Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.1 vom 08.01.2000, Seite 4

Aktionen gegen den EU-Gipfel

10./11.Dezember 1999

Der vom Europäischen Erwerbslosenparlament Anfang Juni 1999 beschlossene europäische Aktionstag gegen Billiglohn und Arbeitszwang war ein Erfolg. Die Beteiligung war bescheiden, aber es ist gelungen, in mehreren europäischen Ländern gleichzeitig signifikante Aktionen durchzuführen, die für eine wachsende Koordination der Erwerbslosen sprechen.
Finnland: In Helsinki, der Tagungsstätte des EU-Gipfels, demonstrierten am 10.Dezember 5000 Menschen gegen die Politik der EU. Sie folgten dem Aufruf eines breiten Bündnisses, das vom Bauernverband über die Arbeitslosenverbände (die der ENU angeschlossen sind) und der "No-to-EU"-Bewegung bis zur KP reichte. Es war die größte Demonstration in Finnland, an die sich die Organisatoren erinnern konnten. An die Demonstration schloss sich ein "Europäischer Zukunftskongress" an, der von der "No-to-EU"-Bewegung organisiert war und vor allem politisch gegen die EU Stellung bezog. Den Organisatoren gelang es, Vertreter aller europäischen Länder zu einem Runden- Tisch-Gespräch zusammenzubringen.
Am 11.Dezember demonstrierten noch einmal 500 AnhängerInnen linker Gruppen gegen die EU.
Frankreich: Die Forderung nach einer Jahresendprämie für die Erwerbslosen stand auch in diesem Jahr wieder im Mittelpunkt; sie war verbunden mit der Forderung nach einer Anhebung aller sozialen Mindestleistungen um rund 500 DM und nach einem Grundeinkommen für Jugendliche unter 25 Jahren (die in Frankreich von Sozialleistungen ausgeschlossen sind). Von Mitte November an hat es in Frankreich in mehreren Städten Aktionen der Erwerbslosen gegeben, in Marseille folgten 15000 einem Aufruf der Erwerblosenorganisation der CGT, in Montpellier 3000. Am 10.Dezember gab es Aktionen in mehreren Dutzend Städten, in Grenoble und Lyon wurden Arbeitsämter besetzt, in Nantes Aktionen für kostenlosen Nahverkehr organisiert, in Paris statteten Erwerbslose, Obdachlose und Gewerkschafter dem Festkomitee für die Feierlichkeiten zur Jahrtausendwende einen Besuch ab.
Am 11.Dezember gab es in Paris eine landesweite Demonstration, der 6000 Menschen folgten. Zuvor hatte die Regierung versucht, der Mobilisierung das Wasser abzugraben und eine Sonderprämie von etwa 300 DM versprochen (allerdings nur für einen Teil der Erwerbslosen) und eine lächerliche Anhebung der Sozialleistungen um 15 DM pro Nase und Monat.
Italien: In über 20 Städten gab es symbolische Aktionen gegen Leiharbeitsfirmen, einigenorts auch kleine Demonstrationen von Beschäftigten in ungeschützten Arbeitsverhältnissen. Die größte Aktion fand am 17.Dezember in Neapel statt: die Organisation der "gesellschaftlich nützlichen Arbeiter" - Beschäftigte mit prekären Arbeitsverträgen im öffentlichen Dienst - hatte zu einem landesweiten Streik und einer Demonstration aufgerufen, der 3000 Menschen folgten.
Die Regierung hat dies wenig angefochten: sie beschloss noch am selben Tag die Ausweitung der Leiharbeit mit einem Maximum an Flexibilisierung. Die Erwerbslosenorganisation In Marcia hat eine Kampagne für ein landesweites Referendum zur Abschaffung aller Gesetze über prekäre Beschäftigung und zur Einführung eines "Soziallohns" für Erwerbslose vorgeschlagen.
Spanien: Am 10.Dezember versammelten mehrere hundert Menschen zu einer zentralen Kundgebung in Madrid. Dazu aufgerufen haben 15 Organisationen: Gewerkschaften, Einwanderer, soziale Initiativen, SchülerInnen und Studierende. Hinter der kleinen Teilnehmerzahl verbirgt sich dennoch eine Ausweitung der Bewegung. Vorangegangen war eine Initiative für ein Gesetz zur Einführung der 35-Stunden-Woche ohne Lohnverlust und ohne Flexibilisierung, die von Gewerkschaften, Parteien und sozialen Bewegungen getragen wird (CGT, USO, CC.OO., Izquierda Unida, Anti-Maastricht-Bewegung). Von November 1998 bis Juni 1999 wurden 700.000 Unterschriften darunter gesammelt. Im Mai und Juni fanden örtlich verschiedentlich Aktionswochen statt: in Malaga vom 6. bis 15.Mai Märsche gegen Erwerbslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung, in Barcelona für das Recht auf Arbeit, gesundheiutliche Versorgung, Wohnung, ein Grundeinkommen und eine anständige Rente. Im Juni fand eine Aktionswoche in Madrid statt, im November in Cordoba.
Deutschland: In der BRD lag der Schwerpunkt der Aktionen mit 17 daran beteiligten Städten eindeutig auf Thüringen. In Erfurt organisierte die Arbeitsloseninitiative Thüringen (ALI) einen zwei Kilometer langen Protestmarsch vom Gewerkschaftshaus zum Domplatz. Hier stellten die Demonstrierenden einen Weihnachtsbaum auf, den sie mit den Weihnachtsgeschenken der Europäischen Kommission schmückten: Senkung der Sozialleistungen, der Renten usw. Das Presseecho war gut.
Ein weiterer Schwerpunkt der Aktionen war das Dreiländereck um Basel.
Aktionen fanden außerdem statt in Amsterdam, Brüssel, Wien und Genf, Bristol, Brighton und Cadiz.


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