Sozialistische Zeitung |
Es sollte ja eigentlich eine kleine Trilogie über das moderne Brauchtum werden, mit der die SoZ-
Lesenden an dieser Stelle gelangweilt werden sollte: erst der Umgang der Mainstreamlinken mit der Bimbes-Kultur ihrer
Regierungsvorgänger (siehe SoZ 1/00) - und in dieser Ausgabe der Wahnwitz einer öffentlich vollzogenen Konzernvereinigung.
Dazwischen, in der SoZ 2/00 war ein Geburtstagsständchen zum Zwanzigsten der jungen Garde des Kapitals bei den Grünen
geplant. Doch die Tücken der elektronischen Auftragsablieferung haben dafür gesorgt, dass ein journalistisches Kleinod der SoZ im
Nirwana des Internets verschwand und eine schon fünfzehn Jahre alte Forderung der damals noch Arbeiterkampf heißenden
Zeitschrift eine späte Einlösung bekam: "Vergesst die Grünen!"
Schade eigentlich, dass die SoZ Anzeigen verschmäht und noch mehr,
dass die Anzeigen die SoZ verschmähen. Da wäre zur Zeit relativ unverfängliches Geld zu scheffeln: Der in
Großbritannien ansässige Konzern Vodafone-Airtouch bemüht sich, den in Deutschland gemeldeten Mannesmann-Konzern
aufzukaufen. Marktwirtschaftlich gesehen ein mittlerweile unaufregender Vereinigungsprozess, bei dem die Rollen vom Jäger und
Gejagten nur zufällig verteilt sind.
Es hätte auch genau umgekehrt kommen können und viele der
sog. "Analysten" - das hört sich nicht nur so an wie die ökonomistische Variante des Seelendoktors - sagen, es
wäre so gekommen. Neu ist allerdings, dass dieser Koitus des Kapitals mit aggressivem Exhibitionismus als Medienereignis zelebriert
wird. Mit der wohl bisher größten Anzeigenkampagne werben die beiden Konzerne um nichts als ihre Show. In allen großen
Tageszeitungen, vom Boulevardblatt bis zum Bürgerorgan FAZ werden seit Wochen und noch bis zum 7.Februar täglich mehrere
Seiten mit diesem Gockelkampf gefüllt. Selbst acht- und sechsseitige, bleiwüstig kleingedruckte, wahrscheinlich von niemandem
gelesene Quasibeilagen zu den großen überregionalen Tageszeitungen sollen einer diffusen Öffentlichkeit suggerieren: ich
habe den Größten.
Schlappe 1,9 Milliarden Mark wird dieses Türstehergeschrei
für die Fick-Show des großen Geldes verschlingen. Den Löwenanteil sacken die Schlepper aus der Hamburger Werbeagentur
KNSK/BBD und ihre Frankfurter Kollegen von Lowe & Partners ein. Beim Lobpreisen der kapitalistischen Missionarsstellung
fühlen sich zwar beide obenliegend, heraus kommen aber nur ungewollte Kuriositäten, die alle einstudierten Ergüsse der
für derlei Volksverdummung angestellten Veronas, Naddels und anderer Fernsehkasper in den Schatten stellen.
Während Mannesmann eine Reihe von Verkehrs(!)schildern
aufstellen lässt, natürlich nur aus der Rubrik Ver- und Gebotsschilder, wir leben schließlich immer noch in Deutschland, tritt
für Vodafone eine Schar offensichtlich im oder kurz vor dem Delirium stehender Zeitgeistfiguren auf, die mit verdrehten Augen und irrem
Lachen eine 68%-Prämie versprechen. 68 muss es sein. Dazu der schöne Spruch: "Mannesmann und Vodafone ist mehr
wert." Ist Mehrwert? Isst Mehrwert? Da war doch was.
Soll niemand glauben, hier würden reale Personen für eine
nicht unwesentliche Entscheidung in ihrem Geschäftsleben informiert. Wem gehört Mannesmann? Die Aktien sind breit gestreut,
neben ungefähr 60.000 Belegschaftsaktien auf weitere 130.000 Besitzer. Das Stimmrecht ist auf 5% festgeschrieben, d.h., auch wer mehr
Anteile besitzt, hat nicht mehr Stimmen bei der Aktionärsversammlung. Die Zeitschrift Wirtschaftswoche listet sechzig
Investmentagenturen und -banken auf, die zwischen 1% und 5% Anteile besitzen. Ihr Sitz ist durchweg in Übersee, Hongkong oder den
USA. Ihre Entscheidung wird ausschlaggebend sein, ob das Vodafone-Angebot angenommen wird. Lesen solche Leute die Bild, den Express
oder auch die FAZ, brauchen sie solche Anzeigen?
Natürlich nicht. Mannesmann und Vodafone erledigen ein
gemeinsames Anliegen des Kapitals, so dass durchaus möglich ist, dass alle Werbekosten, die nicht steuerlich abgezogen werden
können, aus einem gemeinsamen Topf bezahlt werden: Den menschenverachtenden Kapitalverwertungsprozessen, denen Massen von
Erwerbslosen und ausgebeuteten Lohnsklaven piepegal sind, sollen menschliche Züge, Emotionen und auch der Glanz von Partystimmung
angehängt werden. Das ganze Leben ist ein Quiz, und wir sind nur die Kandidaten.
Aber Vorsicht: es ist ein Tanz auf dem Vulkan. Wenn die bisherige
Arbeitsteilung immer so funktionierte, dass "die Wirtschaft" das schnöde geschäftliche Sein erledigte, so durfte die
Medienwelt die davon unberührte Soap-Opera, den schönen Schein, zur Wirklichkeit verklären. Jetzt läufts mal
umgekehrt: die tatsächliche Wirklichkeit, das Fressen und Gefressenwerden der kapitalistischen Marktwirtschaft, wird via Medien zur
Soap-Opera erklärt. Wie in dem schönen Woody-Allen-Film tritt der Hauptdarsteller der Show in das wirkliche Leben und der
Hauptdarsteller des Lebens in die Show. Weiter wird es nicht gehen. Auch das ist ein Zeichen für die Endschleife, in die das
kapitalistische System eingebogen ist.
Thies Gleiss