Sozialistische Zeitung |
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände nannte die von der IG Metall geforderte
Lohn- und Gehaltserhöhung von 5,5% einen "Anschlag auf die Arbeitsplätze". Gesamtmetall-Präsident Werner
Stumpfe warf der IG Metall eine Tarifrunde "auf dem Rücken der Arbeitslosen vor".
In der ersten Runde der Tarifgespräche für die 3,4 Millionen
Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie, die im IGM-Bezirk "Küste" begannen, bezeichnete der
Verhandlungsführer der Arbeitgeber Hans-Werner Busche die IG-Metall-Forderung gar als "beschäftigungspolitisches
Harakiri".
Diese Sorge um Millionen Menschen, die unserer Kenntnis nach nicht von
Gewerkschaften, sondern von Unternehmern in Arbeitslosigkeit entlassen worden sind, ist geradezu rührend. Wir vermissen allerdings
sowohl bei ihnen als auch bei den Medien, die ihnen verpflichtet sind, plausible Argumente für ihre Behauptungen. Tatsache ist
nämlich:
- In den Jahren 1980-1997 sind die Bruttolöhne und Gehälter
um 94% gestiegen. Netto - nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben - blieb den abhängig Beschäftigten nur noch ein Plus von
74% in den Taschen.
- Hingegen sind die Gewinne der Unternehmen im gleichen Zeitraum brutto
um 147% und nach den ihnen ermäßigten Steuern und Sozialabgaben netto um 251% gestiegen.
- Die Nettogewinne der 100 größten Metallunternehmen sind
seit ihrem Tiefpunkt im Jahre 1993 bis zum Jahr 2000 von 1 Milliarde Mark auf 46 Milliarden gestiegen.
- Die Lohnstückkosten in der Metallindustrie sind heute 8% niedriger
als 1995.
- Der Anteil der Löhne und Gehällter am Umsatz ist seit
Anfang der 90er Jahre um ein Fünftel gesunken. Er beträgt heute nur noch 20,5% des Umsatzes.
- Der Export, der doch angeblich wegen der hohen Löhne,
Gehälter und Sozialleistungen gefährdet war, wird allem Ansehen nach in diesem Jahr die Schallmauer von 1 Billion Mark
durchbrechen.
Wieso aber haben die hohen Gewinne nicht zu Investitionen geführt,
die Erwerbslosigkeit verringerten? Das war doch das Argument mit dem Lohnverzicht gefordert wurde? Aus zwei Gründen. Erstens, weil
investiert wurde, um zu rationalisieren - Arbeitskräfte einzusparen, indem sie arbeitslos gemacht wurden. Zweitens aber, weil sich diese
Gewinne ebenso wie die Bestechungsgelder der CDU in wundersamer Weise durch die Börsenspekulation vermehren konnten. Der Dax -
Maßstab der Börsenkurse - ist allein im Jahre 1999 um 39% gestiegen.
Da uns die großen Erfolge der USA in der Bekämpfung der
Erwerbslosigkeit durch Niedriglöhne als Muster vorgehalten werden, erreicht uns als Warnung soeben das Ergebnis einer Studie des
Instituts Bread for the World. 1998 konnten mehr als 10 Millionen Haushalte in den USA nicht genügend Grundnahrungsmittel kaufen.
Das seien 19 Millionen Erwachsene und 12 Millionen Kinder, die im reichsten Land der Welt Hunger leiden. Obwohl der allgemeine
Wohlstand in den USA in den vergangenen vier Jahren gestiegen sei, habe sich die Lage der Armen verschlechtert.
Eine besonders anmaßende Frechheit leistete sich übrigens der
Präsident der Europäischen Zentralbank, Wim Duisenberg. Er erklärte: "Ich wünsche den Deutschen, dass die IG
Metall mit ihrer Forderung nicht durchkommt." Das ist der gleiche Herr, der die Forderung von Oskar Lafontaine, die Zinsen zu senken,
um die Konjunktur anzukurbeln, als Eingriff in die "Unabhängigkeit" seiner Bank zurückwies. Wieso aber der Euro, den
zu hüten seine Aufgabe ist, in den Keller gefallen ist, vermag Duisenberg bisher nicht verständlich zu machen.
Jakob Moneta