Sozialistische Zeitung |
Das Gewaltmonopol der UNO und die Haltung zu internationalen Blauhelmeinsätzen - wie zuletzt in Ost-
Timor - wird den Frühjahrsparteitag der PDS in Münster beschäftigen. Die Debatte läuft seit Oktober auf mindestens
drei Ebenen: In der PDS geht es erstens um die strategische Option zukünftiger Regierungsbeteiligungen im Bund. Teile der Partei sehen
in der Bildung einer "Mitte-Links-Regierung" unter Einschluss der PDS das wichtigste Ziel für das Wahljahr 2002.
Größtes Hindernis dabei könnte ein strikter Antimilitarismus werden. Alle bisherigen PDS-Programme lehnen
Auslandseinsätze der Bundeswehr und überhaupt jede Art von Militärinterventionen ab. Alle bisherigen Programme bestehen
auch auf der Abschaffung der Bundeswehr, verlangen die Auflösung von NATO und WEU. Aus herrschender Sicht gelten die
demokratischen Sozialistinnen und Sozialisten diesbezüglich noch als besonders stur und lernunfähig. Nun wächst -
ausgehend von der Führung der Bundestagsfraktion - der Druck, bisherige Aussagen schleichend zu entschärfen.
Zweitens gibt es eine Auseinandersetzung über die Rolle der
Vereinten Nationen und ihre demokratische Reformierbarkeit, über den fortschrittlichen Charakter der UN-Charta und über die
reale Abhängigkeit der Weltorganisation vom Willen weniger Großmächte. Diskutiert wird über wenige gute und viele
schlechte Erfahrungen mit Blauhelmeinsätzen in verschiedenen Ländern und die latente Gefahr, dass speziell über den UN-
Sicherheitsrat zukünftige Kriege legitimiert werden. Nie seit Gründung der Partei hat sich von den Basisorganisationen bis in die
Spitzengremien eine so breite, engagierte und kontrovers geführte Diskussion entwickelt. Der Grund: die Mitgliedschaft ist sensibilisiert,
nachdem die Bundesrepublik erstmals einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen einen anderen Staat führte, und nachdem
SPD und Grüne zum Regierungseinstand alle früheren Grundsätze bezüglich Auslandseinsätzen über Bord
warfen. Im Vorfeld des April-Parteitags wird das Thema im Februar auch auf bundesweit organisierten Veranstaltungen behandelt.
Drittens müsste die PDS ihr Verhältnis zum Pazifismus neu
definieren. Sie betrachtete sich zwar nie - wie dies jahrelang die Grünen taten - als pazifistische Partei; aber sie behandelte den
Pazifismus immer als integrierten Bestandteil ihrer Politik. Deutschland sollte doch erster (!) und nicht etwa alleiniger Kriegsdienstverweigerer
werden. Damit ist es vorbei, wenn die UN als ideelle Kriegspartei anerkannt wird, die man von Fall zu Fall lobt oder tadelt. Die auf der
Fraktionsklausur vom 21.Oktober 1999 mehrheitlich beschlossenen und am 1.November vom Parteivorstand akzeptierten Vorschläge
stehen im Kreuzfeuer der Kritik. Statt von Militär wird - um zumindest verbal den zivilen Anspruch zukünftiger UN-
Streitkräfte zu betonen - von Polizeieinheiten gesprochen. Eine "internationale Polizeitruppe" wird vorgeschlagen, um den
Missbrauch von UN-Mandaten durch nationale Streitkräfte zu verhindern. Als Obergefreiter der Reserve würde ich davon in aller
Bescheidenheit abraten. Polizeinheiten taugen zur Verkehrsregelung oder bei Banküberfällen. "Polizeieinheiten" gegen
von NATO-Kadern ausgebildete Armeen, wie in Ost-Timor oder Haiti, marschieren zu lassen, ist höchst problematisch.
Unter der Überschrift "Die Waffen nieder" formuliert das
noch gültige Programm: "Die PDS tritt dafür ein, Krieg und militärische Gewalt zu ächten und für immer
aus dem Leben der Völker zu verbannen. Wir lehnen Denken und Handeln in Abschreckungs-, Bedrohungs-, und Kriegführungs-
Kategorien ab. Wir treten für die schrittweise Beseitigung aller Streitkräfte ein."
Während verschiedene linke Strömungen wie Teile der
IV.Internationale zu Beginn des Kosovo-Krieges vor knapp einem Jahr sich noch offen mit den über Albanien aufgerüsteten Banden
der UCK solidarisierten oder die serbische Soldateska im Kosovo als Schutzpolizei schönredeten (DKP), hatte die PDS von vorneherein
darauf verzichtet, in diesem Krieg eine gerechte Kampfpartei ausfindig zu machen. Sie setzte auf Verhandlungen und die politische
Stärkung der UNO, nicht auf deren Militarisierung. Sie ließ sich weder verleiten, Milosevic zu verteidigen noch die
Zerstörung Restjugoslawiens als Menschenrechtspolitik umzudeuten. Damit war die PDS nicht nur glaubwürdig gegen NATO-
Bombardements und Bundeswehreinsatz; sie lag auch richtig im Hinblick auf die Situation heute, ein Jahr danach. Im Einzelfall mögen
militärische Einsätze der UNO noch Schlimmeres verhindern. Insofern ist Einzelfallprüfung immer richtig. Aber auch der
"gerechteste" Krieg unter UN-Flagge trägt bei zur Militarisierung zwischenstaatlicher Beziehungen, stärkt
Rüstungsinteressen und verzerrt die tatsächliche Ursache-Wirkung-Beziehung immer neuer Kriege. Deshalb ist - so komisch es
klingt - die Forderung nach Einzelfallprüfung unter den derzeitigen internationalen Machtverhältnissen nur bei
grundsätzlicher Ablehnung des UN-Gewaltmonopols akzeptabel.
Bernhard Strasdeit