Sozialistische Zeitung |
Der vom Europäischen Erwerbslosenparlament Anfang Juni 1999 beschlossene europäische
Aktionstag gegen Billiglohn und Arbeitszwang war ein Erfolg. Die Beteiligung war bescheiden, aber es ist gelungen, in mehreren
europäischen Ländern gleichzeitig signifikante Aktionen durchzuführen, die für eine wachsende Koordination der
Erwerbslosen sprechen.
Finnland: In Helsinki, der Tagungsstätte des EU-Gipfels,
demonstrierten am 10.Dezember 5000 Menschen gegen die Politik der EU. Sie folgten dem Aufruf eines breiten Bündnisses, das vom
Bauernverband über die Arbeitslosenverbände (die der ENU angeschlossen sind) und der "No-to-EU"-Bewegung bis
zur KP reichte. Es war die größte Demonstration in Finnland, an die sich die Organisatoren erinnern konnten. An die Demonstration
schloss sich ein "Europäischer Zukunftskongress" an, der von der "No-to-EU"-Bewegung organisiert war und vor
allem politisch gegen die EU Stellung bezog. Den Organisatoren gelang es, Vertreter aller europäischen Länder zu einem Runden-
Tisch-Gespräch zusammenzubringen.
Am 11.Dezember demonstrierten noch einmal 500 AnhängerInnen
linker Gruppen gegen die EU.
Frankreich: Die Forderung nach einer Jahresendprämie für die
Erwerbslosen stand auch in diesem Jahr wieder im Mittelpunkt; sie war verbunden mit der Forderung nach einer Anhebung aller sozialen
Mindestleistungen um rund 500 DM und nach einem Grundeinkommen für Jugendliche unter 25 Jahren (die in Frankreich von
Sozialleistungen ausgeschlossen sind). Von Mitte November an hat es in Frankreich in mehreren Städten Aktionen der Erwerbslosen
gegeben, in Marseille folgten 15000 einem Aufruf der Erwerblosenorganisation der CGT, in Montpellier 3000. Am 10.Dezember gab es
Aktionen in mehreren Dutzend Städten, in Grenoble und Lyon wurden Arbeitsämter besetzt, in Nantes Aktionen für
kostenlosen Nahverkehr organisiert, in Paris statteten Erwerbslose, Obdachlose und Gewerkschafter dem Festkomitee für die
Feierlichkeiten zur Jahrtausendwende einen Besuch ab.
Am 11.Dezember gab es in Paris eine landesweite Demonstration, der
6000 Menschen folgten. Zuvor hatte die Regierung versucht, der Mobilisierung das Wasser abzugraben und eine Sonderprämie von etwa
300 DM versprochen (allerdings nur für einen Teil der Erwerbslosen) und eine lächerliche Anhebung der Sozialleistungen um 15
DM pro Nase und Monat.
Italien: In über 20 Städten gab es symbolische Aktionen gegen
Leiharbeitsfirmen, einigenorts auch kleine Demonstrationen von Beschäftigten in ungeschützten Arbeitsverhältnissen. Die
größte Aktion fand am 17.Dezember in Neapel statt: die Organisation der "gesellschaftlich nützlichen Arbeiter" -
Beschäftigte mit prekären Arbeitsverträgen im öffentlichen Dienst - hatte zu einem landesweiten Streik und einer
Demonstration aufgerufen, der 3000 Menschen folgten.
Die Regierung hat dies wenig angefochten: sie beschloss noch am selben
Tag die Ausweitung der Leiharbeit mit einem Maximum an Flexibilisierung. Die Erwerbslosenorganisation In Marcia hat eine Kampagne
für ein landesweites Referendum zur Abschaffung aller Gesetze über prekäre Beschäftigung und zur Einführung
eines "Soziallohns" für Erwerbslose vorgeschlagen.
Spanien: Am 10.Dezember versammelten mehrere hundert Menschen zu
einer zentralen Kundgebung in Madrid. Dazu aufgerufen haben 15 Organisationen: Gewerkschaften, Einwanderer, soziale Initiativen,
SchülerInnen und Studierende. Hinter der kleinen Teilnehmerzahl verbirgt sich dennoch eine Ausweitung der Bewegung. Vorangegangen
war eine Initiative für ein Gesetz zur Einführung der 35-Stunden-Woche ohne Lohnverlust und ohne Flexibilisierung, die von
Gewerkschaften, Parteien und sozialen Bewegungen getragen wird (CGT, USO, CC.OO., Izquierda Unida, Anti-Maastricht-Bewegung). Von
November 1998 bis Juni 1999 wurden 700.000 Unterschriften darunter gesammelt. Im Mai und Juni fanden örtlich verschiedentlich
Aktionswochen statt: in Malaga vom 6. bis 15.Mai Märsche gegen Erwerbslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung, in Barcelona
für das Recht auf Arbeit, gesundheiutliche Versorgung, Wohnung, ein Grundeinkommen und eine anständige Rente. Im Juni fand
eine Aktionswoche in Madrid statt, im November in Cordoba.
Deutschland: In der BRD lag der Schwerpunkt der Aktionen mit 17 daran
beteiligten Städten eindeutig auf Thüringen. In Erfurt organisierte die Arbeitsloseninitiative Thüringen (ALI) einen zwei
Kilometer langen Protestmarsch vom Gewerkschaftshaus zum Domplatz. Hier stellten die Demonstrierenden einen Weihnachtsbaum auf, den sie
mit den Weihnachtsgeschenken der Europäischen Kommission schmückten: Senkung der Sozialleistungen, der Renten usw. Das
Presseecho war gut.
Ein weiterer Schwerpunkt der Aktionen war das Dreiländereck um
Basel.
Aktionen fanden außerdem statt in Amsterdam, Brüssel, Wien
und Genf, Bristol, Brighton und Cadiz.