Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.1 vom 08.01.2000, Seite 2

Osterweiterung

EU setzt auf Lohnkonkurrenz

von GERHARD KLAS

Zumindest im Hinblick auf die künftigen Beitrittsverhandlungen mit den 13 EU-Bewerbern hätte das Motto des jüngsten Gipfels der EU-Regierungschefs in Helsinki "Teile und herrsche" lauten können. Waren die Beitrittskandidaten bisher in zwei Gruppen aufgeteilt, hat der Europäische Rat nun beschlossen, keine Kontigentlösungen mehr anzustreben.
Künftig werden sie einzeln antreten und um die Gunst der EU- Kommission buhlen müssen. Die überprüft, welche Kandiaten die Zugangskriterien zu ihrer Zufriedenheit erfüllen. Dabei geht es zwar auch um rechtsstaatliche Prinzipien, Demokratie und Menschenrechte, die gerade EU-Politiker gerne und häufig betonen. Doch mit dem Eintritt in den Binnenmarkt sollen vor allem die Kandidaten belohnt werden, die den wirtschaftlichen Stabilitätskriterien und der rigiden Asyl- und Einwanderungspolitik der EU entsprechen. Von sozialen Mindeststandards oder einer Abfederung für die massenhaften Konkurse von Landwirten in den Beitrittsländern ist nirgends die Rede. Und natürlich sollen die 550 Millionen EU-Bürger dann einem europäischen Verteidigungssystem untergeordnet sein.
Auch wenn der Europäische Gewerkschaftsbund vor den Folgen einer zu schnellen Eingliederung der Kandidaten warnt, peilt der Europäische Rat erste Beitritte im Jahr 2002 an. Beim aktuellen Niveau der Einkommensunterschiede würde ein starker Anreiz für eine Abwanderung von Arbeitskräften von Osten nach Westen bestehen. Genau darauf setzt die EU in ihrer Agenda 2000 und hofft auf eine Beschleunigung des "bereits eingeleiteten Prozesses der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte in angrenzenden Ländern wie Österreich und Deutschland".
Nicht nur die Verbilligung der Ware Arbeit in den heutigen EU-Staaten korrespondiert mit Interessen großer Wirtschaftsunternehmen. Außer den landwirtschaftlichen Betrieben soll es auch anderen Unternehmen in den Beitrittsländern ähnlich wie bei der deutschen Wiedervereinigung an den Kragen gehen. Die international operierende Citibank hat schon mit einer Studie Vorarbeit geleistet und weit mehr als 50% der Unternehmen in der Tschechischen Republik, der Türkei, Ungarn und Polen als "nicht kreditwürdig" eingeordnet. EU-Konglomerate werden sie fressen und einstampfen. Übrig bleiben werden die wegrationalisierten und entlassenen Beschäftigten, denen ihre Existenzgrundlage entzogen wird. Dann könnte das Kalkül der EU aufgehen, denn vielen von ihnen wird dann nur noch eins bleiben: der Weg nach Westen, als Futter und Motor für den prosperierenden Billiglohnsektor.
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