerstandsfleiß kein Widerstandpreis!


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