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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.2 vom 20.01.2000, Seite 2

LL-Demo verboten

PDS auf Distanz - zu Demonstranten

Jedes Jahr im Januar gedenkt das, was in der BRD noch von der radikalen Linken übrig geblieben ist, der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht durch Militärangehörige, die unter dem Befehl des Sozialdemokraten Noske standen, im Jahre 1919. Die Ehrung der beiden bedeutenden Revolutionäre und Mitbegründer der KPD ist die bei weitem größte linke Manifestation in diesem Lande.
Im vorigen Jahr nahmen an der Demonstration etwa 15.000 und am stillen Gedenken an der Gedenkstätte der Sozialisten in Friedrichsfelde etwa 100.000 Menschen teil. Auch in diesem Jahr hatte die PDS für den 9.Januar wieder zum stillen Gedenken aufgerufen. Ein linkes Bündnis, dem u.a. die Kommunistische Plattform der PDS, die DKP und die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) angehörten, mobilisierte zu einer Demonstration vom Frankfurter Tor nach Friedrichsfelde.
Mit der Begründung, dass es eine Attentatsdrohung gegen die beiden Veranstaltungen gebe, wurden sowohl die Demonstration als auch das stille Gedenken vom Berliner Polizeipräsidenten verboten. Der Berliner Tagesspiegel wusste zu berichten, dass die Polizei die Demonstration und das Gedenken nicht verbieten, sondern ein Schutzkonzept entwickeln wollte. Erst auf Druck des Innensenators seien dann beide Veranstaltungen verboten worden.
Nun ist die Demonstration schon seit geraumer Zeit das Ziel von polizeilichen Angriffen und Provokationen. Deswegen darf man getrost davon ausgehen, dass den Verantwortlichen jeder Grund recht war, die Demonstration zu verbieten. So räumte auch ein Polizeisprecher ein, dass noch niemals eine Großveranstaltung mit dieser Begründung verboten worden sei. Nebenbei war dies auch das erste Verbot der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration seit 1933, als die Nazis die Demonstration erstmals verboten. Bemerkenswert ist auch, dass die erste Luxemburg-Liebknecht-Demonstration nach dem Umzug der Hauptstadt an die Spree gleich verboten wurde.
Die Art und Weise, wie das Verbot dann durchgesetzt wurde, zerstreute endgültig alle Zweifel darüber, gegen wen die Polizei hier vorging. Es sammelten sich zunächst etwa 4000 Menschen am Mehringplatz, die dann eine spontane Demonstration bis zum Leninplatz (Platz der Vereinten Nationen) durchführten. Während dieser Demonstration wurden alle TeilnehmerInnen intensiv gefilmt und die Polizei zog ein martialisches Spalier auf. Die angeblich durch die Polizei zu Schützenden wurden das Ziel von Knüppeleinsätzen und es gab über 200 Festnahmen. In Friedrichshain fanden regelrechte Menschenjagden statt. Am Leninplatz kesselte die Polizei etwa 1000 Personen zeitweilig ein und löste die Demonstration auf.
Das eigentlich Skandalöse ist aber aus linker Sicht nicht das Verhalten des Staates - ein kapitalistischer Staat betrachtet das Gedenken an sozialistische Revolutionäre nun einmal nicht mit Wohlwollen -, sondern das Verhalten der PDS. Während das linke Bündnis an seinem Demonstrationsaufruf festhielt und trotz Verbot zum Frankfurter Tor mobilisierte, verzichtete die PDS auf alle Rechtsmittel und verlegte das Gedenken auf den 15. Januar. Sie schickte einige ihrer Aktivisten mit Flugblättern aus, in denen die Leute aufgefordert wurden, nicht nach Friedrichsfelde zu gehen, und machte sich damit zur Gehilfin der Polizei.
Da fast jede linke Veranstaltung von Rechten oder "Durchgedrehten" bedroht wird, kann mit dieser Begründung auch fast jede linke Veranstaltung verboten werden. Dies dient dann aber nicht dem "Schutz", sondern der Verfolgung der Teilnehmer, wie am 9.Januar zu sehen war.
Die PDS ignoriert diese Repression. Sie hat nicht nachhaltig den Schutz dieser Veranstaltung gefordert, so wie auch andere Großveranstaltungen bei Bedrohung nicht verboten, sondern geschützt werden. Sie hat dementsprechend auch auf Rechtsmittel verzichtet.
In einem Brief vom 11.Januar distanziert sich Gysi sogar noch ausdrücklich von radikalen DemonstrantInnen, wobei er immer wieder MLPD und Autonome als besonders abschreckende Beispiele hervorhebt. Man bekommt den Eindruck, dass Gysi es ganz richtig findet, wenn die Polizei gegen solche Leute vorgeht. Aber auch in der PDS regt sich Protest gegen das Verhalten der Parteiführung. Die PDS Berlin-Friedrichshain, die Bundestagsabgeordneten Winfried Wolf und Ulla Jelpke sowie der Ehrenvorsitzende Hans Modrow kritisierten das Verhalten der PDS-Spitze und distanzierten sich davon.
Durch ihre Unterwerfung unter die Polizeilogik beim Verbot einer Veranstaltung, bei der PDS-Anhängern den größten Teil der Teilnehmenden stellen, ist die PDS wieder ein Stück regierungsfähiger geworden. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass trotz Verbot eine Demonstration stattgefunden hat, an der Leute von DKP und MLPD, Trotzkisten ebenso wie Autonome und Antifas teilgenommen haben. Es gibt also in diesem Lande entgegen Lenins Annahme doch Linke, die auch ohne "Bahnsteigkarte" Aktionen machen.
Am 15.Januar, nachdem die Polizei sich plötzlich in der Lage sah, ein Schutzkonzept zu entwickeln, fand das Gedenken nun doch statt. Es nahmen wieder etwa 100.000 Menschen teil. An einer Demonstration vom Frankfurter Tor nach Friedrichsfelde nahmen ca. 1000 Menschen teil. Da sich die Polizei diesmal zurückhielt, kam es zu keinerlei Zwischenfällen.
Andreas Bodden


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