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Seit 1973 tagt Ende Januar das World Economic Forum (WEF) im Schweizer Wintersportort Davos. Aus der
Manager-Winterschule mit esoterischen Einschlag entwickelte sich in den letzten Jahren eine Denkfabrik, in der sich ca. 1500
Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Medien ein Stelldichein geben. "Praktische Lösungen für die
großen Herausforderungen, mit denen die Menschheit im 21.Jahrhundert konfrontiert ist", will das Meeting nach Angaben des WEF-
Begründers Klaus Schwab suchen. Das Schlüsselwort dafür sei "Unternehmergeist in sozialer Verantwortung".
Mit solchen Worthülsen wird auch bei den Tagungsinhalten nicht
gespart. Im letzten Jahr wurde unter dem Motto "Die globale Verantwortung: mit der Globalisierung umgehen" beratschlagt. Dieses
Jahr wurde die Hitliste der Nullaussagen sogar noch getoppt. "New Beginnings. Making a Difference" heißt die Losung in
diesem Jahr. In diesem Jahr war der amerikanische Präsident Clinton der Star der Konferenz. In seiner Rede warnte er vor einem neuen
Protektionismus in der Weltwirtschaft. Gleichzeitig trat er für den Dialog der Globalisierungsgegner ein.
Die neue Offenheit hat ihren Grund. Die WTO-Konferenz scheiterte in
Seattle schon in den Ansätzen an Differenzen zwischen Europa und den USA, aber auch an dem unerwartet heftigen Widerstand der
GegnerInnen der Globalisierung. Bei einem von Clinton in Aussicht gestellten zweiten Anlauf für ein internationales
Freihandelsabkommen soll die Bewegung gespalten und ein Teil der KritikerInnen mit ins Boot geholt werden, die sich förmlich nach
einer konstruktiv-kritischen Teilnahme am WEF sehnten. Unter der Losung "Für ein anderes Davos" hatte sich schon im
letzten Jahr ein von großen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) getragenes Bündnis medienwirksam in Szene gesetzt. Die
Hauptforderung war die Einführung der sogenannten Tobinsteuer, d.h. die Einführung einer Steuer für internationale
Finanztransaktionen. Das Bemühen um Anerkennung hat sich ausgezahlt. In diesem Jahr hat WEF-Präsident Schwab den NGOs eine
Sozialpartnerschaft angeboten, um der Globalisierung ein soziales Gesicht zu geben.
Zu den prominenten vier WTO-KritikerInnen, die erstmals zu rund 3000
illustren Gästen eingeladen wurden, gehört die bekannte indische Feministin Vandana Shiva und der Direktor des Third World
Network aus Malaysia, Martin Khor. Ihre Einladung basierte auf Vorschlägen der Initiative "Public Eye", die nicht an dem
WEF an sich, sondern nur an der mangelnden Transparenz der Tagung Kritik geübt hat. Da trifft sie sich auch mit Schwab, der sein
Meeting gerne den Ruch des elitären Forums nehmen würde. "Wir haben mit Public Eye eng zusammengearbeitet",
erklärte er in einem Weltwoche-Interview.
Letzten Herbst waren von Helmut O. Maucher, nach Schwab die Nummer
Zwei in der WEF-Hierarchie noch ganz andere Töne zu hören: "Die Entstehung von Aktivistengruppen droht die
öffentliche Ordnung, die rechtmäßigen Institutionen und den demokratischen Prozess zu untergraben", sagte er laut
Vorwärts vom 22.Januar 2000 im Herbst gegenüber Geschäftspartnern. Der langjährige Davos-Stammgast und
ehemalige Weltbankökonom Lawrence H. Summers sorgte mit seiner Empfehlung in den Trikontländern verstärkt
umweltbelastende Industrien anzusiedeln, weil die Dritte im Vergleich zur Ersten Welt noch unterverschmutzt sei, für Empörung.
Solche Töne verkneifen sich jetzt die Herren, weil das dem neuen Geist von Davos doch etwas widersprechen würde.
Doch die neue Offenheit wird von einem Teil der Protestierenden sowieso
nicht sonderlich geschätzt. "Wie letztes Jahr während der Demo, lassen wir uns auch dieses Jahr nicht auf einen Dialog mit
der WEF-Leitung ein und werden dies auch in Zukunft nicht tun. Wir sprechen dem WEF und politischen und wirtschaftlichen Eliten, die den
Hungertod von Millionen von Menschen verursachen, jegliche Legitimation ab und sehen nicht ein, weshalb wir uns mit ihnen an einen Tisch
setzen sollten;" heißt es in einem Aufruf, mit dem unter dem Titel "Auf und Davos" zur Demaskierung des friedfertigen
Geist von Davos aufgerufen wird.
Wie 1999 verhängte auch in diesem Jahr das Landratsamt von Davos
für den 29.Januar ein generelles Demonstrations- und Kundgebungsverbot über die Region. Trotz massiven Polizeiaufgebots
versammelten sich am Nachmittag des 29.Januar ca. 500 Demonstrierende in Davos. In deutlichem Bezug zu Seattle gingen auch in dem
Wintersportort einige Scheiben kaputt.
Peter Nowak