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SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2009, Seite 21

Günter Wallraff: Schwarz auf Weiß

Regie: Günter Wallraff, Pagonis Pagonakis, Susanne Jäger, Gerhard Schmidt, Deutschland 2009

von Angela Huemer

Günter Wallraff wagt viel mit diesem Film, in dieser Rolle von Kwami Ogonno. Er wagt viel, denn allein die Verkleidung wird von vielen Schwarzen oftmals als Affront wahrgenommen. „Blackface” nannte man das vor vielen Jahrzehnten, als es noch üblich war, dass Weiße die Rolle von Schwarzen im Vaudeville oder in frühen Hollywoodfilmen übernahmen.
Natürlich weiß Wallraff selbst um das Wagnis, das er eingeht. „Vor Jahren hatte ich einen ersten Anlauf gemacht,” schreibt er in einer Zeitreportage über seine Rolle als Kwami Ogonno, „das Vorhaben aber wieder abgebrochen. Nicht weil diese Rolle anmaßend wäre gegenüber schwarzen Migranten oder schwarzen Deutschen. Jede meiner Rollen ist auf bestimmte Weise anmaßend — aber ohne diesen Schritt auf fremdes Terrain würde ich viel weniger über die Lebenswirklichkeit der Menschen erfahren, in deren Haut ich schlüpfe."
Er trifft den Punkt damit. Denn natürlich weiß man „irgendwie” um offen ausgelebten und verklemmten Rassismus, aber wie es sich anfühlt, ständig notgedrungen damit konfrontiert zu sein, kann man sich nicht vorstellen.
Am Anfang des Films sieht man, wie Wallraff sich verwandelt, mit Farbe besprüht wird, eine Perücke aussucht und anschließend kunstvoll verkabelt wird. Denn natürlich kann man einen solchen Film nur mit versteckter Kamera drehen. Es gibt also diese ganz subjektive Perspektive, stets ist jedoch auch ein zweites Kamerateam zugegen, wodurch die einzelnen Situationen besser dargestellt werden können. Ein besonders interessanter Kunstgriff ist, dass kurz nach Kwami Ogonno „normale Deutsche” die Szene betreten und so die Dinge mitbekommen, die man niemals direkt einem Schwarzen sagen würde.
So bei einer Wohnungsbesichtigung im ach so toleranten Köln. Die Vermieterin, eine gutbürgerliche Dame jenseits der 50, geht sehr freundlich mit Herrn Ogonno um, vielleicht etwas reserviert. Doch als „Familie Hildebrandt” kurz darauf die Wohnung besichtigt, erzählt sie ganz aufgeregt: „Ich war eben grad so erschrocken, da kommt so ein Mieter, den kann ich nicht so ins Haus nehmen, so einen Schwarzen ... Ich kann das ja nicht am Telefon sehen, wie der aussieht. Er sprach ja ein gutes Deutsch, aber ich komm da gar nicht drüber hinweg. Der war ganz schwarz, ganz schlimm ... und dann die Haare ... der war so schwarz wie der Heidi Klum ihrer."
In anderen Situationen setze sich Wallraff auch körperlicher Gefahr aus, in Nachtlokalen in Rosenheim und besonders bei ostdeutschen Fußballfans. Nur das Eingreifen einer couragierten Polizistin im Fussballsonderzug rettet ihn vor einem körperlichen Angriff. Diese rohe, unmittelbare Konfrontation mit dieser abstossend aggressiven Haltung ist erschreckend. Vor einem Bus, der die Fans nachhause bringen soll, fragt Wallraff Fans von Dynamo Dresden, ob er denn mitfahren könnte. Die durchwegs kahlrasierten, bizepsbetonenden jungen Männer bieten ihm den Gepäckraum an. Ein anderer belehrt ihn, „Du willst nach Dresden? Dann fährst du über die Elfenbeinküste, über Afghanistan, musst um Mosambik einen großen Bogen machen, dann bist du da."
Die Technik der Handkamera ist für den Zuseher nicht immer einfach. Schön sind die Szenen, in denen schwarze Deutsche selber von ihren Erfahrungen erzählen, davon hätte man sich fast mehr gewünscht — andererseits wäre es aber dann ein anderer Film geworden.


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