Sozialistische Zeitung |
Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer und dem proklamierten Ende der Geschichte, das eine "Neue
Weltordnung" hervorbringen sollte, kündigt sich gegen eben diese Massenwiderstand an. Auf der Anklagebank stehen der
Freihandel, die "Dollarisierung", die Globalisierung - kurz: die neue Qualität der imperialistischen Herrschaft, die sich im
Zusammenbruch ganzer Nationalökonomien und ihrer völligen Abhängigkeit von den Kapitalinteressen der Metropolen
ausdrückt. Gesellschaftliche Bündnisse von den Gewerkschaften über die Dritte Welt, die Umweltbewegung und die
Indígenas stellen die Allgewalt der "Global Players" in Frage und widerlegen in der Praxis die Propagandalosung, es gebe
zu alldem keine Alternative.
In Seattle war es ein breites Bündnis von Demonstrierenden, in Quito
war es weitaus mehr: ein Volksparlament, in zehnjähriger Arbeit aufgebaut, das der bestehenden Nationalversammlung - eine
willfähriges Instrument in der Hand der USA - die Legitimität abgesprochen hat: "Wir sind das Volk." Diese Bewegung
hat nicht nur protestiert, sie hat auch gewagt, die Frage der Macht zu stellen und Organe von Gegenmacht herauszubilden. Wer dies vor zehn
Jahren vorausgesagt hätte, wäre für einen Träumer gehalten worden.
Nun ist aus dem Traum der Indígenas nichts geworden, weil sie
sich auf die falschen Leute verlassen haben. Das berührt die Frage, auf welchem Weg die Macht zu erobern ist. Dass sie aber den Willen
dazu hatte, daran hat die Volksbewegung in Ecuador nicht den geringsten Zweifel gelassen. Allein das macht den Aufstand in Quito zu einem
herausragenden Ereignis, dessen Bedeutung gar nicht hoch genug geschätzt werden kann.
Von den Herrschern der Welt wird dieser Umschwung mit Sorge
registriert. Zwar werden sie, wie jüngst wieder der US-Präsident oder auch die "Global Leaders of Tomorrow", die
sich zum Weltforum in Davos getroffen haben, nicht müde, die Segnungen der neoliberalen Politik zu betonen und wie sie die Welt reich
gemacht hätten; die gleichfalls zunehmende Verelendung nehmen sie entweder nicht zur Kenntnis, oder leugnen sie rundweg. Doch es
beschleicht sie auch Ratlosigkeit, ob mit der Zerstörung der Nationalstaaten und der sozialen Sicherungssysteme soziale Explosionen
noch vermieden oder in Schach gehalten werden können. Und mitunter beschleicht sie auch Angst. "Der Anblick all dieser reichen
und bedeutenden Leute an einem einzigen Ort", schreibt einer von ihnen, ein Paul Krugman, in der Süddeutschen Zeitung (27.1.),
"denen noch dazu ein Haufen berühmter Intellektueller aufwartet - das weckt sogar bei völlig zynischen Beobachtern den
gleichen Gedanken: ,Kommt die Revolution, stellen wir diese Leute als erste an die Wand."
Die Neue Weltordnung sitzt alles andere als fest im Sattel; an uns, den
Faden von Seattle und Quito aufzunehmen und weiterzuspinnen - z.B. Ende Juni in Genf, wenn anlässlich der UNO-Folgekonferenz zum
Sozialgipfel in Kopenhagen ein internationales Netzwerk gegen den Freihandel gegründet werden soll.
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