SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2009, Seite 13

280 Millionen Euro für Milchbauern

Ein Tropfen auf dem heißen Stein

von Boris Schultz

Beim Agrarministerrat in Luxemburg am 22.Juni 2009 gab die EU-Kommission der Forderung von 21 Staaten nach Hilfen für die Milchbäuerinnen nach und sagte Unterstützungsleistungen in Höhe von 280 Mio. Euro zu.
Auf den ersten Blick hören sich 280 Mio. Euro gut an. Die Milchbauern haben damit einen ersten kleinen Erfolg erzielt. Aber der Betrag wird nach dem Gießkannenprinzip auf die EU-Länder verteilt. Dabei kommt bei den einzelnen Staaten so wenig Geld an, dass man höchstens von einem kleinen Tropfen auf dem heißen Stein sprechen kann. Deutschland erhält 50 Mio. Euro — im Vergleich zu den 5 Mrd. Euro, die von der Bundesregierung insgesamt für die Abwrackprämie zur Verfügung gestellt wurden, um mit der Autoindustrie einen höchst fragwürdigen Industriezweig zu stützen, ist das gerade zu lächerlich.
Es fehlen auch Vorgaben, wie das Geld zu verwenden ist. Die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner fordert die Länder auf, das Geld in Schulmilchprogramme oder in Grünlandprogramme zu stecken. Ein Konzept ist nicht erkennbar. Schulmilch- und Grünlandprogramme sind beides wünschenswerte Vorhaben.Aber was kommt dann von dem wenigen Geld noch bei den Milchbäuerinnen an? Bei den Schulmilchprogrammen treten zwischen die Schulen und die Bauern noch die Molkereien, die auch was vom Kuchen abhaben wollen, und Grünland lässt sich auch mit anderen Tieren als Rindern bewirtschaften.
Es ist zwar sehr wahrscheinlich, dass die Nachfrage kurzfristig steigt und die Preise dadurch leicht in die Höhe gehen. Aber da liegt auch schon das Problem. Zum einen kann mit so einem verhältnismäßig geringen Betrag die Nachfrage nach Milch nicht so gesteigert werden, dass die Milchpreise auf ein Niveau steigen, bei dem die Milchbauern kostenneutral wirtschaften und von ihrem Erzeugnis leben können.
Zum anderen handelt es sich hierbei um eine einmalige Maßnahme. Sobald die Nachfrage wieder sinkt, werden die Preise ebenfalls wieder sinken und dieser minimale Effekt verpufft. Außerdem bleiben die neoliberalen Strukturen in der Milchwirtschaft unangetastet. Zukünftige Schwankungen auf dem Weltmarkt, dem die Milchbäuerinnen fatalerweise unterliegen, werden nicht ausgeglichen. Forderungen des EMB (European Milk Board), dem europäischen Dachverband des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) nach der Beibehaltung der Milchquote und Abschaffung der Exportsubventionen bleiben unerhört. Der Ausstieg aus der Milchquote wird weiter betrieben, und die Exportsubventionen werden auch weiter gezahlt. Dabei sind das die beiden Instrumente, die die Milchproduktion weiter erhöhen und so für einen weiteren Preisverfall sorgen werden.
Die Milchquote muss beibehalten werden und die Eportsubventionen gehöhren abgeschaft. Die neoliberale Agrarpolitik gefährdet massiv Arbeitsplätze, schadet Tier und Umwelt und nutzt niemanden.
Für die Milchbäuerinnen ist es trotzdem auf kurze Sicht ein kleiner Erfolg. Er zeigt ihnen, dass der Protest was genützt hat. Sie können sich ermutigt fühlen, weiter zu kämpfen.


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